Fußball

Irritationen um Hummels' Abgang BVB rumpelt "beschissen" tiefer in die Krise

Enttäuschung nach dem Auswärtsspiel gegen Hertha: Dortmunds Mats Hummels (M.) erklärt sein Verhalten bei Twitter.

Enttäuschung nach dem Auswärtsspiel gegen Hertha: Dortmunds Mats Hummels (M.) erklärt sein Verhalten bei Twitter.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Krise trägt schwarzgelb. Bei der Abstiegskonkurrenz in Berlin zeigt der BVB, dass er ein "großartiges Team mit großartigen Problemen ist". Trainer Klopp wirkt konsterniert, die Fans singen trotzig, sind aber irritiert - von ihrem Kapitän.

Es war ein rührender Akt der Realitätsverweigerung, den die BVB-Fans am Samstagabend im Berliner Olympiastadion aufführten. Nach zunächst deutlichen Pfiffen für die schwache Leistung beim 0:1 im Abstiegsduell gegen Hertha BSC schlug die Stimmung plötzlich um. Aus Frust wurde schwarzgelber Trotz, aus einem Pfeifkonzert Gesang und Jubel für die verzagt in die Fankurve geschlichenen BVB-Profis und Coach Jürgen Klopp. Letztlich feierten die Dortmunder Fans den neuen Tabellen-16. der Fußball-Bundesliga lauter als der Hertha-Anhang seine Gewinner. Nur, wofür eigentlich?

Berlin - Dortmund 1:0 (1:0)

Tor: 1:0 Schieber (40.)
Hertha: Kraft - Pekarik, Brooks, Schulz, Hegeler - Ronny (82. Lustenberger), Skjelbred (70. Hosogai), Ä. Ben-Hatira (70. van den Bergh), Niemeyer, Beerens – Schieber
Dortmund: Langerak - Piszczek, Hummels, Schmelzer, Subotic (83. Sahin) - Aubameyang, Mkhitaryan (35. Blaszczykowski), Gündogan, Bender, Kehl (46. Ramos) – Immobile
Referee: G. Perl Zuschauer: 75.254

Das müssen sich langsam auch die BVB-Profis fragen. "Beschissen, was soll ich anderes sagen?", kommentierte Mittelfeldabräumer Sven Bender den erschreckend einfallslosen Auftritt der Dortmunder in Berlin: "Wir nehmen uns einen Haufen vor, zerstören das aber selbst." Wie in der 40. Minute, als ein unnötiger Ballverlust im Mittelfeld zum 1:0 durch Julian Schieber führte. Dass der Ex-Borusse dabei gegen dilettantisch verteidigende Dortmunder jene Torjägerqualitäten zeigte, die er im BVB-Dress meist vermissen ließ, rundete die Dortmunder Misere ab. Kurios zudem: In fünf Bundesligaspielen gegen den BVB kommt Schieber dem Statistikdienst Opta zufolge nun auf drei Tore – so viele Treffer, wie ihm in 35 Ligaspielen für Dortmund gelungen waren. Während die Herthaner mit 17 Punkten ins Mittelfeld rückten, hat der auswärtsschwache BVB auf dem Relegationsrang nur noch einen Zähler Vorsprung auf Platz 18. Angesichts des Hinrunden-Restprogramms mit einem Heimspiel gegen den Tabellenzweiten Wolfsburg und einer Partie bei den heimstarken Bremern droht dem Champions-League-Achtelfinalisten aus Dortmund in der Liga das Undenkbare: Das Überwintern auf dem letzten Platz.

"Es ist einfach schade"

Mitleid mit seinen Ex-Kollegen empfand Schieber nach seinem Siegtor nicht, das sei das falsche Wort: "Es ist einfach schade, weil ich weiß, dass sie eine unheimliche Qualität haben und es besser machen können und immer noch zu Unrecht da unten stehen." Zu Unrecht? In Berlin zeigte Dortmund, dass der von einer vermeintlichen Momentaufnahme zum Dauerzustand geronnene Abstiegskampf auf die spielerische Leistung durchschlägt. "Ich höre im Wochenrhythmus, was für eine großartige Mannschaft wir haben", merkte BVB-Coach Jürgen Klopp sauertöpfisch an. Davon sei er zwar auch selbst nach wie vor überzeugt: "Aber diese großartige Mannschaft hat auch großartige Probleme, das muss man ja auch sagen."

