Reise

Die Wiege des Pilsners Wo das Bier neu geboren wurde

Auch auf den Pilsener Häuserfassaden wird die Botschaft klar: Hier wird Bier getrunken.

Auch auf den Pilsener Häuserfassaden wird die Botschaft klar: Hier wird Bier getrunken.

(Foto: imago/IPON)

Vor 174 Jahren erfand ein deutscher Braumeister in Böhmen ein Bier, das einen Siegeszug um die Welt antrat. Die Stadt gab ihm seinen Namen: Pilsen. Eine Reise zur Quelle des Pilsners lohnt sich aber nicht nur für Bierliebhaber.

Es schmeckte scheußlich, wirklich scheußlich. So scheußlich, dass man schon mal eine Revolution anzetteln kann. Aufstände entstehen ja meist aus ganz grundlegenden Motiven, so wie 1789 in Frankreich, als die hungernden "Fischweiber" nach Versailles zogen und von ihrem König Brot verlangten. Was die Bürger einer kleinen böhmischen Stadt nicht weit von Prag im Februar 1838 auslösten, war keine politische Zeitenwende, aber eine Revolution für eins der beliebtesten Genussmittel der Welt: Bier.

In dieser Zeit besaßen über 200 Menschen die Lizenz zum Brauen, nur wenige beherrschten ihr Handwerk wirklich gut, die Qualität des Bieres schwankte stark. Als einige Fässer mit einem völlig ungenießbaren Gesöff auftauchten, kippten empörte Bürger sie kurzerhand vor dem Rathaus aus - und machten der Panscherei ein Ende: Statt vieler kleiner Brauereien sollte künftig eine völlig neue Großbrauerei das Bier liefern. Schon 1842 präsentierte dieses Bürgerliche Brauhaus eine völlig neue Art des Bieres, nach ihrem Entstehungsort "Pilsener" genannt. Von Böhmen aus trat es seinen Siegeszug an, heute ist jedes zweite in Deutschland getrunkene Bier ein "Pils", also nach Pilsener Art gebraut. Jedes Jahr feiert die Stadt die Erfindung des Pilsners mit einem großen Fest am Brauereigelände. Am 1. Oktober 2016 verwandelt sich Pilsen dann in eine riesige Biermeile - ein guter Grund, die Stadt zu besuchen. Zu entdecken gibt es aber noch viel mehr.

Geburtsort von Skoda

Blick auf die Alstadt von Pilsen: 2015 war der tschechische Ort Europäische Kulturhauptstadt.

Blick auf die Alstadt von Pilsen: 2015 war der tschechische Ort Europäische Kulturhauptstadt.

(Foto: imago/Westend61)

König Wenzel veranlasste die Gründung von Pilsen 1295 als Königsstadt. An der wichtigen Handelsroute von Regensburg nach Prag gelegen, entwickelte sich Pilsen schnell zu einem wichtigen Zentrum in der Region. Zeugnis davon gibt die malerische Altstadt, die von einem Grüngürtel umgeben ist, der zum Spazieren einlädt. Entlang des Weges finden sich Skulpturen, astronomische Uhren oder sogar Gemäldeausstellungen an der Stadtmauer. Die Stadt hat sich herausgeputzt, 2015 war sie Europäische Kulturhauptstadt, das hat Spuren hinterlassen.

Geht man schließlich in die Altstadt hinein, führen die Wege zum überdimensionalen Platz der Republik, einem der größten Plätze in ganz Europa. Auf ihm steht die St.Bartholomäus-Kathedrale, vom 103 Meter hohen Kirchturm bietet sich ein idealer Überblick über die Stadt, die mit rund 170.000 Einwohnern die viertgrößte Tschechiens ist. Ihre heutige Bedeutung verdankt sie vor allem der industriellen Entwicklung im 19. Jahrhundert: Hier wurde 1859 Skoda gegründet, und hier wurde 1842 das Bier neu erfunden.

Die Brauerei lockt viele Bierfans an.

Die Brauerei lockt viele Bierfans an.

