DFB-Trainerin über die EM "Fliegen nach England und wollen jedes Spiel gewinnen"

Voss-Tecklenburg und ihr Team haben Großes vor.

Voss-Tecklenburg und ihr Team haben Großes vor.

(Foto: IMAGO/Harry Koerber)

Zu den Topfavoriten gehört das DFB-Team bei der Fußball-Europameisterschaft der Frauen nicht. Davon will sich Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg aber nicht irritieren lassen. Sie sagt klar: "Wir wollen um den Titel spielen." Im Interview erklärt sie, was ihr Team so gefährlich macht.

Martina Voss-Tecklenburg, Sie haben gesagt, Deutschland gehöre bei der EM in England nach vielen Personalproblemen vielleicht nicht zu den Topfavoriten. Geht Ihr Team als Wundertüte ins Turnier?

Voss-Tecklenburg: Ja, das ist ein Bild, das passt. Das muss aber gar nicht schlecht sein, denn für die Gegner sind wir vielleicht auch eine Wundertüte. Das wollen wir uns zum Vorteil machen. Durch die Vorbereitung sind wir miteinander gewachsen, das hat alles gepasst und unsere Erwartungen letztendlich sogar übertroffen.

Die Hälfte der 16 teilnehmenden Nationen sehen Sie im Favoritenkreis, inklusive Deutschland?

Wir wollen um den Titel spielen, ja. Wir haben eine echt herausfordernde Gruppe, es beginnt mit dem Vize-Europameister Dänemark, der einfach guten Fußball spielt und tolle Spielerinnen hat. Sie wollen genauso ins Viertelfinale kommen wie Spanien und wir. Und dann ist da noch Finnland, ein Team, das alles reinwerfen wird. Nichts wird bei dieser EM zum Selbstläufer. Also ist das Viertelfinale unser erstes Ziel.

Da könnte es schon gegen die hochmotivierten Gastgeberinnen aus England gehen ...

Genau, und das ist dann ein 50:50-Spiel. Natürlich ist Fußball ein Ergebnissport, natürlich wollen wir die richtigen Ergebnisse erzielen. Aber wir wissen auch: Wir sind immer noch in einem Prozess und vielleicht ist die Leistung top, aber das Ergebnis stimmt am Ende trotzdem nicht. Von daher bin ich dafür, erst mal auf den Platz zu gehen, Leistung zu bringen und nachher zu bewerten.

Zuletzt ist Deutschland bei der EM und WM jeweils im Viertelfinale gescheitert, spüren Sie Druck, dass das dem achtmaligen Europameister nicht nochmal passieren darf?

Wir fliegen nach England und wollen jedes Spiel gewinnen. Wir haben unsere Aufgaben zu erledigen, über die weiteren Schritte muss ich mir keine Gedanken machen. Das tut uns auch nicht gut. Wenn wir gut ins Turnier reinkommen, bin ich davon überzeugt, dass ganz viel möglich ist. Da sind wir wieder bei der Wundertüte: Ich traue uns richtig viel zu. Wir müssen aber schauen, ob alles passt. Es kommt auch auf Spielmomente, Verletzungen, Corona-Ausfälle an - deshalb müssen wir man am Ende alles bewerten.

Sie sind generell der Ansicht, dass die Konkurrenz nicht gerne gegen das DFB-Team spielen wird - heißt, Sie wollen auch ein ekliger Gegner sein?

Das hat auch diese Konsequenz, logisch. Ich glaube aber, dass wir uns immer noch mehrheitlich über unseren Fußball definieren wollen. Das wird unser Ziel sein: Wir können jeden Gegner stressen, weil wir wissen, dass wir vorne schnelle Spielerinnen haben und wissen, wie wir sie einsetzen können, wie unser Umschaltspiel aussehen soll. Da brauchen wir eine große Kompaktheit, um den Gegner in einer Unordnung richtig zu stressen. Dann wird es auch für die gegnerische Abwehr nicht angenehm gegen uns.

Sie haben die Gruppengegner Dänemark, Spanien und Finnland bereits angesprochen. Was zeichnet sie jeweils aus?

Dänemark tritt als Mannschaft auf, sie funktionieren über ihren Teamspirit, auch wenn sie tolle Einzelspielerinnen wie Pernille Harder haben. Wenn sie richtig gut performt, dann wachsen die anderen auch. Spanien kommt über den Ballbesitz mit einem ganz sauberen Fußball, deswegen sind sie so schwer in die Duelle zu kriegen. Sie haben ein großes Selbstverständnis, die Spielerinnen trauen sich einfach alles. Und Finnland hat das physische Element, sie kommen mit aller Robustheit, haben eine großartige Mentalität und wollen auch immer Tempo nach vorne forcieren.

Viel wird über den Hype um den Frauenfußball in England gesprochen, das Eröffnungsspiel steigt im Old Trafford, das Finale in Wembley - was erwarten Sie beim Turnier für eine Atmosphäre?

Ich bin ein bisschen zwiegespalten, weil ich nicht weiß, ob die Spiele ohne englische Beteiligung auch so hohe Zuschauerzahlen erzielen werden. Beim Arnold Clark Cup im Februar in England hatten wir nur 200 Zuschauer gegen Spanien. Es wird sich zeigen, wie die fußballverrückten Engländerinnen und Engländer auf diese EM reagieren. Ich würde mir natürlich wünschen, dass sie den kompletten Fußball unterstützen.

Quelle: ntv.de, Jana Lange, sid

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