Ist Stöger der Richtige? BVB klammert sich zu sehr ans Klopp-Gefühl
10.12.2017, 15:15 Uhr
Schöne und erfolgreiche Zeiten waren's: Michael Zorc (l.), Jürgen Klopp (m.) und Aki Watzke feierten mit dem BVB Titel. Nach dem Abgang des Trainers suchen die Dortmunder nun nach Konstanz.
(Foto: imago sportfotodienst)
Jürgen Klopp und Borussia Dortmund, das war groß. Sehr groß. Zu groß - für seine Nachfolger beim Fußball-Bundesligisten. Erst entlassen sie den unbequemen Thomas Tuchel und nun den netten Peter Bosz. Was ist eigentlich los beim BVB?
Vielleicht liegt ja alles an Jürgen Klopp? An diesem Maximum schwarz-gelber Liebe und Leidenschaft. Vielleicht hat er Borussia Dortmund für seine Nachfolger als Trainer des Bundesligisten auf ewig (oder sagen wir zumindest doch für sehr, sehr lange Zeit) verdorben. Denn wer kann einen Mann erfolgreich beerben, der den Klub in den vergangenen Jahren maßgeblich geprägt hat? Der ihn zwischen 2008 und 2015 nach bitteren Jahren des fußballerischen Mittelmaßes und der Fast-Insolvenz vom sportlichen Patienten zu einer der aufregendsten und spektakulärsten Mannschaften in Europa geformt hat. Der den Verein und die Fans miteinander versöhnt hat, in dessen Zeit und Wirken der wild und wüst proklamierte Vereins-Claim "Echte Liebe" entstanden ist, der von Teilen des Umfelds mit Leidenschaft gelebt wird.
- Juli 1991 - Juni 1997: Ottmar Hitzfeld
- Juli 1997 - Juni 1998: Nevio Scala
- Juli 1998 - Februar 2000: Michael Skibbe
- Februar 2000 - April 2000: Bernd Krauss
- April 2000 - Juni 2000: Udo Lattek
- Juli 2000 - Juni 2004: Matthias Sammer
- Juli 2004 - Dezember 2006: Bert van Marwijk
- Dezember 2006 - März 2007: Jürgen Röber
- März 2007 - Mai 2008: Thomas Doll
- Juli 2008 - Juni 2015: Jürgen Klopp
- Juli 2015 - Mai 2017: Thomas Tuchel
- Juni bis Dezember 2017: Peter Bosz
- ab Dezember 2017: Peter Stöger
Bosz nach nur 163 Tagen und einem unerklärlichen Absturz - acht Ligaspiele in Serie nicht gewonnen, samt irrwitzigem Derby-Debakel gegen den FC Schalke 04 - nun beim BVB entlassen wurde. Zum zweiten Mal in Serie ist in Dortmund ein Trainer gescheitert, von dem die sportliche Führung nicht überzeugt war. Vom erfolgreichen Thomas Tuchel (Klopps direkter Nachfolger von Sommer 2015 bis Sommer 2017) waren die Macher, Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Sportdirektor Michael Zorc, menschlich enttäuscht, vom sehr netten, aber wenig charismatischen Peter Bosz sportlich nicht (mehr) überzeugt. Die Referenzgröße, die der Klub der Emotionen für sich ausgab, war stets ihr mittlerweile beim FC Liverpool wirkender Power-Emotionator Klopp.
Die Mannschaft entmachtet den Trainer
Bei beiden Nachfolgern begehrten indes auch Teile der Mannschaft auf. Während sich Tuchel nach den für die Fans schmerzvollen Entmachtungen oder sportlichen Degradierungen von Mats Hummels, Neven Subotic und Publikumsliebling Nuri Sahin in die verhängnisvolle Isolation flüchtete, wurde Bosz offenbar vehement bearbeitet, sein Spielsystem (vom von ihm bevorzugten 4-3-3 auf das von Spielern gewünschte 3-4-3), seine Aufstellung (zum Beispiel Subotic zurück in den Kader, gar in die Startelf) zu ändern. Was dann übrigens auch passierte und einige Spieler stolz für sich verbuchten. Es waren eben jene, die unter Klopp erfolgreich und mächtig geworden waren, allen voran offenbar Sahin. Die totale Entmachtung.
