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Mit der Wildcard bis ins Halbfinale? "Es bleibt ein blöder Beigeschmack"

Spielmacher Michael Kraus ist einer der Hoffnungsträger der deutschen Nationalmannschaft bei der Handball-WM in Katar.

Spielmacher Michael Kraus ist einer der Hoffnungsträger der deutschen Nationalmannschaft bei der Handball-WM in Katar.

(Foto: picture alliance / dpa)

Eigentlich sollten sie gar nicht dort sein, dort in Katar. Sportlich hat die deutsche Handball-Nationalmannschaft die Qualifikation für die Weltmeisterschaft verpasst. Eine Wildcard auf Kosten Australiens rettete die Teilnahme. Frank Bohmann, Geschäftsführer der Handball-Bundesliga, findet das legitim. So ein Verfahren würde schließlich auch bei anderen Wettbewerben eingesetzt. Allerdings, so erklärt er im Interview mit n-tv.de, bleibt ein blöder Beigeschmack. Er wünscht sich aber nun, dass das Team die Chance nutzt und wieder Werbung für die Nationalmannschaft betreibt. Dabei traut er der jungen Auswahl eine Menge zu.

Die deutsche Nationalmannschaft hat sich sportlich nicht für die Weltmeisterschaft qualifiziert, eine umstrittene Wildcard erhalten und die TV-Übertragungsrechte liegen beim Bezahlsender Sky. Haben Sie eigentlich richtig Lust auf die Weltmeisterschaft?

Bohmann: Ja, ich fliege sogar nach Katar, um mir zumindest die ersten beiden Spiele anzuschauen. Und ich glaube, dass wir kein schlechtes Team am Start haben. Das Erreichen des Viertelfinales ist aus meiner Sicht realistisch und sollte auch das Ziel sein, denn dann ist die Teilnahme an den nächsten olympischen Spielen möglich.

Liga-Chef Frank Bohmann traut der deutsche Handball-Nationalmannschaft bei der WM das Viertelfinale zu.

Liga-Chef Frank Bohmann traut der deutsche Handball-Nationalmannschaft bei der WM das Viertelfinale zu.

Mit ihrem Besuch in Katar haben Sie vielen deutschen Handball-Fans eine Sache voraus: Sie können die Spiele sehen …

Naja, auch in Deutschland können die Spiele gesehen werden. Sky überträgt die WM. Der Sender ist bekannt für hohe Qualität. Aber ich weiß, was sie meinen. Natürlich hätten wir es gerne gesehen, wenn die Spiele auch im Free-TV übertragen worden wären. Aber, viele unserer Klubs haben reagiert und kooperieren mit Kinos oder Pubs, die Sky im Abo haben. Außerdem zeigt Sky viele WM-Spiele kostenfrei im Livestream. Ein bitterer Geschmack bleibt allerdings. Es ist bedauerlich, dass die öffentlich-rechtlichen Sender und Sport1 nicht übertragen werden.

Also setzen Sie auf Public-Viewing?

Wir kennen das von anderen großen Sportereignissen. Auch unsere Klubs mobilisieren im Laufe der Saison immer wieder ihre Fans durch Public Viewing.

Die Teilnahme der deutschen Mannschaft an der WM ist ja nicht unumstritten. Erst die Wildcard auf Kosten Australiens brachte das DHB-Team nach Katar. Teilen Sie die Kritik an der Entscheidung des Weltverbands? Oder sagen Sie sich eher: Wenn wir schon da sind, machen wir das Beste draus!

Ganz klar: Wir machen das Beste draus. Ich finde es legitim, Nationen nachrücken zu lassen. Der internationale Verband darf sich das Recht rausnehmen zu sagen: Es gibt bestimmte Kernmärkte, die müssen wir dabei haben. Deutschland gehört absolut dazu, vor allem aus sportlicher Sicht. Das wird im Basketball genauso gemacht oder auch beim Eurovision Song Contest, um die TV-Quote zu halten.

