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Fan auf der Bank des FC Bayern Guardiola liebt Barça - und hasst Tiki-Taka

Einfach zum Abheben: Pep Guardiola feiert den Champions-League-Triumph 2011 in luftiger Höhe. Heute ist das Verhältnis zu seinen ehemaligen Spielern des FC Barcelona allerdings deutlich abgekühlt.

Einfach zum Abheben: Pep Guardiola feiert den Champions-League-Triumph 2011 in luftiger Höhe. Heute ist das Verhältnis zu seinen ehemaligen Spielern des FC Barcelona allerdings deutlich abgekühlt.

(Foto: imago sportfotodienst)

Der FC Barcelona ist sein Leben - sagt Josep Guardiola. Nun kehrt er als Trainer des FC Bayern zum Halbfinale der Champions League zurück ins Camp Nou. Leicht wird das nicht. Und irgendwie spielt er auch gegen sich selbst.

In seinem Herzen ist er ein Fan. Ein Fan des schönen Fußballs. Und ein Fan des FC Barcelona. Ob in dieser Reihenfolge oder doch eher umgekehrt, das weiß nur er. Josep Guardiola hat einmal gesagt: "Ich bin einer von Barça und werde es immer bleiben." Zumindest berichtet das der spanische Journalist Marti Perarnau, der den Trainer ein Jahr lang begleitet und ein Buch darüber geschrieben hat. Mitte März war Guardiola wieder dort, zum ersten Mal seit seinem Abschied vor nunmehr fast auf den Tag genau drei Jahren. Er hat sich im Camp Nou mit 90.000 anderen Fans ein Spiel seiner Lieblingsmannschaft angeschaut. Manchester City war zu Gast, es ging darum, wer das Viertelfinale in der Champions League erreicht.

Guardiola saß auf der Tribüne, zwischen seinem Vater Valenti und seinem Freund Manel Estiarte. Er jubelte, als Barça ein Tor schoss. Und als Lionel Messi seinen Gegenspieler James Milner mit einem Beinschuss düpierte, schlug er die Hände vors Gesicht und war in diesem Moment - ganz der Fan. Heute (ab 20.45 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) werden wieder mehr als 90.000 Menschen im Camp Nou sein. Auch Guardiola. Dieses Mal aber muss er seine Dauerkarte nicht in Anspruch nehmen. Er kommt beruflich. Als Trainer des FC Bayern wird er versuchen, im ersten Halbfinale der europäischen Königsklasse Barça zu schlagen. Irgendwie spielt er also auch gegen sich selbst. Er hat es selbst gesagt: "Barcelona ist mein Leben."

Akribisch wie immer, fast manisch

Und nun? Wird er sich und sein Team akribisch wie immer, fast manisch auf diese Partie vorbereiten, von der er beim besten Willen nicht behaupten kann, es sei ein Spiel wie jedes andere. Das versucht er auch gar nicht erst. "Es ist meine erste Rückkehr nach Barcelona, meinem Zuhause. Natürlich ist es speziell." Und natürlich habe er gewusst, "dass es früher oder später passiert". Dass sein Weg als Trainer ihn dorthin führt, wo vor 31 Jahren alles begann. Als 13-Jähriger kam Guardiola in die Fußballschule des FC Barcelona, La Masia. Er war Nachwuchsspieler, Balljunge und Fan. Mit 19 Jahren absolvierte er seine erste Partie für Barça in der Primera División, Spaniens höchster Liga.

Elf Jahre trug er als Spieler im defensiven Mittelfeld das blau-karminrote Trikot des Futbol Club und gewann 1992 unter dem niederländischen Trainer Johan Cruyff den Europapokal der Landesmeister - erstmals in der Vereinsgeschichte. Insgesamt gewann Guardiola als Spieler mit dem FC Barcelona zwölf Titel. Noch erfolgreicher war er als Trainer. Nachdem er ein Jahr bei Barças Reserveteam verbracht hatte, übernahm er 2008 die erste Mannschaft. Seine Bilanz hier, bis er sich im Sommer 2012 eine einjährige Auszeit gönnte und danach den FC Bayern übernahm: 14 Trophäen, darunter zweimal der Pokal für den Gewinn der Champions League. Mit den Münchnern gewann er fünf Titel, inklusive der Deutschen Meisterschaft in diesem Jahr. Macht 31 Triumphe. Das ist so schlecht nicht für einen, der erst 44 Jahre alt ist.

