Fußball

Was das Länderspieljahr 2016 lehrt DFB-Elf muss wieder Weltmeister werden

Bundestrainer Joachim Löw und seine Hochbegabten haben beste Voraussetzungen für die Titelverteidigung in zwei Jahren in Russland.

Bundestrainer Joachim Löw und seine Hochbegabten haben beste Voraussetzungen für die Titelverteidigung in zwei Jahren in Russland.

(Foto: imago/ActionPictures)

Einen einzigen Makel hat das beeindruckende Fußball-Jahr der deutschen Nationalmannschaft, dummerweise kostet der die DFB-Elf den EM-Titel. Das Gute ist: Die Löw-Elf kann es besser - und wird besser. Viel besser.

Wenn Bayerns Thomas Müller als Sinnbild für den aktuellen Zustand der deutschen Fußball-Nationalmannschaft herhalten müsste, es gäbe tüchtig Anlass zur Sorge. Engagiert ja, ansonsten aber glücklos, ein wenig verzweifelt und sehr dünnhäutig. Wenn es also so wäre, würden Fragen gestellt, unangenehme Fragen. Der Bundestrainer würde hart kritisiert und das DFB-Team im Eiltempo enthypt. Dabei will es doch in gut anderthalb Jahren seinen WM-Titel in Russland verteidigen.

Gut, dass Thomas Müller derzeit nicht Sinnbild für den Zustand des DFB-Teams ist.

Gut, dass Thomas Müller derzeit nicht Sinnbild für den Zustand des DFB-Teams ist.

(Foto: Guido Kirchner/dpa)

Weil der Fall Thomas Müller mittlerweile aber gut und gerne völlig isoliert betrachtet werden kann, weil die Männer von Joachim Löw ihren seit Jahren Zuverlässigsten derzeit souverän mitschleppen, weil es für den Erfolg und die Schönheit des Spiels mittlerweile völlig egal ist, ob Müller spielt oder nicht, kommt man nicht umhin, Deutschland als den Top-Favoriten für das Weltturnier 2018 zu nominieren.

Seit zehn Jahren gehört die deutsche Auswahl zu den vier besten der Welt. Keine andere Nationalmannschaft spielt derart konstant auf diesem höchsten Niveau. Keine andere hat sich bei den vergangenen sechs Turnieren immer mindestens für das Halbfinale qualifiziert. Und keinem anderen Nationaltrainer gelingt es so elegant und leise wie Joachim Löw, das Team zu verändern und weiterzuentwickeln. Die beendeten DFB-Karrieren von Miroslav Klose, Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger stressen das Team auf seinem Weg in die Zukunft genauso wenig wie ein Länderspiel in San Marino, mit Ausnahme von Müller natürlich, Aber der ist ja eh ein Einzelfall.

Idee schlägt Kritiker

Joachim Löw musste sich immer wieder Kritik gefallen lassen. Seine Nibelungentreue zu Spielern wie Lukas Podolski oder vermeintlich ungleichgewichtige Nominierungskriterien vor Turnieren bei Langzeitverletzten wie Sami Khedira oder Bastian Schweinsteiger wurden in der Öffentlichkeit häufig negativ bewertet. Der Bundestrainer hat das äußerlich völlig gelassen zur Kenntnis genommen. Er hat eben eine Idee, seine Idee, eine bisher äußerst erfolgreiche. Und die verfolgt er, ohne dabei beratungsresistent zu sein. Das Resultat: Ausgerechnet in einem Jahr, in dem seine Mannschaft das spielerisch vielleicht schwächste Turnier in seiner nun schon seit 2006 andauernden Cheftrainer-Tätigkeit gespielt hat, ist Löw unangreifbarer denn je. Und das nicht bloß wegen seiner vorzeitigen Vertragsverlängerung beim Verband bis 2020.

Das Jahr 2016 hat eine wichtige Erkenntnis manifestiert: Titelgewinne sind nicht planbar. Wenn du trotz deiner besten Turnierleistung im Halbfinale gegen Frankreich ausscheidest und dein erfahrenster Spieler einen bizarren Handelfmeter verursacht, dann ist das ganz sicher auch Pech, bei allem Unvermögen im Abschluss. Und ja, die Chancenverwertung, sie ist die große Baustelle im Team. Sie ist groß, aber beherrschbar – weil identifiziert.

Andere Topnationen tun sich schwerer. Die Spanier damit, ihrer dominierenden Tiki-Taka-Generation geeignete Nachfolger auf den Platz zu stellen. Die Italiener kämpfen mit sich und ihrer Philosophie. Die Franzosen haben Wucht und Griezmann, aber keinen Plan. Brasilien pflegt immer noch seine Wunden. Und Argentinien krampft sich weiter an Lionel Messi. Probleme, die das große Ganze betreffen.

