Turkish-Airline-Gäste ohne Infos Airline lässt Reisende in Putschnacht allein
18.07.2016, 16:14 Uhr
Auf dem Flughafen Istanbul Atatürk versuchen etliche Menschen am Samstag ihre Flüge umzubuchen.
(Foto: Privat/Jessica Schmidt)
Turkish Airlines fliegt Freitagnacht von Frankfurt nach Istanbul - während des Putsch-Versuches. Eine Reisende berichtet n-tv.de, wie schlecht sich die angeblich "beste Airline Europas" um die Passagiere kümmert. Hilfe? Informationen über die Sicherheitslage? Nichts davon.
Jessica Schmidt wollte mit vielen anderen Passagieren am Freitagabend vom Frankfurter Flughafen nach Istanbul fliegen. Wie stark die politische Lage in der Türkei zu diesem Zeitpunkt eskaliert, ist da noch nicht abzusehen.
Sie sitzt gerade im Flugzeug auf dem Rollfeld, als ihre Freundinnen SMS schicken und sie informieren, dass es in Istanbul Unruhen gibt. Die Maschine von Turkish Airlines hebt dennoch planmäßig ab - es gibt keinerlei Durchsagen, dass am Zielort Istanbul eine heikle politische Lage auf sie warten könnte. Vielleicht will die Crew den Fluggästen keine Angst machen, doch darüber lässt sich nur spekulieren. Die Reisenden im Flugzeug können sich zu diesem Zeitpunkt nur gegenseitig informieren.
Keine Information zur aktuellen Situation
Der Zielflughafen Atatürk wird zeitweise von den Putschisten besetzt. Die Maschine muss woanders hinfliegen - doch über diese Entscheidungen werden die Passagiere nicht informiert. "Wir haben keine Information erhalten, dass wir nicht in Istanbul landen - wird sind einfach in Bursa gelandet", berichte die Frankfurterin. Erst als sie in Bursa, etwa zweieinhalb Autostunden von Istanbul entfernt, landen, merken die Passagiere, dass sie woanders sind. In Bursa gibt es nur auf Türkisch eine Durchsage, dass Busse sie weiterbringen sollen. Etwa nach Istanbul?

Passagiere von Turkish Airline sind in der Putschnacht nahezu auf sich allein gestellt.
(Foto: imago/Horst Galuschka)
Es ist 2.30 Uhr Ortszeit, es dauert eine Weile, bis die Busse losfahren. Vor Ort steht nach Aussage von Jessica Schmidt niemand von Turkish Airlines zur Verfügung. Kein einziger Mitarbeiter kümmert sich um die vielleicht 150 gestrandeten Passagiere, die auf Busse aufgeteilt werden. Doch auch in den Bussen gibt es keine Ansage. Die einzigen Menschen vor Ort sind Flughafen-Mitarbeiter, die keine Informationen haben und kein Englisch sprechen. Die Passagiere sind allein gelassen. Schmidt hat grundsätzlich Verständnis für die besonderen Umstände, ist aber dennoch verärgert: "Dass wir nicht in Istanbul landen konnten, das verstehe ich, aber wie wir vor Ort behandelt wurden, dass wir von Turkish Airlines einfach zurückgelassen wurden, das war nicht richtig. Es war eine Notsituation und ich finde, dass wenigstens eine Person dabei sein muss." Um 4.30 Uhr morgens fahren die Busse los.
Gestrandet an einem Busbahnhof
Istanbul kann immer noch nicht angesteuert werden, deshalb lassen die Fahrer die Flugreisenden auf dem Busbahnhof Gebze Terminali raus. Viele Menschen wissen nicht, wo sie sind und wie sie überhaupt nach Istanbul kommen sollen. Die Flugreisenden werden von der Airline im Unklaren gelassen und sie wissen nur das über die Putschnacht, was sie sich gegenseitig erzählen können. Wer kein Türkisch spricht, hat dabei besonders Probleme. Wie soll es für sie weitergehen? Ab Gebze ist jeder auf sich alleine gestellt.
Die 21-jährige Frankfurterin Schmidt schlägt sich von dort aus mit einem normalen Dolmus-Bus bis zum Flughafen Atatürk durch - irgendwie und mithilfe von Türken, die ihr mit Rat zur Seite stehen.
Deutsches Generalkonsulat hilft
Sie will nur noch weg und zurück nach Deutschland, ihre Eltern haben sie tagsüber viele Male angerufen, haben sich Sorgen gemacht. Am Flughafen Atatürk stehen Mitarbeiter des Deutschen Generalkonsulates bereit - es sind die ersten offiziellen Personen, die Jessica Schmidt in dieser undurchsichtigen Sicherheitslage überhaupt informieren und helfen. Nach drei Stunden schlangestehen am Schalter von Turkish Airlines kann sie ihren Flug umbuchen und fliegt Samstag zurück nach Frankfurt.
Am Kundenservice-Telefon erhält sie von der Fluggesellschaft keinerlei Entschuldigung. Sie müsse sich online registrieren, wenn sie eine Entschädigung fordere. Die Frankfurterin ist mächtig verärgert: "Bisher habe ich immer nur gute Erfahrungen gemacht, aber nun werde ich nie mehr mit dieser Fluggesellschaft in die Türkei fliegen."
Trotz der außerordentlichen politischen Lage hätte sich Jessica Schmidt wenigstens eine Betreuung gewünscht: "Entweder hätte ich mir erhofft, dass sie uns kurzfristig ein Hotel in Bursa organisieren oder dass wenigstens jemand von der Fluggesellschaft bei uns geblieben wäre, um uns über die Lage zu informieren und uns zu helfen, wie man ans Ziel der Reise kommt."
Erst vor wenigen Tagen ist Turkish Airlines zur "besten Fluggesellschaft in Europa" gewählt worden. Der oben geschilderte Vorfall passt weniger gut zu diesem Award.
Nachtrag der Redaktion (Dienstag, 19.07): Vertreter von Turkish Airlines haben sich inzwischen zum Fall geäußert. "Diesen Vorfall haben wir mit großem Bedauern zur Kenntnis genommen. Es ist der Anspruch von Turkish Airlines, unter allen Umständen für reibungslose Abläufe zu sorgen. Wir möchten uns dafür entschuldigen, dass es in dieser Ausnahmesituation dennoch zu Unregelmäßigkeiten kam. Wir sind darüber informiert, dass sich in dieser Nacht viele Mitarbeiter von Turkish Airlines spontan zur Unterstützung gemeldet haben. Wir bedauern sehr, wenn es dennoch mit der Koordination vor Ort nicht ganz einwandfrei geklappt hat", so Yusuf Ekiz, Leiter der Unternehmenskommunikation Turkish Airlines in Deutschland.
Quelle: ntv.de