Das Ende einer Dauerbaustelle Autobahn Berlin - Prag nach 25 Jahren fertig
17.12.2016, 07:13 Uhr
Ab Samstag gibt es freie Fahrt nach Prag. Das letzte Teilstück der Autobahn wurde nach 25 Jahren ferig gestellt.
(Foto: picture alliance / Egbert Kampra)
Mehr als ein Vierteljahrhundert hat es gedauert, bis das letzte Teilstück der Autobahn Dresden-Prag eröffnet werden kann. Im Böhmischen Mittelgebirge geht es ab Samstag durch zwei Tunnel und über fünf Brücken. Doch bereits jetzt wir der Erfolg infrage gestellt.

Von der neuen Reisefreiheit versprechen sich vor allem Dresden und Prag einiges.
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Es ist zwar nicht das Gotthard-Massiv, aber der Bau der durchgängigen Autobahn von Berlin über Dresden nach Prag durch das Böhmische Mittelgebirge hatte es trotzdem in sich. Vor drei Jahren hätte ein Erdrutsch beinahe alles zunichtegemacht. Am Samstag wird nun mit viel Prominenz das letzte noch fehlende Teilstück in Tschechien eröffnet - rechtzeitig vor den Festtagen. "In diesem Jahr werden viele tschechische Autofahrer den Striezelmarkt in Dresden besuchen", verspricht Jan Studecky, der Sprecher der Autobahndirektion RSD mit Sitz in Prag.
In umgekehrter Fahrtrichtung locken die Weihnachtsmärkte Sachsen und Berliner mit Prager Schinken oder leckeren Zimtrollen. Für Freude soll nicht nur die Zeitersparnis zwischen Lovosice und Rehlovice in Nordböhmen sorgen, die je nach Verkehrslage auf 15 bis 20 Minuten geschätzt wird. Vor allem entfällt die mühselige Umfahrung über die Ortschaften, die nicht selten im Stau endete. Darauf mussten die Autofahrer lange warten: Seit dem ersten Spatenstich sind mehr als 25 Jahre vergangen. Die ersten Planungen für eine Autobahn zwischen Elbflorenz und Moldaumetropole gehen sogar auf das Jahr 1968 zurück.
Erinnerungen an Berliner Flughafen

Die Komplikationen beim Bau wurden in den letzten Jahren gerne mit dem Berliner Flughafen verglichen.
(Foto: picture alliance / Egbert Kampra)
Manch einer fühlte sich beim Anblick der Dauerbaustelle schon an den Berliner Flughafen erinnert. Wie ein Flickenteppich wurden über die Jahre immer wieder einzelne Teilstrecken eröffnet. Im Sommer 2013 schien die Fertigstellung der letzten Kilometer in weite Ferne zu rücken, als ein Erdrutsch auf einem halben Kilometer die fertige Fahrbahn unter sich begrub.
Zuvor hatte es ungewöhnlich stark geregnet. Geschätzt eine halbe Million Tonnen Erdreich mussten abgetragen und der Hang mit Stahlseilen stabilisiert werden. Nun fragen sich viele, ob sich ein solches Unglück im laufenden Betrieb wiederholen könnte. Nein, sagt Autobahnsprecher Studecky: "Wenn der Abschnitt nicht sicher wäre, würden wir ihn nicht für die Öffentlichkeit freigeben." Skeptischer äußert sich der Geologe Vladimir Cajz von der Akademie der Wissenschaften in Prag. "Wenn ich in der Verantwortung wäre, hätte ich im Leben nicht erlaubt, die Autobahn in diesem Bereich zu bauen", sagte er dem Sender CT. Er hält den vulkanischen Untergrund für instabil.
12 Kilometer, zwei Tunnel und fünf Brücken
Der letzte Streckenabschnitt führt auf zwölf Kilometern durch zwei Tunnel und über fünf Brücken mitten durch das Böhmische Mittelgebirge. Die Kosten dafür stiegen deutlich auf rund eine halbe Milliarde Euro. Umweltschützer hatten erfolglos gegen die Trasse durch ein Landschaftsschutzgebiet geklagt. "Die Baustelle an diesem schwierigen Ort habe ich von meinen Vorgängern geerbt", sagte der tschechische Verkehrsminister Dan Tok der Deutschen Presse-Agentur. Sein Ziel sei es gewesen, die Arbeiten endlich zu Ende zu führen, ohne dabei die Sicherheit zu vernachlässigen. Er betont: "Die Autobahn D8 ist für die Tschechen das Tor nach Sachsen und Deutschland."
Wenn am Samstag offiziell das Band durchschnitten wird, gibt es Gulaschsuppe für alle. Davon sollen vor allem die Anwohner profitieren, die jahrelang unter dem Baustellenverkehr gelitten haben. Angemeldet hat sich viel politische Prominenz, darunter Tschechiens Präsident Milos Zeman, Sachsens Landeschef Stanislaw Tillich und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt.
Pkw-Maut bremst Euphorie
Ob Zeman tatsächlich mit dem Hubschrauber auf der Autobahn landet, wie er das vor einiger Zeit angekündigt hatte, wird sich zeigen. Der Handelsverband Sachsen hofft auf mehr Tagestouristen aus Tschechien, die zum "Shoppingerlebnis" nach Deutschland kommen. "Insbesondere Markenprodukte der Textil- und Lederwarenhändler, aber auch Elektronik und Kosmetik werden stark nachgefragt", sagte Geschäftsführer David Tobias.
Bereits heute sind viele Geschäfte in Dresden und Umgebung zweisprachig ausgeschildert. Für viele Tschechen könnte die Freude über die durchgängig befahrbare "dálnice" (Autobahn) ins Nachbarland indes von kurzer Dauer sein. Der Präsident des nationalen Autoklubs, Jan Stovicek, warnt vor negativen Auswirkungen der geplanten deutschen Pkw-Maut im Grenzgebiet. Er befürchtet: "Bei kürzeren Fahrten zum Beispiel nach Dresden zum Einkauf oder zur Kultur würden viele tschechische Autofahrer versuchen, auf kleinere Straßen auszuweichen."
Quelle: ntv.de, Michael Heitmann, dpa