Die Lehren des 29. Spieltags BVB spektakelt vergeblich, Lewa historisch
01.06.2020, 11:34 Uhr
300. Scorerpunkt und da geht noch mehr: Robert Lewandowski wird diese Saison ziemlich sicher die 30-Tore-Marke toppen.
(Foto: Frank Hoermann/Sven Simon/Pool via Peter Schatz)
Robert Lewandowski schießt den FC Bayern zum Sieg und schafft dabei gleich doppelt Historisches. Der BVB trifft auch mal wieder wie am Fließband - aber wohl nur, weil es gegen einen "Kleinen" der Bundesliga geht. Während Schalke taumelt, hoffen Hertha und Werder.
Lewandowski auf Müllers Spuren
Vor dem 29. Spieltag hatte Rekordsammler Robert Lewandowski in seinem durchaus ruhmreichen Fußballer-Leben zwei Meilensteine noch nicht erreicht: den Gewinn der Champions League - und einen Treffer gegen Düsseldorf. Nun, zwar mag ersterer mehr Gewicht haben, aber der Pole sorgte mit seinen beiden Toren beim 5:0 gegen die Fortuna am Samstagabend dennoch für Historisches.
Alle 18 Bundesligisten hat er nun schon zum Verzweifeln gebracht, sein Tor zum 3:0 war gleichzeitig der 300. Scorerpunkt (230 Tore, 70 Vorlagen) in der Liga. Nur 82 Minuten braucht der derzeit wohl beste Strafraumstürmer der Welt in dieser Saison für einen Treffer. Bereits 29 hat Lewandowski erzielt. Seinen eigenen Rekord von 30 Toren aus der Saison 2015/16 wird er wohl locker überbieten.
Auch hier könnte die Statistik des Bayern-Stars historische Züge annehmen: Seit einem gewissen Müller hat nur Pierre-Emerick Aubameyang (Saison 2016/17) mehr als 30 Mal ins Netz getroffen. Die Rede ist allerdings von Dieter Müller vom FC Köln im Jahr 1976/77. Sein noch treffsichererer Namensvetter mit Vornamen Gerd übertraf die magische 30-Tore-Marke gleich mehrmals und sorgte mit seinen 40 Buden 1971/72 für einen phänomenalen Rekord. Bei fünf verbleibenden Partien scheint dieses Meisterstück zwar sehr kompliziert aber nicht komplett unrealistisch für Lewandowski.
Die Rummenigges, Seelers, Völlers, Klinsmanns, Kloses, Elbers, Ailtons, oder wie die besten Stürmer der Bundesliga noch hießen: Sie alle schafften nie mehr als 30 Tore und Lewandowski wird sie an den restlichen Spieltagen mit Sicherheit hinter sich lassen. Die Bayern spielen unter Trainer Hansi Flick so erfolgreich und derzeit zu dominant, als dass sie sich nicht noch den einen oder anderen Kantersieg herausschießen werden.
Aber nicht nur das: Die Neun-Punkte-Woche der Münchner war auch schön anzusehen (beim Stotter-Auftakt nach Corona gegen Union Berlin war das nicht unbedingt der Fall), von Kimmichs BVB-Geniestreich bis hin zu den doppelten Hacken-Pässen vor Lewandowskis 3:0 gegen Düsseldorf. Wie soll das nur werden, wenn Leroy Sané und Kai Havertz wirklich zum Elite-Kader des Rekordmeisters dazustoßen? "Ich bin stolz, dass die Spieler nach dem Sieg in Dortmund so konzentriert und fokussiert waren", sagte Flick. "Das Ziel ist erstmal, die Bundesliga auf der Position abzuschließen, auf der wir sind." Dann kann Rekordmann Lewandowski nach der Meisterschaft seinen Champions-League-Titel immer noch gewinnen.