(Foto: picture alliance / dpa)

Auf dem Gelände der Skoda-Werke können Technik-Interessierte das "Techmania Science Center" besuchen und sich historische Busse und Lokomotiven anschauen. Wer sich lieber mit der Geschichte des Biers beschäftigen will, findet in der Innenstadt das Brauereimuseum in einer ehemaligen Brauerei, in der noch alle Bauteile erhalten sind: die Mälzerei, der Keller zur Lagerung und die Schank.

Der Weg aus dem Museum zum nächsten Bier ist nicht weit, was genau genommen für jeden Punkt von Pilsen gilt. An praktisch jedem Restaurant hängt das Schild mit dem Wappen von Pilsner Urquell, das dort zum typischen Lendenbraten mit Knödel und anderen böhmischen Spezialitäten gereicht wird. 144 Liter Bier im Jahr trinken die Tschechen im Durchschnitt pro Kopf, noch vor den Deutschen (107) und den Österreichern (104) der weltweite Spitzenwert. Selbst wer normalerweise kein Bier trinkt, sollte hier in Pilsen eine Ausnahme machen, getreu dem Motto "When in Rome, do as the Romans do."

Neue Technik, altes Rezept

Ein frisch gezapftes Pils ist quasi der Botschafter der Stadt.

Ein frisch gezapftes Pils ist quasi der Botschafter der Stadt.

(Foto: imago stock&people)

Wer ohnehin wegen des Biers in die Stadt gekommen ist, wird die Brauerei nicht auslassen. Das Gelände liegt nur rund zehn Minuten zu Fuß von der Innenstadt entfernt. Am Eingang schreiten die Besucher durch das Jubiläumstor, das auf dem Siegel auf den Etiketten abgedruckt ist. Nur hier in Pilsen wird das Urquell gebraut, seit 1842. Auf die Tradition sind sie besonders stolz, das ist es, was sie den Besuchergruppen auf den Führungen besonders nahe bringen wollen.

Das Rezept hat sich seit 1842 im Wesentlichen nicht verändert: In das Bier kommt das sehr weiche Pilsner Wasser, der weltberühmte Saazer Hopfen, mährische Gerste und Hefe. Der bayrische Braumeister Josef Groll entwickelte aus diesen Zutaten ein viel helleres Bier als die damals üblichen dunklen, schweren Biere. Er nutzte das untergärige Verfahren, bei dem der Gärprozess bei 4 bis 9 Grad stattfindet. Die Gärbottiche standen in dem riesigen Kellersystem, das man besichtigen kann. Auf 32.000 Quadratmetern gor und reifte das Bier in Eichenholzfässern. Die Gänge haben eine Gesamtlänge von neun Kilometern, 12 bis 32 Meter unter die Erde wurden sie gebaut. Wer sie besucht, sollte an warme Kleidung denken - und sich nicht verlaufen. Früher war es hier aber noch kälter, als ungeheure Mengen an Natureis, die im Winter geerntet wurden, das Bier kühl hielten. Heute erledigen das technische Kühlsysteme in der hochmodernen Anlage, doch noch heute finden sich einige Gärbottiche im Keller. Auf diese Art können die Braumeister abgleichen, ob das industriell hergestellte Bier so schmeckt wie das auf traditionelle Art hergestellte. Angeblich, zumindest berichten das die stolzen Guides, weisen beide die exakt gleichen Laborwerte auf - und schmecken gleich.

Für den weltweiten Betrieb wird das Bier gefiltert und pasteurisiert. Einige Fässer jedoch werden unbehandelt an die lokalen Kneipen geliefert - etwa in das Na Parkánu in der Innenstadt, wo es das ungefilterte Bier für günstige zwei Euro für den halben Liter gibt. Wer danach noch immer etwas über Bier lernen möchte, sollte beim Gang durch die Innenstadt die Augen offen halten: In einigen Bars darf man das Bier sogar selber zapfen, unter Anleitung natürlich. Denn beim Zapfen kann so einiges schief laufen, und das mögen sie hier in Pilsen überhaupt nicht. Nicht, dass das Bier noch einmal so schlecht schmeckt wie 1842.

Am 1. Oktober 2016 feiert die Stadt das Pilsner Fest. Die Brauerei ist ganzjährig geöffnet, Führungen gibt es auch auf Deutsch.

*Die Recherche zu diesem Text wurde von der Brauerei unterstützt.

Quelle: ntv.de

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