Respektierter Freund und erbitterter Gegner

Aber sein Schaffen beim FC Barcelona lässt sich nicht nur auf die Titel reduzieren, seien es noch so viele. Es gibt Menschen, die sagen, Guardiola habe dort den Fußball neu erfunden. Auf jeden Fall aber ist er als Architekt einer Mannschaft in die Historie eingegangen, die mit ihren atemberaubenden Kurzpassspiel und ihrem dominanten Ballbesitzfußball die Welt begeistert hat. Er hat beim FC Barcelona in nur vier Jahren eine Ära geprägt. Dafür schätzen sie ihn in Katalonien noch immer, die Fans verehren ihn sogar - ist er doch in einer von ihnen. Nur von einem will er nichts mehr wissen, wie Perarnau berichtet: "Ich hasse dieses Tiki-Taka. Ich hasse es. Tiki-Taka ist, sich den Ball zuzuspielen, um sich den Ball zuzuspielen, einfach so, ohne Sinn und Verstand. Und das führt zu nichts. Glaubt nicht, was euch erzählt wird: Barça hatte mit dem Tiki-Taka nichts zu tun! Das ist ein Märchen! Hört nicht darauf!" Ihm geht es vielmehr darum, "den Gegner auf eine Seite zu locken, und dann über die andere anzugreifen. Das muss unser Spiel sein, und nicht dieses sinnlose Tiki-Taka."

Abgesehen davon verlief sein Abschied aus Barcelona so ganz problemlos nicht, noch heute ist das Verhältnis zum Klub seines Herzens getrübt."Ich gehe ohne Vorwürfe, aber lasst mich in Frieden", hatte er gesagt. Er soll es seinem Assistenten Tito Vilanova nicht verziehen haben, dass dieser zustimmte, ihm als Cheftrainer zu folgen. Guardiola unterstellte Vilanova und dem damaligen Sportchef Andoni Zubizarreta, sie hätten seine Nachfolge bereits vor seinem Rücktritt geregelt - hinter seinem Rücken. Als Vilanova an Krebs erkrankte und sich zur Tumorbehandlung wochenlang in New York aufhielt, besuchte er ihn nicht ein einziges Mal, obwohl er dort sein Sabbatjahr verbrachte. Vilanova wurde damals zitiert: "Er hielt es wohl für besser, wenn wir uns nicht sehen. Er war mein Freund, ich hätte ihn gebraucht."

Vor einem Jahr starb Vilanova. Die Witwe soll Guardiola gebeten haben, nicht zur Beerdigung zu kommen. Auch das Verhältnis zu den Spielern von damals ist abgekühlt, mit Gerard Piqué, Dani Alves, Javier Mascherano, Sergio Busquets, Andrés Iniesta und Lionel Messi stehen heute sechs von ihnen in der Startelf. Messi antwortete gestern auf die Frage, ob er noch Kontakt zu Guardiola habe: "Die Wahrheit ist: nein."

Barças Klubchef Josep Maria Bartomeu allerdings kündigte generös an: "Wir werden Pep empfangen, wie er es verdient: mit allen Ehren." Und Trainer Luis Enrique, der mit Guardiola noch in einer Mannschaft gespielt hat, sagte: "Er ist die Nummer eins nach all dem, was er erreicht hat - und er ist ein Freund. Es ist schön für die Spieler, Pep wieder zu treffen, aber sie wissen, dass das Spiel wichtiger ist als das." Die Zeichen stehen also auf Entspannung. Doch Guardiola steht vor einem der spannendsten Spiele seines Lebens. "Ich bin hier nicht als Hommage, sondern ich bin hier, um meine Arbeit zu machen, mit Bayern München das Finale zu erreichen", sagte er sichtlich angespannt. Er kommt nichts als Fan ins Camp Nou. Sondern als mittlerweile respektierter Freund und erbitterter Gegner zugleich. Aber eines weiß er schon jetzt: "Ich bin einer von Barça und werde es immer bleiben."

Quelle: ntv.de

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