
Wieder einmal wechselt Dennis Schröder innerhalb der NBA, läuft allein in dieser Saison schon für das dritte Team auf. Ein Mitspracherecht hat der deutsche Basketball-Weltmeister dabei jedoch kaum. Das müsste sich ändern, findet der 31-Jährige.
Wenn es mit dem Basketball irgendwann einmal nicht mehr klappen sollte, könnte Dennis Schröder eine zweite Karriere als Umzugsunternehmer starten. Detroit ist seine neunte Station in zwölf Jahren in der NBA, wieder einmal muss der Point Guard seine Koffer packen, quer durchs Land ziehen und sich in einer neuen Umgebung zurechtfinden. "Let's go to work", schrieben die Pistons dazu auf ihren Social-Media-Kanälen. Ran an die Arbeit. In einem System, das Dennis Schröder nur wenige Tage zuvor als "moderne Sklaverei" bezeichnet hatte. Ein Satz, der für Aufsehen sorgte, aber auch Kontext und Erklärung benötigt.
Denn offensichtlich meint Schröder nicht, dass der Umgang mit den 450 Kaderplätzen in der NBA zu vergleichen ist mit der Sklaverei, mit der nach der Ozeanüberquerung Christopher Kolumbus' die Kolonisierung Amerikas durch die Europäer vorangetrieben wurde. Und auch nicht mit den "plantagenartigen" Gefängnissen in den USA, in denen die Insassen zur Arbeit gezwungen werden, was der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen 2023 als "zeitgenössische Form der Sklaverei" bezeichnete.
"Natürlich", sagte Schröder in jenem Gespräch bei NBC Sports auch, "verdienen wir viel Geld". Der Vertrag des 31-Jährigen ist in dieser Saison mit knapp über 13 Millionen US-Dollar dotiert, wodurch sein Gesamtverdienst in der NBA auf über 100 Millionen steigt. Zahlen wie diese werden immer gerne hervorgeholt, wenn sehr gut bezahlte Sportstars das System kritisieren, in dem sie sich bewegen. Wer so viele Millionen bekommt, soll sich doch bitte nicht so anstellen, heißt es dann.

Schröder mit Ehefrau Ellen und den gemeinsamen Kindern nach dem WM-Finale 2023 - die Familie muss schon wieder umziehen.
(Foto: IMAGO/camera4+)
Fundamentaler Unterschied zum Fußball in Deutschland
Jedoch geben Dennis Schröder & Co. mit ihrer Unterschrift unter NBA-Verträgen selbstverständlich nicht das Recht auf, die Schattenseiten ihrer Profession anzusprechen. Zumal Schröder in derselben Unterhaltung, in der er von "moderner Sklaverei" sprach, auch ausdrücklich betont hatte, "dass jeder, der hier ist, sich glücklich schätzen darf". Denn es ging dem Kapitän der deutschen Sensationsweltmeister besonders um einen Umstand: "Wenn du darüber nachdenkst, ist es schon ein bisschen verrückt", dass die NBA-Teams ihren Spielern einfach mitteilen könnten: "Du brauchst morgen nicht zur Arbeit kommen, wir schicken dich woanders hin."
Schröder weiß genau, wovon er redet und wie sich das anfühlt. Schließlich hatte er die Saison bei den Brooklyn Nets begonnen, die ihn allerdings Mitte Dezember an die Golden State Warriors abgaben. Von der Ost- an die Westküste, von New York nach San Francisco. Nach kaum sieben Wochen ist seine Zeit dort jetzt schon wieder vorbei, mit rund 24-stündigem Zwischenhalt bei den Utah Jazz soll er ab sofort den Detroit Pistons helfen, nach fünf weitgehend katastrophalen Jahren erstmals seit 2019 wieder die Playoffs zu erreichen.
Eine reizvolle Aufgabe, sicher, aber auch eine, die Schröder sich nicht aussuchen konnte. Denn ein Mitspracherecht hatte er bei all diesen Wechseln nicht. Das unterscheidet die NBA grundlegend etwa vom deutschen Fußball. Während beispielsweise ein Thomas Müller seinen Arbeitsvertrag exklusiv mit dem FC Bayern schließt, unterschreibt Schröder einen Kontrakt für die NBA als Ganzes. Die nordamerikanische Liga funktioniert als geschlossenes System, in dem sich alle 30 Mannschaften demselben Regelwerk unterwerfen, das unter anderem eine konkrete Gehaltsobergrenze, davon abgeleitete Maximal- und Minimalgehälter sowie klare Transferregeln umfasst.