BVB trifft historisch - nur nicht dann, wenn es zählt
Es sah ja lange nicht danach aus, aber auch am Sonntag ist die BVB-Tormaschine nochmal angesprungen: Am Ende standen nach torloser erster Halbzeit sechs Tore gegen den SC Paderborn, inzwischen hat Borussia Dortmund 80 Treffer auf dem Konto - so viele wie noch nie nach 29 Spieltagen. Schwer vorstellbar, dass in den letzten fünf Spielen der bisherige Saisonrekord von 82 Treffern (in der Saison 2015/2016) nicht noch pulverisiert wird. 80 Tore in 29 Spielen bedeuten, dass Erling Haaland und Co. alle 33 Minuten treffen.
Dumm nur für den BVB, dass diese starke Quote eben nur dafür reicht, das geschlagene Feld weit hinter dem FC Bayern ins Ziel zu führen. Gegen den alten und designierten neuen Meister gelang dieses Jahr in 180 Minuten kein einziger Treffer. Der Unterschied zwischen Spitzenreiter und Verfolger lässt sich auch in den entscheidenden Zahlen gut ablesen: Gegen den Rest der Liga treffen Lewandowski und Kollegen exakt einmal pro halber Stunde, in den entscheidenden Duellen mit dem ärgsten Verfolger klingelte es immer noch alle 36 Minuten. Und die Münchner werden deshalb auch wieder Deutscher Meister. Aber, lieber BVB, so ein Vereinsrekord ist ja auch nicht schlecht.
Hertha schielt auf Europa
Am 23. Spieltag verlor Hertha BSC im heimischen Olympiastadion gegen den FC Köln mit 0:5 und kam den Abstiegsrängen mal wieder gefährlich nahe. Sechs Spiele später, dem vierten unter Neu-Trainer Bruno Labbadia, schielen die Berliner auf einmal auf die internationalen Plätze. Nach dem 2:0 über Augsburg hat der Labbadia-BSC nach der Corona-Pause nun drei Siege und ein starkes Unentschieden gegen Leipzig eingefahren - und liegt mit 38 Punkte nur noch vier Zähler hinter dem Tabellensechsten aus Wolfsburg. Mit der Art und Weise wie die Hertha derzeit spielt, ist ein Durchmarsch ins europäische Geschäft durchaus möglich aber sicherlich kein Selbstläufer.
11:2 Tore stehen seit der Übernahme des neuen Coaches zu Buche, die Offensive um den wiedererstarkten Kapitän Vedad Ibisevic bewies gegen den FCA, dass sie es auch ohne Matheus Cunha kann. Insgesamt wirkt die Hertha-Mannschaft intakter als jemals zuvor in dieser Saison - und scheint dadurch Blut geleckt zu haben. "Da ist noch einiges möglich", sagte Maximilian Mittelstädt mit Blick auf die internationalen Plätze. "Nur vier Punkte - es ist möglich", kommentierte Keeper Rune Jarstein fast identisch. Auch Labbadia stellte am Sonntag im Sport1-Doppelpass klar: "Klar ist, wir wollen nach oben, keine Frage." Aber der Trainer kennt die untere Tabellenhälfte zu gut aus seinen vergangenen Stationen und fügte deshalb an: "Was sollen wir jetzt den Mund groß aufmachen, wir müssen erstmal arbeiten." Demut und Realismus täten der Hertha gut in dieser Situation, denn mit Dortmund, Freiburg, Leverkusen und Mönchengladbach warten noch schwierige Gegner an den verbleibenden Spieltagen - und in der zweiten Hälfte gegen den FCA schwamm die Hertha-Defensive gewaltig.
Trostlos-torloses Schalke taumelt noch ins Ziel

Alexander Nübel flog erst aus Schalkes Tor raus, dann wieder rein und am Samstag vergeblich.
