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Recht verständlich Kündigung wegen sexueller Belästigung?

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(Foto: picture alliance/dpa)

Ein Arbeitnehmer sagt zu einer Personalreferentin unter anderem, dass er am Verhältnis vom Ring- zum Mittelfinger die "hormonelle Präferenz" erkennen könne und sie größere Brüste habe als ihre Kollegin. Der Arbeitgeber kündigt fristlos - zu Recht?

Das Landesarbeitsgericht Köln entschied kürzlich (LAG: Az.: 8 Sa 135/20), dass das Drehen und Anstarren der Hände von zwei Personalreferentinnen durch einen Mitarbeiter und dessen Ausführung, er könne am Verhältnis von Ring- und Mittelfinger "die hormonelle Präferenz" erkennen, eine sexuelle Belästigung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes darstellen kann. Dies gälte umso mehr für die weitere Erklärung des Mannes, die eine Referentin habe größere Brüste als ihre Kollegin, und Frauen neigten dazu, den Rücken zu beugen, um die Brüste zu verstecken. Doch auch diese schwerwiegenden Pflichtverletzungen rechtfertigen in diesem konkreten Fall nur eine Abmahnung, keine fristlose Kündigung.

Wie war der Fall?

Rechtsanwältin Dr. Alexandra Henkel ist Fachanwältin für Arbeitsrecht, Wirtschaftsmediatorin und Business Coach.

Rechtsanwältin Dr. Alexandra Henkel ist Fachanwältin für Arbeitsrecht, Wirtschaftsmediatorin und Business Coach.

Der Arbeitnehmer, seit 29 Jahren bei dem Arbeitgeber beschäftigt, erschien zu einem Interview zur Mitarbeiterqualifizierung, das durch zwei Personalreferentinnen durchgeführt wurde. Nach Zeugenaussagen der beiden drehte er beim Handschlag zur Begrüßung die Hände der beiden jeweils mit dem Handrücken nach oben und starrte die Hände an. Er erklärte später, er könne am Verhältnis vom Ring- zum Mittelfinger die hormonelle Präferenz erkennen. Weiterhin sagte er zu einer Referentin, sie habe größere Brüste als ihre Kollegin und "Frauen neigen dazu, den Rücken zu bücken, um die Brüste zu verstecken".

Nach Anhörung der beiden Frauen und auch des Mannes zu dem Vorwurf der sexuellen Belästigung kündigte der Arbeitgeber fristlos. In dem Anhörungsgespräch hatte der Mitarbeiter angegeben, es sei nur um die Finger gegangen. Am Verhältnis von Ring- und Mittelfinger, habe er im Internet gelesen, könne man den Charakter erkennen. Er habe nur von Körperhaltung mit Brüsten gesprochen und nicht über Brüste von Frauen. Er habe den Frauen erklärt, wie man sich hinstellen müsse: Schultern gerade und Arm ausstrecken, nur dann könne man die Hand richtig sehen, man müsse die Brust wegdrücken, damit man einen rechten Winkel habe. Der Arbeitgeber sah damit die Schuld einer sexuellen Belästigung als erwiesen, er wertete dies wegen Uneinsichtigkeit außerdem als Wiederholungsgefahr und Begründung für die fristlose Kündigung.

Das Urteil

Das Landesarbeitsgericht (LAG) ließ es letztlich dahingestellt, wie es denn nun genau gewesen sei. Es führte aus, dass selbst bei Annahme des Sachverhaltes, wie ihn die Zeuginnen des Arbeitgebers geschildert haben, zwar Handlungen und Bemerkungen vorliegen, die als sexuelle Belästigung im Sinne des AGG zu werten sind. Trotz dieser schwerwiegenden Pflichtverletzung sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitgeber aber zuzumuten. Die fristlose Kündigung sei ein unverhältnismäßiges Mittel, der Arbeitgeber hätte hier nur abmahnen dürfen.

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Eine Abmahnung war in diesem konkreten Einzelfall auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Weder handelte es sich nach Auffassung der Richter um eine besonders schwere Pflichtverletzung (wie etwa bei Berührung primärer Geschlechtsteile oder fortgesetzter sexueller Belästigung) noch sei anzunehmen gewesen, dass es keine Verhaltensänderung bei Abmahnung geben könnte. Ein noch behauptetes Aufstehen des Mannes, um eine der Frauen an die Schulter zu fassen, konnte mit dieser Motivation nicht bewiesen werden. Ähnliche Verfehlungen waren bei dem Mitarbeiter bislang noch nicht nachweisbar vorgekommen, es habe auch kein Machtmissbrauch vorgelegen. Das LAG sah auch keine Wiederholungsgefahr, ein Bestreiten reiche dafür nicht. Für den Kläger sprach auch im Rahmen der Gesamtabwägung, dass er bereits seit 29 Jahren beanstandungsfrei für den Arbeitgeber tätig war. Da müsse erst versucht werden, mit einer förmlichen Abmahnung eine Verhaltensänderung zu erreichen.

Rechtsanwältin Dr. Alexandra Henkel ist Fachanwältin für Arbeitsrecht, Wirtschaftsmediatorin und Business Coach.

Quelle: ntv.de

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