Nach tödlichem Unfall Was dürfen Diplomaten?
16.06.2017, 16:16 Uhr
Auch ein Kennzeichen des "corps diplomatique" ist kein Freifahrtsschein.
(Foto: imago/Steinach)
Ein Diplomat ist ein Gentleman, der zweimal überlegt, bevor er nichts sagt. Aber auch als Diplomat scheint manches Fehlverhalten möglich zu sein. Doch was hat es mit der Immunität auf sich?
Ein tragischer Verkehrsunfall sorgt derzeit für Schlagzeilen. Ein saudischer Diplomat hatte in Berlin mit seinem SUV im absoluten Halteverbot kurz vor einer Ampel angehalten und dann plötzlich die Tür geöffnet. Ein Radfahrer prallte gegen die Tür und starb wenig später an seinen schweren Kopfverletzungen.
Unabhängig von einer abschließenden Bewertung des Unglücks stellt sich die Frage, ob Diplomaten bei einem Fehlverhalten immer straffrei ausgehen und wer für einen entstandenen Schaden aufkommt. Und was sind überhaupt Diplomaten?
Von hinten angefangen: Ein Diplomat ist ein Regierungsbeauftragter, der seinen Staat auf Regierungsebene gegenüber ausländischen Staaten oder internationalen Organisationen völkerrechtlich vertritt. Aktuell sind rund 2000 Diplomaten (ohne Familienangehörige) von ausländischen Missionen beim Auswärtigen Amt in Deutschland angemeldet. In dieser Funktion genießen sie Immunität. Diese soll die Beziehungen zum Entsendestaat sichern und Amts- und Mandatsträger vor Willkür staatlicher Exekutive schützen. Grundlage hierfür ist das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen. So verhindert Immunität eine strafrechtliche und zivilrechtliche Verfolgung von Straftaten. Meistens zumindest.
Denn theoretisch entbindet die Immunität nicht von der Pflicht, sich an die Rechtsnorm des Empfangsstaats zu halten. Das Auswärtige Amt weist die Botschaften auf die Pflicht zur Beachtung inländischer Gesetze hin. Nur sind die Sanktionsmöglichkeiten beschränkt. Im Bereich der strafrechtlichen Ermittlungen - Trunkenheitsfahrten, Unfallflucht, Körperverletzung et cetera - geht das Auswärtige Amt Einzelfällen nach und schöpft je nach Schwere des Falles die zur Verfügung stehenden Mittel des Gesandtschaftsrechts wie Antrag auf Aufhebung der Immunität, Aufforderung zur Abberufung bis hin zur einseitigen "Persona-non-grata-Erklärung" aus. Was im Zweifelsfall aber eher selten vorkommt, denn die Pflege der zwischenstaatlichen Beziehungen hat Vorrang und wird vor allem bei kleineren Vergehen kaum gefährdet.
Zum Leidwesen der Berliner Polizei. Denn die Verkehrsverstöße von Diplomaten nehmen seit Jahren zu. Allein 2016 waren es insgesamt 22.816 Verkehrsdelikte. Meist handelte es sich um Falschparken oder Geschwindigkeitsübertretungen - aber auch Promillefahrten zählten zu den Vergehen. Laut Berechnungen der Berliner Senatsverwaltung sind dem Land Berlin dadurch Bußgelder in Höhe von 403.275 Euro entgangen. Unrühmliche Spitzenreiter beim Fehlverhalten im Straßenverkehr sind dabei die Chinesen, gefolgt von Russen, Saudi-Arabern, Ägyptern, US-Amerikanern, Griechen, Sudanesen, Philippinen, Vietnamesen und Iranern.
Aber dass es nicht nur Vertreter anderer Nationen im Ausland krachen lassen, zeigt der Fall eines deutschen Lehrers, der in Moskau mit 50 km/h zu schnell unterwegs war und dabei zwei Studenten auf dem Gehweg erfasste. Beide starben noch am Unfallort. Da der Täter aber an einer deutschen Schule lehrte, genoss er diplomatische Immunität. Er konnte umgehend ausreisen und wurde in Deutschland zu einem Jahr auf Bewährung und 5000 Euro Strafe verurteilt. Inwieweit die Bundesrepublik Deutschland für - den nicht zu ersetzenden - Schaden aufgekommen ist, ist nicht bekannt.
Womit wir beim nächsten Thema sind. Hierzulande ist auch für Diplomatenfahrzeuge ein ausreichender Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsschutz gesetzlich vorgeschrieben. Es gibt somit keine Vorzugsbehandlungen im Vergleich zu Fahrzeugen mit gewöhnlichen Kennzeichen. Was bedeutet, dass sich der Versicherer bei grobem Fehlverhalten die Schadenssumme vom Unfallverursacher zurückholen kann. Hier kommt dann allerdings wieder die Immunität des Diplomaten zum tragen. Im Zweifelfall kann dann nur auf die Kulanz des Herkunftslandes des Schadensverusachers gehofft werden.
Quelle: ntv.de