Fußball

"Wir machen das nicht schlecht" Abartige Leipziger nerven den BVB

Da sind wir: Stefan Ilsanker, Torschütze Naby Keita, Timo Werner und Marcel Halstenberg.

Da sind wir: Stefan Ilsanker, Torschütze Naby Keita, Timo Werner und Marcel Halstenberg.

(Foto: dpa)

Nun sind sie dort, wo sie hinwollten. Und in ihrem ersten Heimspiel in der Bundesliga schlagen die Leipziger gleich Borussia Dortmund. Das enthusiasmierte Publikum sorgt für eine prächtige Stimmung. Mit Glück hat das wenig zu tun.

Klar, das mit der Tradition und dem Kommerz war ein Thema. Und das wird es auch weiter sein. "Brinkhoffs statt Brause" hatten Fans der Gäste auf ein weißes Bettlaken geschrieben und im Stadion aufgehängt. 99 Jahre und fünf Monate älter ist der Ballspielverein Borussia Dortmund. Gegründet wurde er am 19. Dezember 1909. Das Ziel war es, Fußball zu spielen. Die Rasenballsportler aus Leipzig gibt es seit dem 19. Mai 2009. Das Ziel war es, für den Getränkekonzern Red Bull zu werben. Doch dann standen sich an diesem Samstagabend bei ambitionierten 28 Grad vor 42.558 Zuschauern im ausverkauften Zentralstadion doch nur zwei Fußballmannschaften gegenüber. Sie unterhielten das Publikum gut und boten am zweiten Spieltag der Bundesliga eine ansehnliche Partie, die Leipzig mit 1:0 (0:0) gewann.

Lucky punch: Naby Keita, RB Leipzig.

Lucky punch: Naby Keita, RB Leipzig.

(Foto: imago/Team 2)

Sie haben also ihr allererstes Heimspiel in der Bundesliga gewonnen und zu Hause "einen Einstand in die Bundesliga erlebt, wie es sich jeder nur wünschen kann", sagte Trainer Ralph Hasenhüttl. In der Tat hatte seine Mannschaft gezeigt, dass von ihr mehr zu erwarten ist, als gemeinhin einem Aufsteiger zuzutrauen ist. Sie bot dem Favoriten, der eine überragende vergangene Saison mit Platz zwei hinter dem noch ein Stück besseren FC Bayern beendet hatte, mit ihrem konsequenten und energiegeladenen Überfallfußball die Stirn. Das dem eingewechselten Naby Keita eine Minute vor dem Ende der Partie das Tor des Abends gelang, mag ein wenig glücklich gewesen sein. Schließlich hatten sich die meisten mit einem Remis arrangiert. Ansonsten aber hatte das mit Glück wenig zu tun.

Innerhalb von sieben Jahren sind die Leipziger von der fünftklassigen Oberliga Nordost in die Eliteliga der Republik aufgestiegen. Nun sind sie dort, wo sie hinwollten und messen sich mit den Besten. Die "Volkszeitung" berichtete vor der Partie begeistert, dass die "Dortmunder Weltstars" tatsächlich in ihrer Stadt abgestiegen waren, ein Sponsor ließ vier gelbe Autos durch Leipzig fahren, auf denen "Käufliche Liebe!" stand - eine kleine Spitze in Richtung Dortmund, die seit Jahren mit dem Spruch "Echte Liebe" für sich werben. Auf dem Rasen fingen die Gäste stark an, dominierten die Partie, ließen den Ball laufen und hatten ihn am Ende zu Zweidrittel der Zeit in ihren Reihen.

"Dafür spielen wir, dafür arbeiten wir"

Doch irgendwann, spätestens nach der Pause, kristallisierte sich heraus, dass die Gastgeber mit ihren enorm aufwändigen Pressing, das meist kurz vor der Mittellinie begann, dem BVB gehörig auf die Nerven gingen. Kaum war ein Dortmunder am Ball, waren auch schon drei oder vier Leipziger da, allen voran die zentralen Mittelfeldspieler Stefan Ilsacker und Diego Demme. Besonders Dortmunds Sechser Julian Weigl, der eigentlich für den Aufbau zuständig ist, hatte darunter zu leiden - und damit das Spiel seiner Mannschaft, in der Mario Götze erstmals seit seiner Rückkehr aus München mitspielen durfte, aber wenig ausrichten konnte. Hasenhüttl konstatierte: "Dass wir viel gegen den Ball arbeiten, das ist unser Ding."

Thomas Tuchel, Dortmunds Trainer, der während des Spiels aufgebracht gestikuliert und geflucht hatte, fasste es hinterher so zusammen: "Irgendwann war es offensichtlich, dass wir nicht unseren besten Tag haben." Er sprach davon, dass sein neu zusammengestelltes Team sich erst kennenlernen müsse, von "vielen unerzwungenen Fehlern" und davon, "dass wir nie komplett dominant waren". Aber er wollte das nicht falsch, mithin als respektlos verstanden wissen und lobte auch den Gegner: "Größte Anerkennung. Die Leipziger haben alles investiert - und das auf einem sehr hohen Niveau." Er habe durchaus erkannt, welch' ambitionierte Ziele die Rasenballsportler verfolgten. Sein Kollege Hasenhüttl, der mehrmals betonte, dass die Fehler der Dortmunder so unerzwungen nun auch wieder nicht gewesen seien, nahm das wohlwollend zur Kenntnis und strahlte ungedämpft Zufriedenheit aus: "Wir machen das, glaube ich, nicht schlecht."

Und wer sich gefragt hatte, ob die neureichen Leipziger die Liga schmücken, der hat bei dieser Premiere eine erste Antwort bekommen. Sie lautet: ja. Fußballerisch erinnern sie an die Dortmunder in den wilden Zeiten unter Jürgen Klopp. Und atmosphärisch war das - nicht schlecht. Um nicht zu sagen: prächtig. Die etwa 4000 Fans der Dortmunder jedenfalls kamen unter all diesen euphorisierten Menschen aus Leipzig, die sichtbar und hörbar Lust auf die Bundesliga haben, nicht zum Zug. Und als dann Naby Keita auch noch traf, stieg der Lärmpegel in Höhen wie wohl selten in einem Stadion hierzulande. Oder um mit Hasenhüttl zu sprechen: "Die Lautstärke nach dem Tor war abartig. Dafür spielen wir, dafür arbeiten wir. Ich freue mich für alle, die mit uns sind." Nur die Tradition, die müssen sie sich in Leipzig vorerst noch leihen. "60 Jahre bist Du alt - und endlich wieder erstklassig", stand auf einem Plakat der RB-Anhänger vor ihrem Sektor B. Damit war allerdings nicht der Verein, sondern das Zentralstadion gemeint, das am 4. August 1956 eröffnet worden war - knapp 47 Jahre nach der Gründung des BVB.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen