Handballer und Corona Neuer Ärger über alte Sorgen bei der WM
11.01.2023, 13:36 Uhr
Andreas Wolff und Johannes Golla werden wieder getestet.
(Foto: picture alliance / GES/Marvin Ibo Güngör)
Das Thema Corona ist im Weltsport auf dem Rückzug, Großveranstaltungen finden längst wieder am Rande der Normalität statt, wie man sie vor Pandemiebeginn kannte. Bei der Handball-Weltmeisterschaft ist das anders. Und das sorgt für Ärger.
Wenn am heutigen Mittwoch die Handball-Weltmeisterschaft startet, kehrt Corona mit regulativer Kraft in den Weltsport zurück: bei der Fußball-Weltmeisterschaft hatte es für Spieler oder Fans Einschränkungen gegeben, die Skispringer durften jüngst ihre Vierschanzentournee unbeeindruckt von der Pandemie durchziehen, auch im Darts spielte das Thema im prallgefüllten "Ally Pally" keine Rolle. Im Handball aber hält die Pandemie wieder Einzug - für zweieinhalb Wochen in Polen und Schweden. Weil der Weltverband IHF den Mannschaften wieder Regeln auferlegt. Und das sorgt vor dem Start für Ärger.
Am Montag ging die Nachricht über die Agenturen, dass die Handball-WM mit Mads Mensah Larsen den ersten Corona-Fall produziert hat. Der Test des Dänen war zwei Tage vor dem Turnierstart schwach positiv, der Rückraumstar musste sich in Isolation begeben. Ein zweiter Test zwei Tage später brachte die schnelle Erlösung: Mensah Larsen ist negativ, der Profi der SG Flensburg-Handewitt darf wieder mit dem Team trainieren. Für den amtierenden Weltmeister, der erst am Freitag gegen Belgien ins Turnier startet, bleibt es so vorerst bei einem kurzen, folgenlosen Schreck.
"Niemand hat Angst vor Corona"
Im eng getakteten Turnierkalender, der für den Weltmeister 2023 bis zum Finale am 29. Januar in Stockholm neun Spiele im Zweitages-Rhythmus vorsieht, würde ein möglicher falscher Test zu einem Problem werden. "Niemand hat Angst vor Corona, nur vor einem fehlgeschlagenen Test", sagte Schwedens Co-Trainer Michael Apelgren der Zeitung "Aftonbladet" und schimpfte: "Es ist eine verdammte Schande, wenn man die Weltmeisterschaft zu Hause spielt und nicht so leben kann, wie wir in Schweden sonst leben."
Tatsächlich gibt es im Alltag weder in Polen noch in Schweden eine Pflicht zur Quarantäne, auch ansonsten gibt es keinerlei Einschränkungen mehr. Für zwei Wochen dagegen kehren Regeln zurück, zumindest für Handballprofis: Die Regularien der Internationalen Handballföderation IHF für die WM sehen neben einer Impfung oder eines Genesenenstatus auch Testungen vor dem Turnierstart, vor der Hauptrunde und dem Viertelfinale vor. Auf positive Tests soll eine Quarantänezeit von mindestens fünf Tagen folgen, bevor sich die Profis freitesten können.
"Handball ist ein dynamisches und schnelles Spiel mit viel Körperkontakt und erfordert daher einen ausgezeichneten Gesundheitszustand aller Spieler", schreibt die IHF. "Da asymptomatische Virusträger auch andere Spieler und Beteiligte anstecken können, sind die geplanten Tests die wirksamste Maßnahme, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern und alle Beteiligten sicher und gesund zu halten."