(Foto: SVEN SIMON/ Anke Waelischmiller/)
Erinnern Sie sich noch an den 18. Spieltag? Damals, im Januar, strömten die Zuschauer zu Hunderttausenden in die Stadien. Das fühlt sich nach einer halben Ewigkeit an. Um zu illustrieren, wie lange das wirklich her IST, wirkt diese Statistik noch eindrücklicher: Der FC Schalke 04 war damals eine Spitzenmannschaft. Als Fünfter waren die Königsblauen, gerade mit einem Sieg gegen Borussia Mönchengladbach aus der Winterpause gestartet, punktgleich mit dem Erzrivalen Borussia Dortmund und nur sieben Punkte hinter Tabellenführer RB Leipzig. DAS fühlt sich lange her an, oder? Danach ging alles schief: Seit elf Spielen sehnt sich Trainer David Wagner nach einem Sieg, die zweitlängste Horrorserie in der Klubgeschichte. Am Wochenende könnte der Rekord aus der Saison 1993/1994 eingestellt werden: Gewinnt man nicht bei Union Berlin, hat der FC Schalke 04 des Jahres 2020 wenigstens Geschichte geschrieben.
Die Chancen dafür stehen nicht schlecht: "Unsere Rückrundenbilanz und insbesondere unsere Leistungen seit der Wiederaufnahme des Spielbetriebs sind niederschmetternd", sagte Sportvorstand Jochen Schneider der "Bild"-Zeitung nach dem jüngsten 0:1-Nackenschlag gegen den SV Werder Bremen. "Wir alle, sportliches Management, Trainerteam und Mannschaft, haben die dringende Verpflichtung, diesen erschreckenden Negativlauf umgehend zu stoppen. So können und dürfen wir uns als FC Schalke 04 nicht präsentieren." Wagner zeigte nach der vierten Pleite nach dem Ende der Corona-Pause deutlich auf, wo ein Problem liegt: "Am Ende steht wieder eine Niederlage, am Ende steht wieder ein wahnsinniger individueller Fehler." Das große Problem: Wagner gehen langsam die Pfeile im Köcher aus. Mit dem erneuten Wechsel auf der Torwartposition - Schubert raus, der ungeliebte Alexander Nübel wieder rein - und der Umstellung der löchrigen Abwehr auf eine Fünferkette hat der Trainer am Wochenende viel gewagt - und doch verloren. In Abstiegsgefahr wird Schalke 04 nicht mehr geraten, aber der Rest der Saison wird trostlos.
Werder will wieder
Der Gegner der Schalker aus Bremen spürt dagegen den lang ersehnten und kaum noch für möglich gehaltenen Aufwind: Sieben Punkte in einer Woche und drei Spiele in Folge ohne Niederlage, darunter sogar zwei Siege, dürfen für Werder-Verhältnisse durchaus als Mini-Serie betitelt werden. Noch wichtiger: Die drei Partien wurden allesamt mit null Gegentoren beendet. Die Weiße Weste zu halten, gelang den Bremern zuvor erst ein einziges Mal in dieser Saison. Die (ehemalige?) Schießbude der Liga (59 Gegentore) scheint ein Mittel gefunden zu haben, die eklatanten Abwehr- und Umschaltfehler abzustellen, die meist zu haarsträubenden Gegentreffern geführt hatten.
Natürlich steckt Bremen immer noch tief im Abstiegskampf - und das wird auch bis zum Ende der Saison so sein. Aber die von vielen totgesagte Mannschaft lebt und will wieder: Sie kämpft, übersteht schwierige Spielphasen und bringt Ergebnisse über die Zeit. All das war vor Corona und im ersten Spiel danach gegen Leverkusen noch fast undenkbar. Im Spiel gegen den S04 hatte Werder in den ersten 20 Minuten sogar 80 Prozent Ballbesitz - das kennt man an der Weser nur noch aus Diego-Zeiten. Aber Florian Kohfeldt weiß, dass für den Klassenerhalt noch viel passieren muss. "Das war ein ganz wichtiger und auch verdienter Auswärtssieg. Aber wenn man die Tabelle anschaut, sieht man, wie nötig das war. Wir sind noch immer hinten dran", warnte der Trainer nach dem Schalke-Spiel. "Wir haben keinerlei Zeit, uns jetzt zu freuen. Wir haben noch sechs Endspiele. Wir müssen fokussiert und konzentriert bleiben." Immerhin: Der Wille für diese Anstrengung ist wieder da.
Quelle: ntv.de