"Schafft den Hurensohn vom Feld" Die perfide Trump-Show erfährt ihre große Krönung
09.02.2025, 18:07 Uhr
Donald Trump wird den Super Bowl besuchen.
(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)
Donald Trump bringt die Welt ins Wanken – und beim Super Bowl sind mehr Augen als jemals zuvor auf den Präsidenten gerichtet. Trump nutzt das eiskalt aus und krallt sich seinen Weg in die US-Kultur. Doch sein Verhältnis zur NFL ist nicht immer einfach.
Gaza, Elon Musk, Entwicklungshilfe: Innenpolitisch wie außenpolitisch sorgt Donald Trump dieser Tage mit rasantem Tempo für einschneidende Veränderungen. Der US-Präsident und sein mächtiger Unterhändler des Chaos, der von niemandem gewählte und niemandem Rechenschaft schuldende Musk, versuchen mehr Macht als je zuvor im Amt des Präsidenten zu bündeln; indem sie Bundesbehörden angreifen, Bürokraten ins Visier nehmen und vom Kongress bewilligte Ausgaben kürzen.
Außenpolitisch bringt Trump, wie im Wahlkampf versprochen, die Weltordnung ins Wanken. Er zieht die Vereinigten Staaten aus dem Pariser Klimaabkommen und der Weltgesundheitsorganisation zurück und legt die meisten US-Auslandshilfeprogramme auf Eis. China und Russland reiben sich die Hände. Die Pläne der Umsiedlung von Palästinensern aus dem Gazastreifen oder der gewaltsamen Eroberung Grönlands und des Panamakanals sorgen weltweit für Ärger.
Kurzum: Trump ist überall. Wuchtig, aggressiv und nonstop. Niemand kann dem Präsidenten und den Nachrichten über ihn und seine Handlungen entkommen. An diesem Sonntag wird er ein Football-Spiel für seine Strategie der Trump-Show nutzen, die seine Bürgerinnen und Bürger und die ganze Welt 24/7 beschallt.
Mehr Augen als jemals zuvor für Trump
Wenn der Republikaner als erster amtierender US-Präsident überhaupt den Super Bowl besucht, geht die große Trump-Show weiter. Kommt in den USA sogar zu ihrem ersten Höhepunkt. Denn Football ist hier der König. US-amerikanische Tradition und fest verankert in der Kultur. Familien und Freunde versammeln sich zu Watch-Partys, grillen den Tag über, zelebrieren das Sport-und-Show-Spektakel. Der Super Bowl ist jedes Jahr das TV-Event mit den höchsten Einschaltquoten in den Staaten. Im vergangenen Jahr wurde mit durchschnittlich 123,7 Millionen Menschen vor den US-Bildschirmen ein neuer Rekord aufgestellt. Der dieses Mal wahrscheinlich direkt wieder gebrochen wird. Außerdem wird das Spiel in beinahe 200 Länder übertragen.
Trump weiß das genau. Nichts liebt er wie Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit. Teils für sein Ego, teils für seine sektenartige Basis, um deren kultartige Verehrung abermals auf ein neues Level zu heben. Der Präsident ist genauso Performer wie Politiker. Da ist es nur konsequent, dass er dieses Sport-Spektakel aufsucht, bei dem es ebenso viel um Show geht wie um Football.
Und so gibt Trump natürlich auch ein Pregame-Interview. Das TV-Gespräch gehört zur Tradition des Super Bowl, Joe Biden hatte letztes Jahr allerdings abgelehnt. Am Freitag gibt der Präsident auf seiner Social-Media-Plattform Truth Social eine Vorschau auf sein Interview mit dem konservativen Sender Fox News (am Samstag in Mar-a-Lago aufgezeichnet). "Es gab seit vier Jahren keins mehr (Tja, ich frage mich, warum?)", schreibt Trump. Stimmt nicht: Biden nahm 2021 und 2022 an der Tradition vor dem Spiel teil, aber was interessiert das Trump.
In ersten veröffentlichten Interviewausschnitten kündigte Trump unter anderem an, dass Musk bei einer Überprüfung von Ministerien Betrug und Missbrauch in Milliardenhöhe aufdecken werde. "Wir werden Milliarden, Hunderte von Milliarden Dollar an Betrug und Missbrauch finden."
Es ist nicht klar, welche Aussagen Trump in dem Interview noch treffen wird oder welche Aktionen er im Stadion spontan aus dem Handgelenk schüttelt. Und damit hält er auch die mächtige NFL in Atem. Die reichste Sportliga der Welt und der nun erneut mächtigste Mann der Erde haben eine gemeinsame Geschichte. Es ist ein kompliziertes Verhältnis mit Aufs und Abs.
Trump und NFL zwischen Hass und Liebe
Trump liebt Football, weil er um die Macht des Sports weiß und weil er bei den Reichen und ihrem Lieblingsspielzeug dazugehören will. Er betrachtet viele NFL-Besitzer schon länger als Freunde, insbesondere Robert Kraft von den New England Patriots. Kraft ist aber nur einer von etlichen Team-Eigentümern, die Trump mit viel Geld unterstützen. Auch die Familie von Clark Hunt, dem Besitzer der Kansas City Chiefs, die in New Orleans um den dritten Super-Bowl-Sieg in Folge kämpfen, sympathisiert mit dem Republikaner.
All diese Besitzer stehen wie Trumps treue Hündchen in ihren Ehrenlogen, als die Liga 2016 und 2017 mit Protesten der Spieler an ihre Grenzen gebracht wird. Colin Kaepernick, Quarterback-Star der San Francisco 49ers, geht damals vor seinen NFL-Spielen während der Nationalhymne aufs Knie, um gegen Polizeigewalt gegen Schwarze und für vorurteilslose Fairness zu demonstrieren. Mehr und mehr Profis folgen.