Handball-WM, Gruppe D
Freitag, 16. Januar
Russland- Saudi-Arabien27:17
Polen- Deutschland26:29
Dänemark- Argentinien24:24
Sonntag, 18. Januar
Argentinien- Polen23:24
Deutschland- Russland27:26
Saudi-Arabien- Dänemark18:38
Dienstag, 20. Januar
Polen- Russland26:25
Argentinien- Saudi-Arabien32:20
Dänemark- Deutschland30:30
Donnerstag, 22. Januar
Polen- Saudi-Arabien32:13
Deutschland- Argentinien28:23
Russland- Dänemark27:31
Samstag, 24. Januar
Saudi-Arabien- Deutschland19:36
Russland- Argentinien27:30
Dänemark- Polen31:27
1. Deutschland* 5150:124  9
2.Dänemark* 5154:127  8
3.Polen* 5135:121  6
4.Argentinien* 5132:123  5
5.Russland 5133:131  2
6.Saudi-Arabien 5  87:165  0
                                     * im WM-Achtelfinale

Also gar keine Kritik an der Entscheidung?

Es bleibt ein blöder Beigeschmack. Aber laut dem Handball-Weltverband stand diese Entscheidung bereits vor den Qualifikationsspielen gegen Polen fest. Das wurde nicht kommuniziert. Der entscheidende Fehler lag im Timing der Kommunikation. Aber ich denke, dass die deutsche Mannschaft bei der WM rein sportlich betrachtet mehr zu suchen hat als Australien. Wir werden das Turnier bereichern.

Dann sind wir ja schon bei einem zentralen Punkt: Die deutsche Mannschaft ist sehr jung, es gibt viele Verletzte und die Gruppe ist mit Dänemark, Russland und Polen sehr stark. Ist das von Ihnen angesprochene Erreichen des Viertelfinales da nicht ein sehr ambitioniertes Ziel?

Ich will die Mannschaft jetzt nicht schlecht reden. Aber natürlich ist es so, dass uns durch die vielen Verletzten ein Stück Qualität und Erfahrung fehlt. Gerade im Rückraum hätte ich gerne den einen oder anderen in Katar gesehen. Aber unser Trainer Dagur Sigurdsson verfolgt einen sehr kreativen Ansatz mit den Jungs. Die Mannschaft, so ist mein Eindruck aus den Vorbereitungsspielen, spielt sehr variabel und ist für den Gegner so wenig berechenbar. Ich traue ihr, wie gesagt, das Viertelfinale zu und mit ein bisschen Glück ist sogar noch eine Runde mehr drin. Aber die anderen Teams können natürlich auch Handball spielen. Es wird sicher nicht einfach.

Wir stellen mal folgende These auf: Nach der verpassten Olympia-Qualifikation 2012, der verpassten Europameisterschaft 2014 und der verfehlten, sportlichen Startberechtigung für diese Weltmeisterschaft ist ein Erfolgserlebnis extrem wichtig, um einen Absturz des deutschen Handballs zu vermeiden.

Ich sehe das nicht so dramatisch. Selbst bei einem schlechten Abschneiden geht die Welt nicht unter. Wir als Liga haben zusammen mit dem Deutschen Handballbund einen perspektivischen Plan, die Mannschaft in die Weltspitze zurückzuführen. Wir wollen langfristig wieder dahin, wo wir schon einmal waren. Aber Sie haben Recht, allzu oft sollten wir sportliche Großereignisse nicht mehr verpassen. Außerdem sollten wir auch wieder andere Schlagzeilen produzieren als: Handball-WM nicht im Free-TV zu sehen.

Sie reisen als Chef der Handball-Bundesliga nach Katar, haben Sie da eigentlich einen anderen Blick auf die Erfolge der Nationalmannschaft? Wie wirkt sich das Abschneiden der Deutschen auf die Liga aus?

Unsere Klubs sind so erfolgreich wie nie. Deutsche Vereine gewinnen in Serie die Champions League. In den letzten vier Jahren ging der Titel drei Mal nach Deutschland. Wir sind im internationalen Ranking die klare Nummer eins und das auf Jahre hinaus. Aber natürlich ist das Abschneiden der Nationalmannschaft wichtig für uns. Wichtig für die Handball-Begeisterung in Deutschland. Wir müssen zurück in die Weltspitze, uns dort wieder etablieren. Gerade auch im Hinblick auf die Heim-WM 2019. Wir wollen und werden an alte Erfolge anknüpfen. Das muss der Anspruch des weltweit größten Verbandes im Handball sein. Davon profitiert auch die Liga, die jedes Jahr einige Millionen Euro in die Nachwuchsförderung des deutschen Handballs fließen lässt. Ich denke, es wäre für die Volksportart Handball ein gutes und willkommenes Zeichen, wenn unsere Nationalmannschaft nun eine erfolgreiche WM spielen würde.

Mit Frank Bohmann sprach Tobias Nordmann

Quelle: ntv.de

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