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Das hipste der drei großen "B" Berlin ist das, was der FC Bayern gerne wäre

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Coach Aito formte bei Alba nach zwölf Jahren Wartezeit wieder eine Meister-Mannschaft.

(Foto: imago images/BBL-Foto)

FC Bayern, Bamberg, Berlin. In diesem Dreiklang ist die Hauptstadt jahrelang Schlusslicht. In diesem Sommer aber ändert sich das Machtverhältnis im deutschen Basketball. Ein Serienmeister verabschiedet sich und Alba verstärkt sich in München. Woran liegt das?

Dritte Wahl, mehr war Berlin über viele Jahre nicht. Zwar zieht die Hauptstadt mit ihren vielfältigen Subkulturen und der Chance, hinter jeder Straßenecke in einen neuen und aufregenden Kiez einzutauchen, alljährlich Tausende Menschen aus aller Welt an. Um die vielleicht einzige deutsche Weltstadt zu erkunden, um hier zu studieren, zu arbeiten oder auch, um einfach nur so zu leben, wie es sich gerade richtig anfühlt. Für viele ist Berlin dabei aber nicht das Ziel, sondern eine Zwischenstation. Eine Zeit lang bleiben, sich entwickeln, weiterziehen. So war es auch im Basketball.

Wer auf möglichst hohem Niveau spielen wollte, für den waren Berlin und der Wechsel zu Alba zwar ein wichtiger, aber doch nicht der entscheidende Schritt. Wer mehr erreichen wollte als das Playoff-Halbfinale, der ging stattdessen nach Bamberg, das von 2010 bis 2017 sieben von acht Liga-Titeln gewann. Oder zum FC Bayern, der 2011 mit aller (finanzieller) Macht in die Bundesliga drängte, noch als Zweitligist den damaligen Bundestrainer Dirk Bauermann verpflichtete und im abgelaufenen Jahrzehnt die drei Meisterschaften gewann, die Bamberg übrig ließ.

Für Alba Berlin und damit für den Klub, der 1995 als erstes deutsches Team einen Europacup gewann und rund um die Jahrtausendwende sieben Meisterschaften in Serie feierte, blieb bei all diesen Pokalübergaben nur die Zuschauerrolle. Zwar galten Bayern, Bamberg und Berlin und als "Die drei großen B", die wichtigen Trophäen aber wanderten zuverlässig in den Süden der Republik. Doch nicht nur die: Das einstige BBL-Schwergewicht mutierte zum Ausbildungsverein, der seine Profis immer wieder an die Konkurrenz verlor. Vor allem an die aus München.

Maodo Lo kehrt den Trend um

2013 wechselten Nihad Djedovic und Heiko Schaffartzik von Berlin nach München, 2015 folgte Alex Renfroe, 2016 wählte der damalige Alba-Kapitän Alex King denselben Weg. Bryce Taylor und Reggie Redding kamen ein Jahr nach ihrem Abschied aus Berlin zum FC Bayern. Dass bei den Münchnern mit Marko Pesic - erst als Sportdirektor, dann als Geschäftsführer - ein Ex-Albatross diese Transfers mit vorantrieb, befeuerte die Rivalität zwischen den beiden Großstadt-Klubs umso mehr. Zeitweise wirkte es so, als scoutete der FC Bayern am liebsten in Berlin.

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Ab sofort spielen Maodo Lo und Peyton Siva nicht mehr gegeneinander, sondern miteinander.

(Foto: imago images/Independent Photo Agency)

Nun aber wählt mit Maodo Lo erstmals ein Top-Basketballer den umgekehrten Weg. Der deutsche Nationalspieler verlässt den FC Bayern, wechselt zu Alba. Ihn zieht es zurück in seine Heimatstadt. Zurück nach Berlin. Nicht, um seine Karriere ausklingen zu lassen, dafür ist der Ballhandler mit seinen 27 Jahren noch viel zu jung. Und als Spätstarter, der sich erst mit Anfang 20 als Point Guard der in New York ansässigen Columbia University in das Blickfeld deutscher Profiklubs spielte und 2016 seinen ersten Vertrag unterschrieb, scheint er seine besten Jahre noch vor sich zu haben.

