Recht verständlich Kündigung wegen privaten Surfens?
06.10.2020, 07:15 Uhr
Das LAG hielt die fristlose Kündigung für wirksam, da ein Fall von exzessivem Privatsurfen und privaten Mails während der Arbeitszeit vorliegt, also Arbeitszeitbetrug.
(Foto: dpa-tmn)
Ein Mitarbeiter surft, obwohl die private Nutzung des Internets und des E-Mailsystems in seinem Unternehmen untersagt ist, exzessiv während der Arbeitszeit in eigener Sache im Netz und schreibt E-Mails. Der Arbeitgeber kündigt fristlos. Zu Recht?
Das Landesarbeitsgericht Köln (LAG) entschied kürzlich (Az.: 4 Sa 329/19), dass die private Nutzung von Internet und E-Mail am Dienst-PC trotz entsprechenden Verbots während der Arbeitszeit eine fristlose Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs rechtfertigt. Jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer sowohl an mehreren Tagen durchgehend als auch über Monate hinweg regelmäßig privat im Netz surft und E-Mails zu privaten Zwecken tätigt.

Rechtsanwältin Dr. Alexandra Henkel ist Fachanwältin für Arbeitsrecht, Wirtschaftsmediatorin und Business Coach.
Erst recht ist die Kündigung wirksam, wenn zwischen den einzelnen Website-Aufrufen ein Zeitraum von weniger als ein bis zwei Minuten liegt, denn in den kurzen Momenten kann keine sinnvoll verwertbare Arbeitsleistung erbracht worden sein.
Wie war der Fall?
Der Arbeitnehmer, ein Softwareprogrammierer, bekam von seinem Arbeitgeber für dienstliche Zwecke einen Laptop als Arbeitsmittel gestellt und es wurde die private Nutzung der IT-Infrastruktur inklusive Laptop vertraglich ausgeschlossen und untersagt. Außerdem war untersagt, auf den Arbeitsmitteln private Daten abzulegen oder zu speichern. Der Arbeitnehmer erklärte mit seiner Unterschrift auch sein Einverständnis damit, dass der Arbeitgeber die auf den Arbeitsmitteln befindlichen Daten zum Zwecke der Zuordnung zu geschäftlichen oder privaten Vorgängen überprüft und auswertet.
Es stellte sich dann aber heraus, dass der Arbeitnehmer über Monate hiergegen verstoßen hat und über einen längeren Zeitraum hinweg exzessiv sowohl das dienstliche Mailsystem als auch den Laptop und das Internet während der Arbeitszeit für private Zwecke genutzt hat. Der Arbeitgeber ließ durch einen IT-Sachverständigen das Laptop und die Log-Files der Internet-Browser untersuchen und fand diverse Belege für den exzessiven Arbeitszeitbetrug.
So fanden sich zum Beispiel private E-Mails bezüglich eines geplanten Kfz-Kaufs, Mailabrufe für den Vorarbeitgeber, Mails für seine eigene Firma. Er baute auch an der Webseite seiner Mutter und er surfte privat im Internet, zum Beispiel für Autorecherchen auf einschlägigen Seiten wie Autoscout24 oder auf Facebook, Youtube, Whatsapp, Booking.com, 1&1-E-Mail (für seine Mutter) und softeware-billiger.de (Suche für seinen Vater im Zusammenhang mit einer Lizenz für Windows 10).
Das Surfen erfolgte zum Teil den gesamten Tag durchgehend, gerne auch dann, wenn der Geschäftsführer auf auswärtigen Terminen war; insgesamt hat der Arbeitnehmer an mehr als fünf kompletten Arbeitstagen private Angelegenheiten im Internet erledigt. Zum Teil lagen nur ein bis Minuten zwischen den Seitenaufrufen. Der Arbeitgeber kündigte fristlos, hilfsweise fristgerecht; der Mitarbeiter erhob Kündigungsschutzklage.
Das Urteil
Das LAG hielt die fristlose Kündigung für wirksam, da ein Fall von exzessivem privaten Surfen und privaten Mails während der Arbeitszeit vorliegt, also Arbeitszeitbetrug. Sowohl die Nichteinhaltung von vorgegebenen Arbeitszeiten als auch die Verrichtung von Privattätigkeiten während der Arbeitszeit unter Nutzung des dienstlichen PCs sowie ausufernde Privattelefonate während der Arbeitszeit können nach ständiger Rechtsprechung der Arbeitsgerichte an sich einen wichtigen Grund im Sinn des Paragrafen 626 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches darstellen.
Auch die Interessenabwägung im Einzelfall führte hier bei dem ermittelten großen Umfang sowie der Regelmäßigkeit zu keinem anderen Ergebnis. Der Arbeitgeber durfte nach Auffassung der Richter durch den Sachverständigen das Laptop und die Log-Files des Internet-Browsers prüfen und die Ergebnisse im Prozess als Beweis vorlegen, weil die Privatnutzung nachweislich ausgeschlossen war, auf eine Überprüfung und Auswertung ausdrücklich hingewiesen wurde und alle Systeme nur dienstlich hätten genutzt werden dürfen.
Die Richter berücksichtigten auch, dass es sich bei dem klagenden Mitarbeiter als Softwareprogrammierer um einen Experten handelte, der auch wusste, dass es einen inkognito-Modus gibt, mit dem Speicherung von Log-Dateien vermieden werden kann. Die Speicherung erfolge damit zum Zwecke der Durchführung des Arbeitsverhältnisses nach Paragraf 32 Absatz 1 Satz 1 des Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und Paragraf 26 Absatz 1 Satz 1, um die Einhaltung des Verbots der privaten Nutzung des Internets und der E-Mails überprüfen zu können.
Auch die Vorlage im Prozess sei datenschutzrechtlich nicht zu beanstanden, weil diese Beweismittel zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach dem Bundesdatenschutzgesetz als Nachweise für die Wirksamkeit der Kündigung erforderlich seien.
Rechtsanwältin Dr. Alexandra Henkel ist Fachanwältin für Arbeitsrecht, Wirtschaftsmediatorin und Business Coach.
Quelle: ntv.de