
Die Erkenntnisse der Ermittlungsbehörden sind für Anfang jetzt entscheidender als die Zweitliga-Tabelle.
(Foto: imago images/Eibner)
Noch ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Markus Anfang, bisher ist der Verdacht der Impfpass-Fälschung nicht bestätigt. Sein Ex-Klub Werder Bremen spricht inzwischen von einer "sehr klaren Indizienlage". Zugleich stellt sich die Frage, ob der Trainer sein Umfeld wissentlich getäuscht hat.
Der Profifußball versteht sich bisweilen gerne als Spiegel der Gesellschaft. Da ist es fast schon logisch, dass er von den großen Debatten dieser Zeit nicht verschont bleibt. Doch während es bei Joshua Kimmich und seiner wissenschaftlich nicht gedeckten Meinung, die Corona-Impfstoffe seien noch nicht ausreichend erforscht, eben um Meinungen geht, steht bei Markus Anfang sogar ein strafrechtlich relevantes Verhalten im Raum. "Bundesweit ist das Thema Impfpassfälschung dadurch in den Vordergrund gestellt worden", fasste Werder Bremens Finanzgeschäftsführer Klaus Filbry zusammen, warum Anfang nicht nur seinen Rücktritt anbot, sondern sich mit dem Zweitligisten auch noch kurzfristig auf eine Auflösung seines Vertrages einigte.
Am Donnerstag wurde öffentlich, dass die Staatsanwaltschaft dem Verdacht nachgeht, Anfang habe einen gefälschten Impfnachweis genutzt. Am Freitag noch stellte sich der SV Werder hinter seinen Trainer, hatte zunächst keinen Grund, an dessen Zurückweisung der Vorwürfe zu zweifeln. Bis sich am Freitagabend eine "sehr klare Indizienlage" eröffnete, wie Filbry am Rande des Zweitliga-Topspiels gegen Mitabsteiger FC Schalke 04 (1:1) erklärte. Wenige Stunden vor dem Anpfiff war Anfangs Abgang öffentlich geworden, mit ihm trat auch Co-Trainer Florian Junge zurück, auch gegen ihn wird wegen Verdachts auf Impfpassfälschung ermittelt. Für beide gilt die Unschuldsvermutung.
"Die Vorwürfe sind extrem schwerwiegend", deutete auch Sport-Geschäftsführer Frank Baumann vor dem Schalke-Spiel an, dass es offenbar inzwischen auf Vereinsseite Zweifel an Anfangs ersten Beteuerungen gibt. Der 47-Jährige hatte nach Bekanntwerden der Ermittlungen gesagt, "wie jeder andere doppelt geimpfte Bürger meine beiden Impfungen in einem offiziellen Impfzentrum erhalten und dafür die entsprechenden Aufkleber im gelben Impfpass bekommen" zu haben. Diesen ließ er "anschließend in der Apotheke digitalisieren". Dem Bremer Gesundheitsamt allerdings kamen die Angaben im Zuge einer Kontakt-Nachverfolgung merkwürdig vor. Die "Deichstube" berichtet, dass die Chargennummer des Impfstoffs und ein Impfdatum unstimmig seien. Letzteres überschneide sich mit einem Einsatz als Werder-Trainer. Die Behörde stellte daraufhin Strafanzeige. Anfang selbst hat bisher noch keine Verfehlung zugegeben. Der kurzfristige Rücktritt scheint aber eine Richtung vorzugeben.
Hat Anfang bewusst gelogen?
"Inwieweit der Impfausweis tatsächlich falsch ist, das werden wir zeitnah klären können", sagte ein Sprecher der Bremer Staatsanwaltschaft. Diesen hatte Anfang - und auch Junge - ausgehändigt, nachdem die ermittelnden Behörden einen Durchsuchungsbeschluss erwirkt hatten. Es geht in der Frage der Strafbarkeit wohl vor allem um die Vorlage eines möglicherweise gefälschten Dokuments beim Gesundheitsamt. Als Anfang im Sommer zu Werder wechselte, erklärte er selbst, noch ungeimpft zu sein. Übereinstimmenden Berichten zufolge reichte er den Nachweis dann im Herbst ein. "Sollte sich aber der im Raum stehende Verdacht bestätigen", reagierte die Deutsche Fußball-Liga (DFL) auf die Entwicklungen, "wäre dies ein nicht hinnehmbarer Affront gegenüber allen, die sich in den vergangenen Monaten haben impfen lassen und so ihren Beitrag zur Corona-Eindämmung geleistet haben."
Dabei hatte Anfang noch vor knapp einer Woche der "Bild" gesagt: "Ich bin selbst geimpft, aber jeder darf seine Entscheidung treffen." Mit Blick auf die Äußerungen der Werder-Verantwortlichen deutet vieles darauf hin, dass Anfang bewusst gelogen hat. Einen neuen Job als Trainer dürfte er vorerst nicht finden, die Worte Filbrys ("Die Akte Markus Anfang ist damit für uns geschlossen") dürften auch für andere Klubs gelten. Auch, wenn Werders Finanzchef davor warnte, den Beschuldigten vorschnell öffentlich zu ächten. Was bisher noch kein großes Thema ist, ist die Frage, inwiefern Anfang mit seinem Verhalten sein Umfeld gefährdet haben könnte.
Denn während Joshua Kimmich als Ungeimpfter deutlich häufiger getestet wird als seine geimpften Kollegen, könnte sich Anfang bei Bestätigung der Verdachtsmomente mit einem gefälschten Dokument diesen obligatorischen Kontrollen entzogen haben. Denn er hätte ungeimpft und ungetestet mit den Spielern auf dem Trainingsplatz gestanden, in der Kabine und im Bus gesessen, gemeinsam gegessen. Bei gerade in den vergangenen Wochen massiv steigenden Infektionszahlen. "Solidarisch sein?", fragten die Fans von Anfangs Ex-Klub Darmstadt 98 auf einem Plakat, wenige Stunden nach dessen Rücktritt, die Antwort gaben sie selbst: "Markus, du Anfänger". Sie sind nicht die Einzigen, die eine Impfpassfälschung als aktive Sabotage des Kampfes gegen das Coronavirus verstehen.
Quelle: ntv.de