Das führt in der praktischen Anwendung dazu, dass Arbeitsverträge von NBA-Profis wie Waren gehandelt werden. Wenn Dennis Schröder also von den Golden State Warriors zu den Detroit Pistons wechselt, wird in erster Linie sein Vertrag transferiert. Die Gehälter der getauschten Verträge müssen zueinanderpassen, die persönlichen Schicksale sind nachrangig. Der Blockbuster-Trade der beiden Superstars Luka Dončić (zu den Los Angeles Lakers) und Anthony Davis (zu den Dallas Mavericks) machte das vor wenigen Tagen besonders deutlich: "Ich hatte nicht den Hauch einer Ahnung", sagte Davis, der seinen Lakers-Kollegen gerade erst eine Nachricht geschickt hatte: "Und eine Stunde später habe ich erfahren, dass ich nicht mehr zum Team gehöre."
Schröder wünscht sich Änderungen von der NBA
Im Kern werden also bei Trades in der NBA nicht die Menschen durch die Liga geschickt, sondern die Verträge. Über diese wird auch wie bei Waren gesprochen, immer wieder ist von "Assets" die Rede, also von Vermögenswerten. Bei Trades zwischen zwei (oder mehr) NBA-Teams stehen neben sportlichen Erwägungen auch wirtschaftliche Überlegungen im Fokus. Die menschliche Seite? Nicht so wichtig. Der Dončić-Davis zeigte zugleich in einer Deutlichkeit, die es in knapp 80 Jahren NBA so kaum einmal gegeben hatte, dass selbst die Besten der Besten jederzeit zur Verhandlungsmasse werden können.
Die naheliegende Frage ist da natürlich, warum sich die Profis kein Mitspracherecht in die Verträge schreiben lassen. Die Antwort darauf ist einerseits, dass solche No-Trade-Klauseln in der NBA-Historie extrem selten sind. Gerade einmal zehn Spieler verfügten über solch eine Klausel, es sind nahezu ausnahmslos solche, die die Liga prägten und prägen: Dirk Nowitzki und Kobe Bryant gehörten dazu, aktuell verfügen Lakers-Anführer LeBron James und Bradley Beal von den Phoenix Suns über ein solches Vetorecht.
Dass diese No-Trade-Klauseln so selten sind, ist andererseits allerdings auch Ausdruck des Macht-Ungleichgewichts in der Liga. Die Kontrolle liegt gänzlich in den Händen der Teams und ihrer Eigentümer, betonte Schröder außerdem. "Daran müssen sie ein bisschen was ändern", sagte der Kapitän der deutschen Sensationsweltmeister in Richtung der NBA-Führungsetage, bevor er erfuhr, dass er schon wieder das Team wechselt. Um nach Atlanta Hawks, Oklahoma City Thunder, Los Angeles Lakers, Boston Celtics, Houston Rockets, noch einmal Los Angeles Lakers, Toronto Raptors, Brooklyn Nets und Golden State Warriors jetzt also für die Detroit Pistons aufzulaufen.
Mit seinem ersten Einsatz für den dreifachen NBA-Champion rückt Schröder übrigens auf den geteilten 23. Rang der ewigen Bestenliste vor, immerhin 22 Basketballer spielten für mindestens 10 verschiedene Franchises. Alleiniger Rekordhalter ist Ish Smith, der bis zum vergangenen Jahr für 13 der 30 NBA-Klubs aktiv war.
In der Fußball-Bundesliga teilen sich laut transfermarkt.de indes zwei Männer die Bestmarke: Michael Spies, der seine Karriere 2001 beendete, und Sebastian Polter liefen jeweils für sieben Vereine in der höchsten deutschen Spielklasse auf. Polter steht aktuell bei Zweitligist Eintracht Braunschweig unter Vertrag - in der Stadt, in der Schröder vor einigen Jahren zum Alleingesellschafter des örtlichen Basketball-Bundesligisten aufgestiegen war. Mit dem er übrigens "nach meiner NBA-Karriere [...] noch eine deutsche Meisterschaft" gewinnen will. Dafür müssten die Schröders dann allerdings erneut umziehen.
Quelle: ntv.de