Deutschland kann - und das ist das überragende Pfund für die Zukunft und die ganz große Leistung von Löw und seinem Team – Mannschaftsteile punktuell betrachten. Weil das große Ganze sehr gut harmoniert, können sich die Trainer aktuell auf die Offensive und den erfolgreichen Abschluss konzentrieren. Denn die zentralen Säulen der Abwehr, Torwart Manuel Neuer und die bei aller Erfahrung noch so jungen Innenverteidiger, Jérôme Boateng (28) und Mats Hummels (27), stehen ebenso wie die Mittelfeldachse um Toni Kroos (26) und Mesut Özil (28) seit Jahren für das höchste Gütesiegel im internationalen Fußball: weltklasse. Und die chronische Achillesferse, die Außenverteidigerpositionen (rühmliche Ausnahme war freilich Philipp Lahm), sind links mit dem Kölner Jonas Hector und rechts mit Bayerns Joshua Kimmich sowie deren Herausforderern so gut besetzt, wie lange nicht.

Antworten auf alle Herausforderungen

Er hat alles im Griff.

Er hat alles im Griff.

(Foto: imago/Ulmer)

Die deutsche Mannschaft funktioniert und das seit 2006 immer besser. Die Entwicklung ist beeindruckend, auch wenn sie nur mit einem internationalen Titel belohnt wurde. Löw hat bisher auf alle Herausforderungen und Umbrüche eine Antwort gefunden. Und er wird sie auch für die Offensive finden. Zu groß ist mittlerweile das Potenzial, das ihm die Vereine und deren Nachwuchsabteilungen wieder und wieder zur Verfügung stellen. Und zu flexibel ist der Bundestrainer geworden, um krampfhaft an etwas festzuhalten, das nicht mehr funktioniert.

Um zum Beispiel die durch den Klose-Rücktritt 2014 verlorengegangene Wucht im Zentrum zurückzuholen, reaktivierte er Mario Gomez. Um das allzu passlastige Spiel in die Spitze wieder zielstrebiger werden zu lassen, suchte Löw nach Alternativen, die sich Dribblings zutrauen. Er fand sie mit dem Ex-Schalker Leroy Sané (20 Jahre), mit dem Noch-Schalker Max Meyer (21) und nun auch mit Bremens Serge Gnabry (21).

Der nächste leise Umbruch im DFB-Team ist seit Ende der Europameisterschaft eingeleitet. Die Flut an Talenten in allen Mannschaftsteilen, zu denen auch noch die alle bereits eingesetzten Leon Goretzka (Schalke/21), Benjamin Henrichs (19), Julian Brandt (20) und Jonathan Tah (alle Leverkusen), Julian Weigl (Dortmund/21), Yannick Gerhardt (Wolfsburg/22) und Niklas Süle (Hoffenheim/21) gehören, drängt in den Kader. Sie alle stützen das Ansinnen Löws, den Konkurrenzkampf noch einmal zu erhöhen, die Leistungen der Topkräfte um Özil, Kroos, Götze, Hummels, Boateng oder zunehmend auch wieder dem gesunden Ilkay Gündogan konstant hochzuhalten. Und das gelingt bislang prima.

"Ein neuer Zug"

"Es war schon im September ein neuer Zug drin", erinnerte Hummels vor dem Länderspiel-Abschluss gegen Italien an den Neustart nach der EM. Er und seine Kollegen, die alten wie die neuen, hätten sich vorgenommen, sich noch einmal zu verbessern, nachdem die Qualifikation für das Turnier in Frankreich ja nicht ganz so berauschend verlaufen sei und das Turnier selbst trotz wieder einmal erreichtem Halbfinale dann ja auch nicht. "Es war ein gutes, aber kein herausragendes Jahr", bilanziert Hummels folgerichtig. Aber er betont eben auch: "Die Stimmung ist gut. Wir haben eine gute Arbeitsatmosphäre in der Mannschaft, wenn man das so nennen darf."

Und ja, das darf er, sowohl die Resultate als auch das Spiel können sich sehen lassen. Nach der EM hat die DFB-Elf in sechs Partien noch kein Gegentor kassiert. Beim Bye-bye-Basti-Spiel in Mönchengladbach gab's ein 2:0 gegen Finnland, auch die bisher vier WM-Qualifikationsspiele gewann sie ohne Gegentor: am 4. September mit 3:0 in Norwegen, am 8. Oktober in Hamburg mit 3:0 und aufblitzender Brillanz gegen Tschechen, souverän mit 2:0 gegen Nordirland drei Tage später in Hannover und am vergangenen Freitag mit 8:0 in San Marino. Das 0:0 am Dienstag in Mailand war ordentlich - und auch nur ein Test.

Hummels sagt zwar trotzdem: "Das sind erst vier Spiele, wir sind noch nicht qualifiziert. Das sind Grundlagen für den Erfolg, aber noch keine Garantie." Und Garantien für die WM-Qualifikation und den Titel gibt es ja keine, das stimmt schon, auch wenn der einfach nur logisch wäre. Aber es sieht verdammt gut aus – weil Thomas Müller aktuell eben kein Sinnbild ist.

Die DFB-Einsatzstatistik als Grafik für Mobiluser

Quelle: ntv.de

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