FIFA-Boss macht sich bei WM rar Gianni Infantino, der plötzlich Unsichtbare

Eines der wenigen Bilder von FIFA-Boss Infantino bei der WM.

Eines der wenigen Bilder von FIFA-Boss Infantino bei der WM.

(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)

Die K.-o.-Runde der Fußball-Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland startet. So viele Fans wie nie zuvor besuchen die Spiele, ein besonderer Zuschauer aber ist nur selten zu sehen: FIFA-Präsident Gianni Infantino. Das steht im krassen Kontrast zu seiner Omnipräsenz bei der WM der Männer in Katar.

Die Spieler gehen auf den Platz, Gianni Infantino ist schon da. Das Weltmeisterschafts-Spiel wird angepfiffen, der FIFA-Präsident grinst in die Kameras. Die Fans feiern, Infantino winkt aus der Ehrenloge. Bei der Weltmeisterschaft ist der Boss des Fußball-Weltverbands omnipräsent, es ist abgesichert, dass er bei jedem Spiel über die TV-Bildschirme flimmert. Infantino gerät zum Running Gag. Es sind Szenen der WM 2022, der WM der Männer in Katar. Diese Bilder stehen in krassem Kontrast zu denen der WM 2023 in Australien und Neuseeland, der WM der Frauen. Infantino macht sich rar.

Er ist Präsident des Weltfußballs, nicht nur der Männer. Dass die Frauen unbedingt gefördert und schnellstmöglich gleichgesetzt werden müssen, daran hatte Infantino vor der WM auch keinen Zweifel aufkommen lassen. Er hatte für das viel diskutierte - und nicht einmal von den deutschen Spielerinnen geforderte - Equal Pay Partei ergriffen und das Ziel ausgegeben, bei der kommenden WM 2027 die gleichen Prämien zu zahlen wie bei den Männern. Er hatte sich mit den europäischen TV-Sendern angelegt, als diese nicht viel Geld für die Übertragungsrechte zahlen wollten, hatte ihnen einen Blackout angedroht. Alles Hinweise auf seine Entschlossenheit.

Über die Weltmeisterschaft der Frauen hatte er - wie immer vor einem Turnier - gesagt, dass es "das Beste werde, das die Welt je gesehen habe". An Australien und Neuseeland gerichtet, hatte er versprochen: "Es wird eure beiden Länder auf den Kopf stellen." Zum Auftakt war er nach Neuseeland gereist, hatte vor dem Eröffnungsspiel angekündigt: "Ich freue mich darauf, so viele Spiele wie möglich zu sehen."

Seine Anwesenheit nutzte die FIFA selbstverständlich öffentlichkeitswirksam. Als das 1,5 Millionste Ticket gekauft wurde, begrüßte er die Käufer höchstpersönlich. Maria Strong, ihr Mann und die drei Kinder haben den zwölften Geburtstag ihres Sohnes bei der Partie zwischen Italien und Argentinien feiern wollen - Infantino gab es als Geburtstagsgast direkt dazu. "Ich habe die Zeit mit ihnen genossen, und es war mir ein Vergnügen, sie zu jedem Spiel hier in Auckland einzuladen, damit sie mehr Zeit mit ihrer Familie in diesem wunderbaren Stadion verbringen können", sagte er laut Mitteilung. "Bei jedem Spiel im Eden Park herrschte bisher eine großartige Atmosphäre, und ich bin sicher, dass dies auch bei den kommenden Spielen der Fall sein wird."

Abstecher auf ozeanische Inseln

Fünf Partien schaute er sich im Land des Co-Gastgebers an - ehe er verschwand. In Australien hatte er sich gar nicht blicken lassen. Stattdessen besuchte er die Cook-Inseln, rühmte sich damit, der erste FIFA-Präsident in dem Land zu sein. Die Begründung für seine Abreise und Ausflug: "Ich freue mich sehr, auf den schönen Cook-Inseln zu sein, wo jeder fußballverrückt ist. Dies wird besonders deutlich, wenn man bedenkt, dass die derzeit stattfindende FIFA Frauen-Weltmeisterschaft auch die Weltmeisterschaft von ganz Ozeanien ist und ein großes Fest des Fußballs auf allen pazifischen Inseln darstellt."

