Pedris ganz besondere EM Ein starkes Argument auch für Messi

Pedri spielt "als hätte er 40 Jahre Erfahrung", sagte Morata.

Pedri spielt "als hätte er 40 Jahre Erfahrung", sagte Morata.

(Foto: picture alliance / AA)

Für Spanien ist die Fußball-Europameisterschaft vorbei. In einem Turnier, in dem die Mannschaft von Luis Enrique nicht immer überzeugte, gibt es eine Konstante: Pedri. Der 18-Jährige lässt seinen Trainer schwärmen und seine Mitspieler halluzinieren.

Der letzte Elfer ist gerade ins Tor gefallen, da vergräbt Pedri das Gesicht in seinem Trikot. Anders als gegen die Schweiz wurde er diesmal nicht vor dem Elfmeterschießen ausgewechselt. Doch bevor es zu seinem Duell mit Italiens Torhüter Gianluigi Donnarumma kommen konnte, war es vorbei. Mit seinem lässigen Schuss begrub dessen Teamkollege Jorginho die Finalträume der Spanier. Und Pedri? Der 18-Jährige konnte die Tränen nicht zurückhalten. Thiago kümmerte sich später um seinen Mannschaftskollegen, wohl wissend, dass es nicht die letzte Chance auf ein Finale für den Teenager vom FC Barcelona war.

Ganz im Gegenteil: Der junge Spanier ist wohl die Zukunft der "Furia Roja". Spätestens nach dem dramatischen Halbfinalaus bei der EM und dem furiosen K.-o.-Spiel ist das allen bewusst. Von seinem Nationalcoach Luis Enrique wurde er geadelt: "Seine Leistungen, wie er das Spiel interpretiert, seine Qualität, seine Persönlichkeit. Ich habe noch nie jemanden wie ihn gesehen." Der ehemalige Barça-Trainer erinnere sich an keinen anderen 18-Jährigen, der bei einem großen Turnier das geleistet habe, was Pedri geleistet habe.

Das wissen auch dessen Teamkollegen. Angreifer Alvaro Morata zweifelte gar an seiner eigenen Wahrnehmung: "Pedri lässt mich halluzinieren, er spielt, als hätte er 40 Jahre Erfahrung." Nur wenige hätten seine Persönlichkeit und Einstellung, "er wird einer der besten in der Geschichte Spaniens sein", fuhr Morata fort.

Fast 100 Prozent Passgenauigkeit

Die Lobeshymne könnte man ewig so fortschreiben. Auch die ganz großen Vergleiche, mit einer Zeit, in der Spanien mit seiner Spielweise den kompletten Weltfußball dominierte, werden immer wieder bemüht. Luis Enrique sagte gar, es entbehre jeder Logik zu glauben, dass der Weltmeister Andres Iniesta mit 18 Jahren schon genauso weit gewesen wäre.

Ein 18-Jähriger, der schon mit den ganz Großen verglichen wird? Wie Pedri den Hype rechtfertigt, sah man in diesem packenden EM-Halbfinale. Klar, neben ihn stachen auch Routinier Sergio Busquets und der Leipziger Dani Olmo heraus, die ebenfalls bemerkenswerte Leistungen lieferten. Aber Pedri war vielleicht nochmal eine Ecke besser. Mit diesen besonderen Momenten. In den 120 Minuten hatte er eine Passgenauigkeit von 97 Prozent, in den regulären Spielzeit sogar eine von 100.

Diese Genauigkeit, sie kommt nicht von ungefähr. Den Spanier zeichnet eine unglaubliche Spielintelligenz aus. Und das schon im Alter von 18 Jahren. Man könnte es so formulieren: Um zu verstehen, warum Pedri schon jetzt so wichtig für Spanien ist, sollte man nicht erst darauf achten, was er mit dem Ball macht, sondern ihn schon vorher beobachten. Eben bevor er den Ball bekommt. Immer wieder scannt er nämlich sein Umfeld. Dadurch weiß er, wann er wohin spielen muss.