Die mehrheitlich weißen Besitzer der NFL, der weiße NFL-Commissioner Roger Goodell und der damalige US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump echauffieren sich. Als respektlos gegenüber der US-Flagge und Soldaten, die für sie gestorben sind, wird seine Aktion gescholten, als Verrat am Vaterland. Trump macht Kaepernick zu einem Landesverräter und teilt aus - tief unter der Gürtellinie: "Schafft diesen Hurensohn vom Feld, sofort!"
Die hetzerischen Aussagen der Mächtigen sind besonders im Licht von Rassismus und Gewaltattacken gegenüber People of Color in den USA gefährlich. Viele NFL-Fans schließen sich zumindest verbal an. Kaepernick wird ausgebuht, außerhalb der Stadien werden Anti-Kaepernick-T-Shirts verkauft, unter anderem mit seinem Gesicht im Fadenkreuz eines Zielfernrohrs. Landesweit werden seine Trikots verbrannt. Im März 2017 verlässt Kaepernick schließlich sein Team trotz einer Vertragsoption. Zuschauer rufen ihm "U-S-A, U-S-A" zu, als würde er sein Land hassen. "Ich verstehe nicht, was daran unamerikanisch ist, wenn man für Freiheit und Gerechtigkeit für alle kämpft, für die Gleichheit, für die dieses Land steht", antwortet Kaepernick darauf.
Trump beim Super Bowl? "Große Ehre"
2020 dreht sich der Wind, als der Schwarze George Floyd von einem weißen Polizisten getötet wird. Die Liga und selbst einige Team-Besitzer entschuldigen sich für ihr Verhalten zuvor. Nur Trump, damals in seiner ersten Amtszeit, hält eisern dagegen. "Könnte es auch nur im Entferntesten möglich sein, dass Roger Goodell in seiner ziemlich interessanten Erklärung von Frieden und Versöhnung angedeutet hat, dass es jetzt okay für die Spieler ist, bei der Nationalhymne zu knien oder nicht zu stehen und dabei respektlos zu unserem Land und unserer Flagge zu sein?", bläst er auf Twitter weiter Gegenwind. Denn selbst Liga-Boss Goodell, gibt zu, "dass es falsch war, nicht schon früher auf die NFL-Spieler gehört zu haben". Er ermutigt alle, "sich zu äußern und friedlich zu protestieren". Nach Jahren einer rückgratlosen Beschwichtigungspolitik sagt sich die Liga schließlich von Trump und seiner Ausbeutung der US-Flagge und des Militärs los.
Doch nun verrutschen die Dinge erneut. Auch auf dem Platz gibt es Veränderungen. Die Proteste der NFL-Profis für soziale Gerechtigkeit sind verschwunden. Spieler, die Trump unterstützen, tauchen dafür aus der Versenkung auf und zeigen sich offen. Im vergangenen Oktober etwa zeigt sich Nick Bosa von den San Francisco 49ers mit einer Cap mit dem Trump-Slogan "Make American Great Again" und wird von der NFL anschließend mit einer Geldstrafe belegt. Am Mittwoch, bei einer Medienrunde in New Orleans, erklärt selbst Chiefs-Megastar Travis Kelce, bezüglich Trumps Besuchs beim Super Bowl: "Das ist großartig. Es ist eine große Ehre." Der 35-Jährige könnte sich damit den Ärger seiner Freundin eingeholt haben, Pop-Größe Taylor Swift, die eine Gegnerin des Republikaners ist.
Trump hofft beim großen NFL-Spektakel auf alle Kameras und ein Bad in der jubelnden Menge. Bekanntlich unterstützen den Präsidenten besonders junge Männer, die unter Football-Fans die größte Gruppe ausmachen. Wie Trump von den Fans empfangen wird, ist aber nicht klar. Auch Buhrufe scheinen nicht unmöglich. In Missouri, Heimat der Kansas City Chiefs, gewann Trump die Abstimmung bei der Präsidentschaftswahl 2024 mit etwa 60 Prozent der Stimmen. In Kansas City selbst kam er allerdings nur auf 20 Prozent. Dafür reichte es in Philadelphia, der Heimat der Eagles, nicht einmal, doch in deren Bundesstaat Pennsylvania besiegte er Kamala Harris dennoch knapp. New Orleans selbst ist eine Hochburg der Demokraten, Harris gewann hier mit über 80 Prozent, allerdings reichte es für sie in Louisiana nur für knapp 40 Prozent.
Trump verankert in US-Kultur
Wie auch immer sie aussieht, die große Trump-Show wird stattfinden. Und ihren bisherigen Höhepunkt erfahren. Beim Super Bowl, der erstmals seit 2020 - als die NFL anfing, in der Endzone Botschaften zu zeigen - auf den Slogan "End Racism" (Beendet Rassismus) verzichtet. Mit dem Besuch Trumps soll die Entscheidung laut der NFL aber nichts zu tun haben. Mit Spannung darf auch erwartet werden, wie Rap-Superstar Kendrick Lamar, ein bekannter Trump-Gegner, bei der Halbzeitshow agiert und ob er Giftpfeile - offenkundige wie symbolhafte - in Richtung des Präsidenten schicken wird.
Donald Trump wird den Glitzer des Spektakels für sich nutzen - und vielleicht sogar dabei die Welt erneut ein Stück mehr ins Wanken bringen. Der Super Bowl ist nicht nur das größte singuläre Sport-Spektakel der Welt, sondern US-amerikanische Kultur. Trump ist dort nun fest verankert. Er will sie genauso wie die Politik bestimmen.
Quelle: ntv.de