Windhorst macht's wie Klinsmann Das explosive Ende einer unsäglichen Posse
05.10.2022, 19:31 Uhr
Lars Windhorsts Zeit bei Hertha BSC ist wohl vorbei.
(Foto: IMAGO/Bernd König)
Hertha BSC erlebt sein nächstes Facebook-Schlamassel: Investor Lars Windhorst kündigt im Stile Jürgen Klinsmanns das Ende seines Engagements beim Klub an. Statt der bitternötigen Ruhe erlebt der Hauptstadtklub wieder Absurdität, Spott und Irrsinn. Doch das Ganze ist auch eine Chance für Hertha.
Dass es wieder Facebook ist, irgendwie passt das zu Hertha BSC. Ein bisschen altbacken. Aus der Zeit, taumelnd und unpersönlich. Nach 80 turbulenten Tagen trat Jürgen Klinsmann Anfang 2020 vom Traineramt in einem mittlerweile berüchtigten Facebook-Video zurück. "HaHoHe, Euer Jürgen." Es war ein Dienstagvormittag. Nun ist es ein Mittwochnachmittag und Lars Windhorst haut ebenfalls auf dem in die Jahre gekommenen sozialen Medium in die Tasten. Der in der Hauptstadt unbeliebte Investor schreibt, er möchte mit seiner Tennor Holding das Engagement bei dem Bundesliga-Klub beenden. Ein HaHoHe hinterlässt er nicht.
Für 374 Millionen Euro kaufte Windhorst 2019 Mehrheits-Anteile an der Alten Dame. 64,7 Prozent. Die will er jetzt zum gleichen Kaufpreis loswerden. Käufer dürften, gelinde gesagt, nicht gerade Schlange stehen. Zu dem ursprünglichen Preis schon mal gar niemand. Sowohl Hertha als auch Windhorst sollen schon den Markt sondieren, aber der Nachfolger für Klinsmann war sicherlich einfacher zu finden. Denn wer will (oder sollte, bei gesundem Menschenverstand) sich dieses Hauptstadt-Schlamassel mittlerweile noch antun?
Seit Jahren sucht Hertha eigentlich nur ruhiges Fahrwasser. Gerade nach der katastrophalen letzten Saison, als man erst in der Relegation die Klasse hielt. Nun setzt es statt Ruhe erneut Absurdität, Lärm und Irrsinn. Die Windhorst-Posse ist wohl beendet, der Ruf des Klubs jedoch ist weiter ruiniert. Das Netz spottet. Wieder einmal. Wie soll es auch anders sein bei dem Verein, der einst doch ein "Big City Club" werden sollte. Die Herthaner atmen einerseits auf, weil der Investor wohl weg ist. Doch andererseits raufen sie sich die Haare und lassen sich Mitte der Woche ein extra Engelhardt in der Eck-Kneipe ihres Vertrauens zapfen. Denn wieder einmal stehen sie vor einem Scherbenhaufen.
Mahnmal für 50+1
Allein eine kurze Zusammenfassung der Geschehnisse liest sich schon wie Real-Satire: Nachdem Windhorst über Jahre viele Millionen in den Verein pumpt, Dutzende Spieler verpflichtet und wieder abgegeben werden und der x-te Neuanfang eingeläutet wird, stellt sich trotzdem kein sportlicher Erfolg ein. Weil der Investor aber wohl mehr Mitsprache im Verein haben will, soll er laut "Financial Times" eine Spionage-Affäre gegen den damaligen Präsidenten Werner Gegenbauer begonnen haben. Mittels einer gekauften Schmierkampagne und falschen Social-Media-Accounts (diesmal nicht nur Facebook!) sind angeblich Fans und Klub manipuliert worden, bis Gegenbauer tatsächlich zurücktritt. CDU-Großspender Windhorst will daraufhin mutmaßlich den CDU-Mann Frank Steffel, der 2001 noch Regierender Bürgermeister werden wollte, zum neuen Präsidenten wählen lassen. Aber Kay Bernstein, der Ex-Ultra, prescht dazwischen und gewinnt die Wahl. Die angebliche Spionage-Affäre kommt bald darauf ans Licht, weil der Investor seine angeheuerten Unfugstifter wohl nicht ordentlich bezahlen will. Uff.
Windhorst weist die Spionage-Berichte als Unsinn von sich. Die Akten zur Zusammenarbeit von für die Schmierkampagne beauftragte israelische Firma Shibumi und Tennor, die ntv.de vorliegen, zeigen jedoch, dass Windhorsts Beschreibung der Sachlage alles andere als solide und glaubhaft ist.
Kurz darauf will der Investor sein Engagement bei Hertha BSC beenden. Ob er mit seinem Statement dem Rausschmiss nur zuvorkommt, sei dahingestellt. Hertha und Windhorst richten sich gegenseitig zugrunde. Und beweisen auf beeindruckende, filmreife Art und Weise, warum die 50+1-Regel Sinn ergibt. Welches Ende und welchen Ausgang diese Schlammschlacht nun auch finden wird, das nächste spektakulär traurige Kapitel der Hertha ist geschrieben. In der Geschäftsstelle im Friesenhaus wie auf Facebook.
Allerdings birgt der Abschluss dieser Posse auch eine Chance. Denn die neue Vereinsführung kann sich nun von den Strukturen lösen, die genau gegenteilig sind zu dem, wofür sie stehen will. Eine Art Neugeburt durch das größtmögliche Chaos. Kann dieser Neustart, der diesmal nicht nur die Mannschaft betrifft und der auch die Fans in Überlegungen mit einbezieht, im Klub wirklich langfristig etwas verändern? Sieht die Bundesliga bald die neue Hertha?
HaHoHe, Euer Elon?
Die Verantwortlichen der letzten Präsidentschaft, die Hertha den Schlamassel eingebrockt haben, sollten aber im Olympiastadion zukünftig lieber unerkannt bleiben. Dass Windhorst vielleicht nicht der seriöseste Geschäftspartner ist, das hätte die Alte Dame mit ein paar kurzen Blicken auf seine verstrickten und manchmal durchaus dubios anmutenden Firmengeflechte und vielen Gerichtsfälle allerdings vor Vertragsunterschrift schnell herausfinden können. Viele Herthaner erwarteten genau dieses erdbebenartige Ende vom ersten Tag des Investments an. Der CDU-nahe Unternehmer Windhorst, "Wunderkind" Helmut Kohls, und Hertha - das passte irgendwie nie.
2020 beschwerte sich Windhorst übrigens über Klinsmanns Art und Weise des Rücktritts via soziale Medien. "Das kann man als Jugendlicher vielleicht machen, aber im Geschäftsleben, wo man unter Erwachsenen ernsthafte Vereinbarungen hat, sollte so etwas nicht passieren", sagte er damals. Nun ja, rückblickend passt auch die bittere Ironie dieses Satzes zu der gesamten Posse.
Gut für die Hertha ist immerhin: Falls der Klub genug von Facebook-Schlamasseln hat, gibt es zum Glück etliche (noch) nicht abstürzende soziale Medien für neue Real-Satire. Hätte der Verein mittlerweile nicht eine neue Vereinsführung, würden die Herthaner der Alten Dame wohl sogar zutrauen, dass es jetzt, da Brandenburgs Tesla-Mogul Musk wirklich Twitter kaufen will, bald hieße: HaHoHe, Euer Elon.
Quelle: ntv.de