Frage aus dem Arbeitsrecht Muss der gesamte Urlaub am Jahresanfang beantragt werden?
30.10.2023, 13:27 Uhr Artikel anhören
Muss man in der Regel nicht: Den gesamten Jahresurlaub schon am Anfang des Jahres eintragen.
(Foto: Christin Klose/dpa-tmn)
Sie möchten im nächsten Jahr am liebsten spontan verreisen, doch Ihr Arbeitgeber will es schon bald ganz genau wissen: Wann soll Ihr Urlaub im kommenden Jahr sein? Wann Sie sich festlegen müssen.
So mancher Arbeitgeber möchte gerne schon jetzt in Erfahrung bringen, an welchen Tagen und Wochen seine Arbeitnehmer zwecks Urlaub dem Unternehmen fernzubleiben gedenken. Was angesichts der Personalplanung auch nachzuvollziehen ist. Genauso wie die entgegensetzte Perspektive des Arbeitnehmers.
Eines vorneweg: Arbeitnehmer müssen ihren Urlaub immer beantragen und Arbeitgeber ihn gewähren. Unzutreffend ist daher die Formulierung "Urlaub nehmen". Macht der Arbeitnehmer frei, obwohl dies vom Arbeitgeber nicht gewährt wurde, und bleibt er der Arbeit damit unentschuldigt fern, kann das ein Grund für eine fristlose Kündigung sein.
Wie auch immer, unabhängig davon stellt sich die Frage: Muss der gesamte Urlaub am Jahresanfang beantragt werden? Die gute Nachricht für alle, die nicht gerne lange vorausplanen: in der Regel nicht. Die schlechte Nachricht für Spontan-Urlauber: Dass Arbeitnehmer ihre Urlaubswünsche frühzeitig einplanen, kann der Arbeitgeber durchaus verlangen. "Diese Pflicht kann aber nicht den gesamten Jahresurlaub erfassen", erklärt der Fachanwalt für Arbeitsrecht Jürgen Markowski. Beschäftigte müssten noch eine gewisse Anzahl an Urlaubstagen für unvorhergesehene Fälle zurückhalten können. "Wie viel das sein darf, hängt von den Umständen und den betrieblichen Anforderungen ab."
Ausnahmen sind aber denkbar
Orientieren könne man sich dem Fachanwalt zufolge aber an der Rechtsprechung zu Betriebsferien: Einer Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts zufolge (Az.: 1 ABR 79/79) ist es etwa angemessen, wenn drei Fünftel des Urlaubsanspruchs von Betriebsferien vereinnahmt werden, die Beschäftigten also 60 Prozent ihres Jahresurlaubs zu einem vom Arbeitgeber festgelegten Zeitpunkt nehmen müssen.
Ausnahmen davon seien aber denkbar, so Markowski. Stünden beispielsweise bei Bauunternehmen besonders viele Aufträge an, könnten auch mehr als 60 Prozent des Jahresurlaubs zu Beginn des Jahres verplant werden müssen. "In Betrieben, in denen es wichtig ist, dass der Jahresurlaub frühzeitig verplant wird, kann mit Zustimmung des Betriebsrats auch gefordert werden, dass der gesamte Jahresurlaub verplant wird", sagt Markowski.
Generell gilt: Die Wünsche des Arbeitnehmers müssen berücksichtigt werden, es sei denn, es gibt dringende betriebliche Gründe, die gewünschten Urlaubstage nicht zu genehmigen. Wenn zum Beispiel sämtliche Kollegen die letzten zwei Dezemberwochen freihaben möchten und der Betrieb so nicht aufrechterhalten werden könnte, darf der Arbeitgeber auch Urlaub verweigern. In anderen Firmen gibt es im Sommer Betriebsferien – da müssen dann alle Mitarbeiter Urlaub nehmen. Solche individuellen Regelungen sind ebenfalls in den Arbeitsverträgen zu finden.
Regelungen zum Resturlaub beachten
Wer aber trotz Aufforderung des Arbeitgebers seinen Jahresurlaub nicht verplant, muss damit rechnen, dass dieser zum Jahresende oder zum 31. März des Folgejahres verfällt. Zwar ist das nach den jüngsten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts nicht mehr automatisch der Fall.
Jedoch kann der Urlaub verfallen, wenn der Arbeitgeber seine Mitarbeiter zuvor ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass sie ihre offenen Urlaubstage bis zum Jahresende nehmen sollen, und dass anderenfalls nicht genommener Urlaub ersatzlos verfällt.
Nach dem Gesetz muss der Urlaub im laufenden Kalenderjahr genommen werden. Die Übertragung von nicht genommenen Urlaubstagen stellt eine Ausnahme dar und muss beim Arbeitgeber beantragt werden. Hierfür kommen entweder betriebliche (zum Beispiel eine hohe Arbeitsbelastung) oder persönliche Gründe (etwa Krankheit des Arbeitnehmers oder eines Familienmitgliedes) infrage. Wer den verbliebenen Resturlaub mit ins neue Jahr retten möchte, muss dies unbedingt noch im laufenden Jahr beim Arbeitgeber anmelden. Ansonsten verfällt dieser zum 31. Dezember.
Stimmt der Arbeitgeber dem Übertrag zu, müssen die Urlaubstage bis zum 31. März des Folgejahres genommen werden. Es sei denn, im Einzel- oder Tarifvertrag ist dies anders geregelt. Eine Auszahlung des Resturlaubs ist gesetzlich nicht vorgesehen. Einzige Ausnahme: Der Arbeitnehmer scheidet aus dem Beschäftigungsverhältnis aus. Dann wird der Anspruch mit dem Ausscheiden des Mitarbeiters fällig.
Soweit sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber einig sind über die Handhabung des Resturlaubs, sind sowohl bei einer längeren "Haltbarkeit" des übertragenden Urlaubs als auch bei der Auszahlung, ungeachtet der gesetzlichen Regelungen, individuelle Vereinbarungen möglich – und in der Praxis weitverbreitet.
Quelle: ntv.de, awi/dpa