Stadiontragödie und Skandalturnier Afrikas Fußball versinkt im Chaos
09.02.2015, 17:46 Uhr
Brennendes Auto vor dem Stadion: In Kairo starben 19 Menschen.
(Foto: AP)
Der Fußball in Afrika kommt aus den Negativschlagzeilen nicht heraus. Die Zuschauertragödie in Ägypten überschattet das Finale der skandalumwitterten kontinentalen Meisterschaft in Äquatorialguinea. Sogar Fifa-Präsident Blatter gibt sich geschockt.
Selbst Joseph Blatter konnte nichts schönreden: "Die traurigen Nachrichten aus Ägypten verderben die Freude am Fußball-Fest beim Afrika-Cup", twitterte der Präsident des Weltverbandes Fifa aus Äquatorialguinea. Dort hatte gerade die Elfenbeinküste gegen Ghana bei einem skandalösen Turnier mit 9:8 im Elfmeterschießen den Titel gewonnen. Zur gleichen Zeit starben in Kairo 19 Menschen bei einem Spiel. Woran Blatter während seines Besuchs bei Diktator Teodoro Obiang überhaupt Freude hatte, blieb sein Geheimnis - doch tatsächlich herrscht Betroffenheit über die zweite Stadion-Katastrophe am Nil innerhalb von drei Jahren.
In Ägypten geriet der Fußball durch die tödlichen Krawalle bei der Erstligapartie zwischen Zamalek SC und ENPPI Club erneut ins Zentrum innenpolitischer Konflikte. Polizei und Fans machten sich gegenseitig für die Gewalteskalation verantwortlich. Das Innenministerium nannte den Andrang von Fans ohne Eintrittskarten als Ursache für den Ausbruch der Massenpanik. "Bei vielen der Todesopfer sind Quetschungen festgestellt worden, bei manchen auch Genickbrüche. Die Menschen sind übereinander getrampelt. Niemand wurde durch Schüsse oder Gummigeschosse verletzt", sagte ein Sprecher.
Zamalek-Fans verbreiteten eine andere Darstellung. Die "Weißen Ritter" des Hauptstadt-Klubs bezeichneten die Geschehnisse auf ihrer Facebook-Seite als "ein Massaker". Demnach löste die Polizei den Aufruhr durch den Einsatz von Tränengas und Gummigeschossen aus, als vor der einzig geöffneten Eingangsschleuse die wachsende Menschenmenge lautstark weitere Zugangsmöglichkeiten zur Arena forderte. Die Fans zogen auch eine Verbindung zum Verhalten der Polizei 2012 bei der Tragödie von Port Said.
Einsicht beim Caf? Fehlanzeige!
Vor drei Jahren waren inmitten der politischen Umwälzungen in Ägypten in der Hafenstadt bei der Begegnung zwischen Al-Masry und Al-Ahly 74 Menschen bei einer Stadion-Panik zu Tode getrampelt, erstochen oder erschlagen worden. Polizeikräfte schritten damals kaum ein und wurden deswegen danach als Rächer des gestürzten Staatspräsidenten Hosni Mubarak beschuldigt. Die Folgen von Kairo sind nun schwer abzusehen. Nach der Katastrophe, bei der das Spiel während des Überlebenskampfes von mehreren Hundert Besuchern bizarrerweise weiterlief, setzte die Regierung die Meisterschaft vorerst aus.
In Äquatorialguinea bedeutete das Endspiel statt eines Höhepunktes nur den Schlussstrich unter ein völlig misslungenes Turnier. Der "Geleitschutz" für die Gastgeber bis ins Halbfinale und die inszenierten Jubelchöre für Obiang bedeuteten zusammen mit den willkürlichen Entscheidungen des Afrika-Verbandes Caf insgesamt einen Skandal, der den Fußball auf dem ganzen Kontinent um Jahre zurückwirft.
Das Turnier bleibt hauptsächlich durch die bürgerkriegsähnlichen Bilder von den Ausschreitungen beim Halbfinale der Gastgeber gegen Ghana haften. Steine, Flaschen und Tränengas flogen auf Spieler und Fans, überall floss Blut, ein Hubschrauber trieb die schreienden Massen aus dem Stadion, offiziell wurden 36 Personen verletzt - Ghanas Verband sprach von "barbarischer Gewalt". Doch Einsicht beim Caf? Fehlanzeige. "Wenn in Europa etwas Schlechtes passiert, ist es ein Versehen, ein Irrtum - aber wenn in Afrika etwas passiert, wird sofort von Korruption gesprochen", polterte Caf-Boss Issa Hayatou realitätsfern: "Die westlichen Medien sind nur deswegen gekommen, um die Kolonisation zu bewahren." Stimmenfänger Blatter pfiff auf seiner Wahlkampf-Tour denn auch bis Sonntag das Lied seiner Claqueure: "Ich sehe diese negative Seite des afrikanischen Fußballs nicht, von der in den Medien berichtet wird", hatte der Schweizer gesagt und damit Organisations-Chef Francisco Pascual Obama Asue scheinbar zu Größenwahn ermuntert: "Wir haben Afrikas Ehre gerettet."
Quelle: ntv.de, Dietmar Kramer und Jan Mies, sid