In Berlin erwartet ihn eine Mannschaft, die nach der erfolgreichsten Saison der jüngeren Vereinsgeschichte versucht, trotz eines unvermeidbaren Umbruchs eine gewisse Kontinuität zu wahren. Leistungsträger wie Landry Nnoko (Roter Stern Belgrad), Rokas Giedraitis (Baskonia Vitoria-Gasteiz) und Martin Hermannsson (Valencia BC) erhielten als Leistungsträger des überlegenen deutschen Meisters und Pokalsiegers sportlich, aber sicher auch finanziell attraktive Angebote von Euroleague-Teams aus dem Ausland.

Der wichtigste Neuzugang spielt gar nicht

Doch diese Abgänge sind ambivalent zu betrachten. Einerseits schwächen sie natürlich den Kader der Berliner, kein Team gibt freiwillig drei seiner fünf besten Scorer ab. Andererseits sind ihre Wechsel zu europäischen Top-Klubs eine Auszeichnung für Albas Entwicklung. Für den Wandel, den Alba mit der Verpflichtung von Sportdirektor Himar Ojeda im Februar 2016 eingeleitet hat. Der Spanier leitete zuvor die internationale Scouting-Abteilung der Atlanta Hawks in der NBA. Ojedas wichtigste Verpflichtung war aber kein Spieler, sondern ein Trainer-Altmeister.

Mit Alejandro Garcia Reneses, kurz Aito genannt, gewannen die Berliner im Sommer 2017 einen der renommiertesten Trainer Europas für ihr Projekt. Aito gewann mit dem FC Barcelona neunmal die spanische Liga, mit der spanischen Nationalmannschaft brachte er im Finale der olympischen Spiele 2008 das hochfavorisierte US-Team, das bis dahin jedes Spiel mit mindestens 20 Punkten Unterschied gewonnen hatte, an den Rand der Niederlage.

Für zwei Jahre unterschrieb der erfahrene Coach, der im Dezember seinen 74. Geburtstag feiert, in der deutschen Hauptstadt und verlängerte im vergangenen August für eine weitere Saison. Aito machte aus Alba eine Mannschaft, die zwar ein Finale nach dem anderen erreichte - zweimal in der BBL, zweimal im Pokal, einmal Eurocup -, aber keines davon gewinnen konnte. Erst der sechste Anlauf, das Pokalfinale im Februar dieses Jahr in eigener Halle, brach den Bann.

Mit dem Gewinn der Meisterschaft im Juni endete Aitos Vertrag bei Alba und noch ist offen, ob der Spanier, der nach mehr als 40 Jahren als Coach eine beeindruckende Gelassenheit nach außen trägt, weitermacht. Spanischen Medienberichten zufolge deutet aber vieles aber auf eine Verlängerung hin und auch Sportdirektor Ojeda zeigte sich der "Berliner Morgenpost" zufolge "optimistisch".

Der "Motor" bekennt sich

Die Aussicht, mit Aito zusammenzuarbeiten, ist einer der Gründe, warum sich mit Maodo Lo einer der besten deutschen Basketballer dafür entscheidet, den FC Bayern zugunsten Alba Berlins zu verlassen. Aito gibt seinen Spielern zwar eine klare Philosophie an die Hand, lässt ihnen aber auch viele Freiheiten. Er bestraft Fehler nicht mit Auswechslungen, sondern hält sie für notwendig, um daraus zu lernen. Mit Jonas Mattisseck und Tim Schneider haben unter ihm zwei - wie Lo in Berlin geborene - Spieler aus der eigenen Jugend den Sprung in die Rotation geschafft. Eine Seltenheit bei deutschen Top-Teams.

"Das ist ein Umfeld, das mich sehr reizt", sagte Lo der "Morgenpost" und erklärte: "Die Spielphilosophie von Trainer Aito Reneses ist in ganz Europa sehr angesehen. Sie wird international anerkannt, viele Spieler schätzen das." Zu diesem Umfeld gehören auch die US-Amerikaner Luke Sikma und Peyton Siva, die in Berlin ihre (sportliche) Heimat gefunden haben.

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Sikma ist einer der Schlüsselspieler im Alba-System.