Insbesondere die erste Halbzeit war laut Klopp "das krasse Gegenteil von dem, was wir spielen wollten". Besonders krass daran war wiederum, dass das Startelf-Comeback der fünf Leistungsträger Mats Hummels, Lukasz Piszczek, Sven Bender, Sebastian Kehl und Pierre-Emerick Aubameyang ohne Effekt ebenso verpuffte wie Dortmunds Matchplan. Erklären könne er das nicht, zumal die Berliner exakt so agiert hätten, wie man es vorher erwartet hatte. "Wir haben Fußball gespielt, haben Ballbesitz gehabt, aber ohne klare Aktionen daraus entstehen zu lassen", kommentierte Klopp null Dortmunder Großchancen vor der Pause ernüchtert: "So eine erste Halbzeit darf nicht passieren." Es war eine Entschuldigung in Richtung der unerschütterlichen BVB-Fans.

Luhukay streut Salz in BVB-Wunden

Die sahen trotz Dauergesangs auch in der zweiten Halbzeit Dortmunder, denen der Glaube an ein Comeback fehlte. Geraten Klopps Dortmunder in dieser Saison in Rückstand, verlieren sie fast immer. Selbst in Berlin. Nach der Auflösung der Doppelsechs und Umstellung auf ein 4-4-2-System mit Ex-Herthaner Adrian Ramos als zweiter Sturmspitze kam der BVB gegen einen fußballerisch klar limitierten Gegner zwar zu Chancen. Die vereitelte aber entweder Berlins Keeper Thomas Kraft oder das eigene Unvermögen, worauf Hertha-Coach Jos Luhukay im Bemühen um eine BVB-freundliche Spielanalyse noch einmal unfreiwillig hinwies. Bei Ciro Immobiles Kopfball (87.) aus vier Metern sei es "eigentlich schwieriger" gewesen, "daneben zu köpfen als rein zu köpfen", fand Luhukay.

Klopp fand schlicht: "Die Möglichkeiten wären da gewesen, wir haben sie nicht genutzt, deshalb verloren und müssen erneut dem Gegner gratulieren." Aber auch wenn Klopp danach klang: Den berühmten Dortmunder Chancentod starb der BVB in Berlin nicht, das Offensivspiel war über weite Strecke eine Zumutung. Immer wieder droschen seine Dortmunder hohe Bälle aus dem Halbfeld in den Hertha-Strafraum, ohne Gefahr erzeugen zu können. Und obwohl Klopp vor dem Abstiegsduell eigens die Bedeutung der Zweikämpfe hervorgehoben hatte, war dies am Ende die einzige Statistik, in der Hertha vorn lag – von den Toren einmal abgesehen.

Kapitän Hummels verschwindet wortlos

Das Positivste am nächsten komplett missratenen Hauptstadtbesuch der Berlin-geschädigten Dortmunder blieb für Klopp die "absolut außergewöhnliche" Reaktion der Fans: "Das ist ein großer, großer Hoffnungsschimmer für uns. Wir brauchen jede Unterstützung, das sieht man." Bezeichnend war allerdings, dass auch der Schulterschluss zwischen Fans und Team in Berlin nicht ohne Komplikationen verlief.

Ausgerechnet BVB-Kapitän Mats Hummels sorgte für mittelgroße Irritationen. Der während der Partie bereits häufiger unzufrieden wirkende Abwehrchef trottete direkt nach dem Schlusspfiff Richtung Seitenlinie. Während Klopp seine Spieler auf dem Rasen tröstete und für den Gang in die Kurve sammelte, drehte sein Kapitän nach einem kurzen Schlenker Richtung Fans hinter der BVB-Bank ab. Dann ging er ohne jeden Gruß oder Kommentar in die Kabine.

Wieso und warum, dazu gab es zunächst auch von Klopp keine Erklärung. Der BVB-Coach deutete im ZDF aber an, dass der vorzeitige Abgang nicht abgesprochen war. Von Hummels gab es erst eine Reaktion, als sich im Netz deutlicher Unmut formierte. Via Twitter teilte der mit Rückenproblemen ins Spiel gegangene Abwehrchef nebulös mit: "War schon auf dem Weg zu den Fans wie man vllt sehen konnte. Aber war allein und bin dann umgedreht aufgrund der Schmerzen." Nach Hummels Grätsche ins Nichts vor dem Gegentor wirkte es wie der nächste misslungene Klärungsversuch an einem gebrauchten BVB-Tag.

Quelle: ntv.de

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