So zum Beispiel in der 13. Minute gegen Italien als er einmal von seinen Gegenspielern zu viel Platz bekam. Das nutzte er direkt aus. Den Ball erhielt er mit dem Rücken zum Tor, eine schnelle Drehung und schon merkten alle: Das wird jetzt gefährlich. Mit drei, vier schnellen Kontakten nahm er Tempo zum italienischen Sechzehner auf und überspielte mit einem Pass gleich vier Verteidiger der Squadra Azurra. Nicht nur ein Traum für Fans der Packing-Rate. Der nun völlig freie Mikel Oyarzabal verstolperte jedoch den Ball. Doch damit endete die Szene nicht.

Statt frustriert abzuwinken, wie es viele wohl machen würden, ging Pedri sofort ins Gegenpressing über und verhinderte so nicht nur den Konter der Italiener, sondern holt mit einer Grätsche auch den Ball zurück. Es gehört zu seiner Spielweise. Eben nicht nur die feinen Pässe, die eine komplette defensive Ordnung auseinandernehmen.

Doch klappen sie nicht, holt er sich die Bälle einfach zurück. Als ehemaliger Leichtathlet ist der Spanier sowieso klassischer Dauerläufer. Kein anderer Feldspieler spulte bei dieser EM mehr Kilometer ab. Und wenn wir schon in der beachtlichen Statistikabteilung sind: Mindestens genauso beeindruckend wie die Passgenauigkeit ist es, dass Pedri bei dieser EM der Spieler mit den drittmeisten Ballkontakten ist.

Hoffnung für Spanien und Messi?

Und solche Werte erreicht er nicht nur in der Nationalmannschaft. Im Mittelfeld des FC Barcelona absolvierte er in der abgelaufenen Saison 52 Pflichtspiele und verpasste in der spanischen Liga nur ein einziges. So wird er bisweilen gleich zur Hoffnung zweier Mannschaften. Denn so schmerzhaft auch das Aus der spanischen Nationalelf im Moment sein mag, so groß ist aber auch das Potenzial, was in diesem Team steckt. Mit Busquets und Jordi Alba werden sich bald zwei altgediente Stützen verabschieden. Aber mit Pedri, Olmo, Torwart Unai Simon, Manchester Citys Rodri und Co. steht schon eine neue spannende Generation bereit.

Das Gleiche gilt bei Pedris Klub. Zwischenzeitlich nannte die spanische Presse ihn, Lionel Messi und Frenkie de Jong Barças "Dreieck der Hoffnung". Mit allen Mitteln kämpft der FC Barcelona um den Verbleib des langjährigen Superstars Messi. Die monetäre Seite stellt die Katalanen vor gewaltigen Probleme. Und das von Messi gewünschte Gehalt werden sie wohl nicht bezahlen können. Doch was ist, wenn sie ihm ein schlagkräftiges Team an die Seite stellen? Mit Pedri wird ihm eine besondere Beziehung nachgesagt.

Pedri, Ansu Fati, de Jong: Das sind alles Stars der nächsten Generation. Die ersten öffentlichen Abwanderungsgedanken kamen Messi nach dem 2:8-Debakel gegen die Bayern in der Champions-League vor einem Jahr. Vielleicht kann ihn ja die Aussicht darauf, bald wieder alles gewinnen zu können, zum Bleiben bewegen?

Bis zum Saisonstart ist noch etwas Zeit. Derweil macht der Dauerläufer Pedri auch nach der EM keine Pause. Nach dem Kontinental-Turnier steht die Reise zu den Olympischen Spielen an. "Ich liebe Fußballspielen einfach und bin glücklich, dass ich weiterspielen darf", erzählte er einem spanischen Radiosender angesichts des vollen Terminkalenders. In Tokio darf er das wieder. Und wer weiß, vielleicht muss er am Ende nicht wieder getröstet werden.

Quelle: ntv.de

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