(Foto: imago images/Bernd König)

Big Man Sikma kam zur selben Zeit wie Aito, gilt als einer der spielintelligentesten Profis der Bundesliga - und verlängerte schon vor der vergangenen Saison für vier weitere Jahre bis 2023. Ein solch langfristiger Vertrag ist eine absolute Ausnahme im europäischen Basketball, und er ist ein Bekenntnis zum Basketball-Standort Berlin. Ein solches legte auch Siva ab, als er kurz nach dem letzten Spiel "Bis zur nächsten Saison, Berlin" twitterte.

Spielmacher Siva ist der Motor des Alba-Spiels, die kommende Saison ist seine fünfte in der Hauptstadt. Sikma sagte über ihn: "Er ist der Funke, der alles in Gang bringt." Kaum ein Spieler beherrscht es in der Bundesliga so gut wie Siva, seine Gegenspieler mit Tempowechseln aus dem Gleichgewicht zu bringen und sich selbst damit Freiraum zu schaffen.

Das Ende der drei großen B

Und auch, wenn Lo neben sportlichen auch familiäre Überlegungen - er ist in der Hauptstadt geboren, hat dort Familie und Freunde und bezeichnete sich selbst als "Hardcore-Berliner" - für seine Entscheidung verantwortlich macht. Sein Wechsel zu den Albatrossen zeigt deren zurückgewonnene Stärke, ebenso wie der von Louis Olinde. Der 22-Jährige kommt aus Bamberg, gilt als einer der besten deutschen Jungprofis, als NBA-Talent. Auch ihn zieht es zum Meister, um unter Aito vor allem an seinem Offensivspiel zu feilen. Dass er einen Drei-Jahres-Vertrag unterschreibt, zeigt, wie viel er von Albas Kultur hält.

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Olinde kam für Bamberg in der vergangenen Saison auf 6,7 Punkte und 5,3 Rebounds pro Spiel.

(Foto: imago images/Eibner)

Das frische Selbstvertrauen der Berliner, die Anziehungskraft für Profis der Kategorie Sikma/Siva/Lo kommt zu einer Zeit, in der die Spitzenposition im deutschen Basketball so offen ist wie lange nicht. Bamberg hat sich spätestens in diesem Sommer aus dem Rennen der "großen B" verabschiedet.

Von der Dominanz zwischen 2015 und 2017, als die Franken drei Meistertitel in Folge holten und der Liga phasenweise zu entrücken schienen, ist nach einer massiven Kürzung des Etats und der Entlassung von Trainer, Sportdirektor und Geschäftsführer nichts mehr übrig. Statt Bayern und Berlin heißen Bambergs Konkurrenten nun Oldenburg, Ulm und Ludwigsburg.

Bayern rüstet auf

Ganz so dramatisch ist der Abschwung beim FC Bayern nicht, aber nach dem enttäuschenden Viertelfinal-Aus beim Finalturnier in eigener Halle stehen auch die Münchner vor einem Umbruch. Nicht nur Maodo Lo verlässt den Klub, mit Danilo Barthel geht auch der zentrale Spieler der vergangenen Jahre und Trainer Oliver Kostic, der im Januar für den entlassene Dejan Radonjic übernahm, verpasste es, den Negativtrend zu stoppen.

Das soll stattdessen Andrea Trinchieri gelingen, mit dem Italiener verpflichteten die Münchner den Trainer, der einst Bambergs Dominanz verantwortete. Außerdem stoßen in Ballhandler Wade Baldwin und Big Man Malcolm Thomas zwei US-Amerikaner mit NBA- und Euroleague-Erfahrung zum Kader, um die Abgänge von Lo, Barthel und Topscorer Greg Monroe aufzufangen.

Dennoch drängt sich Berlin vom einstmals Letztgenannten unter den "drei großen B" auf, nach Bamberg auch den FC Bayern zu überholen. Nicht nur für eine Saison wie die vergangene, in der Alba die Münchner in allen Wettbewerben hinter sich ließ. Das soll keine Besonderheit bleiben, sondern zur Regel werden. Weil die Hauptstadt nicht mehr nur der Ort ist, wo es die hinzieht, die den nächsten Schritt machen und sich auf größere Aufgaben vorbereiten, für mehr Verantwortung empfehlen wollen. Weil Berlin(er Basketball) wieder angesagt ist.

Quelle: ntv.de

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