Trainer Seoane wirkt angezählt Bayer Leverkusen liegt "richtig in der Scheiße"
08.09.2022, 12:55 Uhr
Lukas Hradecky liegt auf dem Boden und hinter der Linie. Den Ball tritt er frustriert in die Maschen. Wenn schon so ein dämliches Tor, dann soll das Netz auch zappeln.
(Foto: picture alliance/dpa/BELGA)
Bayer Leverkusen legt im Pokal, in der Bundesliga und jetzt auch in der Champions League einen kapitalen Fehlstart hin. Die Werkself ist auf dem Weg, alle Ziele zu verspielen. Torwart Lukas Hradecky taugt mit einem Tollpatsch-Fehler als Symbolbild, für Trainer Seoane dürfte es eng werden.
Die Fantasie für Gerüchte rund um Bayer Leverkusen wurde seit Mittwochmorgen richtig angeheizt. Zwar sitzt Trainer Gerardo Seoane offenbar weiter fest im Sattel, das beteuerte Sportchef Simon Rolfes gebetsmühlenartig auch nach dem 0:1 zum Champions-League-Auftakt beim FC Brügge. Doch kamen innerhalb von einer Stunde in Domenico Tedesco und Thomas Tuchel plötzlich gleich zwei Trainer auf den Markt, an denen Bayer in der Vergangenheit schon interessiert war. Die Wertschätzung für Seoane ist weiter hoch, angesichts der in diesem Ausmaß nie erwarteten Krise mit sechs Niederlagen in sieben Pflichtspielen wäre es aber fahrlässig, würde Rolfes nicht zumindest einmal bei Alternativ-Kandidaten vorfühlen.
Seoane selbst wirkt derweil ungewohnt angespannt. Auf der Pressekonferenz in Brügge schaute er mit leerem Blick in den Raum, war kurz angebunden. In den Spielen wechselte er mehrfach das System, sein Team spielte mit wenigen Ausnahmen nicht richtig schlecht, und doch kassiert Bayer Niederlage auf Niederlage. Und das gegen Gegner, die formell geschlagen werden müssen. Immerhin: Rolfes erklärte, dass Seoane nach der ersten Halbzeit in Brügge "die richtigen Schlüsse gezogen" habe: "Er hat die Mannschaft gut eingestellt."
Hradecky malt ein stinkendes Bild
Die letztliche Niederlage sei auch großes Pech gewesen, lautete die einhellige Meinung. Und es lag ja auch nahe. Der entscheidende Gegentreffer resultierte aus einem halben Eigentor, als Kapitän und Torhüter Lukas Hradecky mit dem gefangenen Ball ins Tor fiel. Was den Finnen zu der kernigen Aussage brachte: "Wenn man in der Scheiße liegt, dann ist es richtig scheiße." Auf der anderen Seite verbuchte Bayer einen Pfostenschuss und zwei wegen Abseits aberkannte Tore.
Doch immer mit Pech ist die Negativserie nicht zu erklären. Das Problem: Seoane hatte in seiner Karriere als Profi-Trainer nie auch nur ansatzweise eine Krise zu moderieren. Und auch sein Boss Rolfes hat mit solchen Situationen in vorderster Front keine Erfahrung. Er beerbte nach jahrelang guter Arbeit in der zweiten Reihe im Sommer Rudi Völler als Sportchef.
Tuchel schon immer Leverkusen-Fan
Und diese Personalie macht es auch so schwierig, einzuschätzen, ob der bei RB Leipzig beurlaubte Tedesco und der beim FC Chelsea freigestellte Tuchel interessant wären. Völler galt 2017 als klarer Treiber einer geplanten Verpflichtung Tedescos, der damals aber Schalke schon zugesagt hatte. Und er galt im selben Jahr als Gegner einer Verpflichtung Tuchels, von dem es ein interessantes Zitat gibt.
Seit der Saison 2002, als Bayer ins Champions-League-Finale gegen Real Madrid einzog (1:2), "bin ich echt Leverkusen-Fan", sagte der frühere Dortmunder vor zwei Jahren. Und Leverkusens Rohdiamant Moussa Diaby sagte nach der Zusammenarbeit bei Paris Saint-Germain: "Ich war und bin von ihm begeistert." Statt Tedesco oder Tuchel holte Leverkusen 2017 übrigens Heiko Herrlich.
Nun sind Tuchel und Tedesco plötzlich Seoanes Schattenmänner. Doch das ist Stand heute nur ein theoretisches Szenario. Und Seoane wird von seinem Boss gestärkt. Die Mannschaft hat er auch nicht gegen sich. "Die Spieler haben mir eine positive Antwort gegeben", erklärte er bezogen auf die Leistungssteigerung in den letzten Spielen. "Ich mache mir absolut keine Sorgen, dass da ein Problem ist", sagte Mittelfeldspieler Robert Andrich. Doch für Siege gibt es keinen Ersatz. "Wir spielen Fußball, um Spiele zu gewinnen", sagte Rolfes. Und das sollte bald passieren. Sonst könnten die Gerüchte richtig Fahrt aufnehmen.
Quelle: ntv.de, Holger Schmidt, dpa