Bei der IHF sei man sich "der Tatsache bewusst, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht von allen Beteiligten befürwortet werden könnten". Damit hat der Weltverband durchaus recht: "Wenn die IHF diese Maßnahmen zum Schutz der Spieler implementieren wollte, hat sie damit genau das Gegenteil erreicht", schimpfte Islands Torwart Björgvin Pall Gustavsson in einem Offenen Brief auf Twitter und verwies auf die rechtliche Einordnung der Maßnahmen. Die Menschenrechte der Spieler seien durch die Regeln beschnitten, sagte Gustavsson. "Die Spieler sind sich bewusst, dass sie ihre Quarantäne jederzeit selbst beenden und sich den Tests verweigern können", hieß es weiter. "Und ich denke, ich spreche für alle. Das Coronatrauma der letzten Turniere ist bei den Spielern immer noch sehr präsent und beeinträchtigt die Athleten, die gesund sind wie ein Pferd, mehr als Corona." Einige Spieler wie Welttorhüter Niklas Landin von Weltmeister Dänemark teilten den Tweet. Die IHF hatte später erklärt, dass "die isolierten Spieler in einem separaten Raum untergebracht werden, in dem sie jedoch nicht fünf Tage lang eingeschlossen sind." Sollte es einen Corona-Fall geben, dürfte der Betroffene "sein Zimmer verlassen und sich frei bewegen", sagte DHB-Sportvorstand Axel Kromer.
Sowohl die Weltmeisterschaft 2021 als auch die Europameisterschaft 2022 standen stark - und weitestgehend widerspruchslos unter dem Eindruck der Coronapandemie. Im vergangenen Januar musste alleine die deutsche Mannschaft so viele Spieler nachnominieren, dass die DHB-Delegation zwischenzeitlich über einen Rückzug vom Turnier nachdachte. Am Ende waren nach und nach 28 deutsche Handballprofis in den EM-Spielort Bratislava gereist, in der ursprünglichen Delegation waren es nur 17 gewesen. Zermürbt von der Fluktuation, schied die Mannschaft in der Zwischenrunde chancenlos aus.
"Ich war davon überrascht"
Beim letzten Test in Hannover, den die deutsche Mannschaft vor mehr als 10.000 Zuschauern gegen 33:31 (19:14) gegen Island gewann, ließ sich die Nervosität rund um das Thema ablesen. "Was die Zuschauer betrifft, so gibt es genügend Abstand, und die Spieler werden gebeten, keinen Kontakt zu den Zuschauern zu suchen", heißt es von der IHF.
Während Spielmacher Juri Knorr vor einer Wand an Menschen geduldig und mit wachsender Verzweiflung Hunderte Autogramme schrieb, machte der nach bärenstarker Leistung gefeierte Andreas Wolff daneben Fanarbeit auf eine andere Art: "Autogramme dürfen wir nicht, Fotos sehr gerne", rief der Torwart den Fans zu und posierte gleichfalls geduldig - mit respektvollem Sicherheitsabstand. "Ich war davon überrascht", hatte Wolff, der seit 2019 für das polnische Spitzenteam Kielce spielt, zu den Vorgaben des Weltverbandes gesagt, "denn in Polen spielt Corona wirklich keine Rolle mehr."
Anders als die Konkurrenten aus dem Norden, will man das Thema beim DHB aber auch nicht zu hoch hängen: "Vielleicht wird noch nachjustiert. Ich sehe das Konzept auch nicht als besonders scharf an", sagte Kromer in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". "Wir werden uns wie alle anderen Bürger in Schweden und Polen normal bewegen dürfen. Sollte es Corona-Infektionen geben, werden Spieler nicht allein auf ihren Zimmern bleiben müssen, wie es in Bratislava der Fall war. Eine Isolation wird es nur geben, wenn Symptome da sind."
Bundestrainer Alfred Gislason, der seit seinem Amtsantritt 2020 durchgängig im Krisenmodus operieren muss, hat einen Wunsch: "Ich sehne mich nach einem normalen Turnier. Es wäre schön, wenn alle Mannschaften diesmal mit kompletten Teams auflaufen könnten und es keinen Coronaalarm mehr geben würde. Man hatte eine Weile ja schon richtig Hornhaut in Hals und Rachen gehabt vom mehrmaligen Testen am Tag. Das hat gereicht fürs Leben."
Quelle: ntv.de, ter