Auch auf Tahiti und auf Tonga war er zu Gast. Über seinen Besuch auf Tonga schrieb er bei Instagram: "Wir sind hier, um uns um die zu kümmern, um die sich niemand wirklich kümmert. Wir sind hier, um bei denen zu sein, die in den entlegensten Gebieten der Welt leben, und bei denen, die niemals aufgeben und ihre Träume leben wollen." Der mächtige Funktionär mit den Millionen auf dem Konto inszeniert sich als Weltretter, als Kümmerer um die Belange der "kleinen Leute".

Während der Katar-WM gab es keine Ausflüge

Während der WM in Katar gab es derlei Besuche in den Nachbarstaaten nicht. Infantino hielt sich nur in dem Land auf, in dem er seit Oktober 2021 auch ein Haus gemietet und zwei seiner Töchter eingeschult hat. Freilich ist es bei den Abständen zwischen den Spielorten bei der WM der Frauen unmöglich, alle Spiele zu besuchen. Während in Katar alle Stadien nah beieinander lagen, trennt die Tasmanische See die beiden Gastgeberländer. Der westlichste Spielort Perth liegt mehr als 5200 Kilometer entfernt vom östlichsten, dem neuseeländischen Wellington. Dass Infantino sich allerdings innerhalb er ersten zehn WM-Tage gar nicht in Australien blicken ließ, fiel Kritikern unangenehm auf.

Dann immerhin tauchte er beim Gruppenfinale der Australierinnen auf, schaute beim furiosen 4:0 zu, mit dem die Matildas ins Achtelfinale einzogen und die Olympiasiegerinnen aus Kanada aus dem Turnier warfen. Auch weiteren Gruppenspielen würde er beiwohnen, hatte die FIFA mitgeteilt. Ehe er dann seine Reise zu weiteren Mitgliedsstaaten des ozeanischen Verbands fortsetzen werde. Da der FIFA-Boss allerdings nicht - wie verpflichtend - bei den Partien von den TV-Kameras eingefangen wird und damit nicht omnipräsent ist, ist der öffentlichkeitswirksame Trubel um seine Person nicht existent.

Es ist viel mehr sein Instagram-Profil, dass seine Reisetätigkeiten zeigt. Dort werden Posts zu den Spielen veröffentlicht, zahlreiche Fotos der Duelle, Gratulationen an die ersten Achtelfinalisten sind zu lesen. Auf diesen Bildern ist er selbst nicht zu sehen, kann gar nicht zu sehen sein. Australien hat er bereits wieder verlassen, nachdem er - auch hier öffentlichkeitswirksam - Nouhaila Benzina, der ersten Fußballerin mit Hijab bei einer Weltmeisterschaft, die Hand schüttelte. Aktuell wirbt er für seinen Besuch auf den Fidschi-Inseln, zuvor war er bereits auf Vanuatu zu Gast.

Visit-Saudi-Plan erzeugte Spannung

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Es ist nicht so, als würde seine Abwesenheit unangenehm auffallen, Australien und viele Fußballerinnen waren zuletzt ohnehin nicht gut auf die FIFA zu sprechen. Visit Saudi hätte ein Sponsor dieses Turniers werden sollen, die Tourismusbehörde von Saudi-Arabien. Eben jenes Landes, das wegen seiner Frauen- und Menschenrechte in der Kritik steht. US-Stürmerin Alex Morgan hatte diese als "bizarr" bezeichnet, Alexandra Popp sagte, "dass das kein optimaler Sponsor für eine Frauen-Weltmeisterschaft ist - für das, wofür wir Frauen auch stehen." Die Pläne wurden aufgrund der harschen Proteste fallengelassen.

"Es ist an der Zeit, die Frauen zu respektieren", hatte Infantino vor WM-Start erklärt. Konsequent zieht er diese Forderung nicht durch. Und es bedeutet offenbar auch nicht automatisch, dass er das Turnier genauso intensiv verfolgt wie das der Männer.

Quelle: ntv.de

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