Sportlich freilich ist die Entscheidung der Vereinsspitze um Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke die einzig logische. Die Mannschaft überbietet sich seit Wochen mit Leistungen, die selbst die treuesten und leidensfähigsten Anhänger fassungslos machen. In der Abwehr desolat, phasenweise sogar peinlich. Im Spiel nach vorne ideenlos, behäbig. Da taugt auch die Vielzahl der Verletzten kaum als Erklärung. Aber wie groß ist der Anteil von Bosz am Absturz in der Liga - und noch dramatischer in der Champions League mit nur zwei Punkten gegen Nikosia - wirklich? Er selbst benennt sich als den Verantwortlichen. Das ehrt ihn. Aber wenn eine Mannschaft ihren Trainer in der Schwäche offensiv angreift, ihn zur Aufgabe seiner Überzeugungen überreden will, sich sogar dafür rühmt, wie ernst zu nehmen sind dann die zuletzt gezeigten Leistungen? Und wie stark kann der nächste Trainer dann überhaupt werden?
"Dinge haben sich verändert, auch bei Peter"
Der heißt nun Peter Stöger. Und er ist der dritte Post-Klopp-Versuch, Emotionen und Erfolg beim BVB wieder zusammenzuführen. Zumindest bis zum Sommer. Die sehr, sehr vorsichtige Zielvorgabe lautet vorerst: Punkte sammeln. Dass der Österreicher das kann, hat er zuletzt nicht mehr zeigen können. Mit dem Effzeh holte der sehr nette und sehr charismatische Wiener nach vier sehr erfolgreichen Spielzeiten in dieser Saison in der Liga nur drei Zähler, beklagte vor knapp anderthalb Wochen - zwei Tage vor seinem bislang letzten Spiel auf Schalke - einen Werteverlust in Köln. Er forderte in einer emotionalen Rede von seinen Chefs eine klare Entscheidung: Vertrauen oder Ende der Zusammenarbeit. Ahnte er da schon etwas von seiner unverhofften Chance? Sowohl Stöger als auch der BVB dementieren das - Kontakt habe es wirklich erst am Samstagabend gegeben. Der Österreicher war da gerade erst zurück in seiner Heimat.
Dennoch gibt es da einen Satz, der vieles, was in Köln passiert ist und nun in Dortmund passiert, ein wenig anders wirken lässt. So sagte Effzeh-Geschäftsführer Alexander Wehrle am Tag der Stöger-Entlassung, dem vergangenen Sonntag: "Einige Dinge sind passiert. Dinge haben sich verändert, auch bei Peter." Sei's drum. Dieser Peter, der übrigens im Sommer schon Kandidat in Dortmund war, soll nun beim BVB etwas ändern. Was genau, das ist allerdings nicht ganz klar - außer natürlich den Ergebnissen und der wackeligen Abwehr. Mit seiner lockeren und trockenen Art darf er zudem gerne noch die eingeschlafenen Emotionen wiederbeleben - ein bisschen Klopp also auch noch. Ansonsten aber haben sie für den fatalen Leistungsabfall weiter keine Erklärung, wie Sportdirektor Zorc erneut betonte. Und weil sie nicht wissen, was sie wirklich ändern müssen und ob das mit Stöger funktioniert, befristen sie den Vertrag des 51-Jährigen erst einmal bis Saisonende. Über das, was dann kommt, herrscht Schweigen.
Nach wie vor aber geistert der Name Julian Nagelsmann durch die Ruhrpott-Stadt. Mit ihm soll sich der BVB ja bereits über ein Engagement im kommenden Sommer einig sein. Fragen dazu gab es bei der Pressekonferenz, bei der Stöger vorgestellt wurde, allerdings keine. Wohl auch in dem Wissen, dass die BVB-Bosse ohnehin die Antwort verweigert hätten. Denn jedes Wort zu weiteren Plänen würde den Neuen schon zu einem Zeitpunkt schwächen, an dem er seinen Job noch gar nicht angetreten hat.
Quelle: ntv.de