"Meine Güte. Seid ihr geisteskrank?" Der BVB zittert vor Psycho-Klopp
07.04.2016, 15:08 Uhr
Jürgen Klopp setzt gegen Ex-Klub Dortmund auf bekannt-bewährte Psycho-Spielchen.
(Foto: dpa)
Er ist wieder da. Klub-Ikone Jürgen Klopp bittet Borussia Dortmund mit seinem FC Liverpool zum Europa-League-Rendezvous. In Dortmund findet man das schrecklich schön, der Rummel ist enorm und irritiert selbst Klopp.
Worum geht es?
"Das Album vollenden, Ihr habt's in den Händen" - Das hatte die Dortmunder Südtribüne dem BVB und Coach Thomas Tuchel vor dem Start in die Europe-League-K.o.-Runde per hübscher Choreographie mit auf den Weg gegeben. Das erklärte Ziel von Fans und Verein: Basel, 18. Mai 2016, St.-Jakob-Park, Finale 2016. Nach dem überraschend souveränen Weiterkommen gegen Champions-League-Absteiger FC Porto und Englands Meisteraspirant Tottenham Hotspur steht für die Dortmunder vor der Eroberung des fehlenden Cups jetzt erst einmal die Heimkehr des verlorenen Klopp, Jürgen mit Vornamen, an.
Ausgerechnet Klopp der Baumeister, der den BVB in sieben Jahren vom Zwergriesen wieder zum Großklub aufgebaut hatte. Zum Meister, Double-Sieger, Champions-League-Finalisten mit gelebter Fußballromantik - ehe eines der schönster Ballsportmärchen der letzten Jahrzehnte im letzten Sommer abrupt zu Ende gegangen war. Nun kehrt der BVB-Rekordtrainer nur zehn Monate nach seinem letzten Heimspiel wieder nach Dortmund zurück. Mit dem FC Liverpool, zu dem der BVB eine ganz spezielle Verbindung pflegt, nicht nur wegen des Pokalsiegerfinals 1966 und der entliehenen Hymne "You'll never walk alone", die alle Zuschauer laut BVB-Stadionsprecher Norbert Dickel gemeinsam singen wollen. Und deshalb geht es an diesem 7. April ab 21.05 Uhr in Dortmund neben großen Zielen und einem übergroßen Hype auch um: große Gefühle beim Duell zweier großer Vereine vor großer Kulisse mit großartigen Fans. Könnte großes Fußballkino werden.
Wie ist die Ausgangslage?
BVB-Boss Hans-Joachim Watzke wollte Jürgen Klopp nie feuern. Musste er auch nicht, Klopp ging freiwillig zwei Jahre vor Vertragsende. Jetzt kommt er zurück - und macht seinem Freund Aki Watzke Angst. Womit genau? "Am meisten fürchte ich, dass er versucht, uns einzulullen", sagte Watzke im ZDF-Sportstudio, "Meine Sorge ist, dass er die Fans auf seine Seite bringt und es Freundschaftsspiel-Atmosphäre gibt. Das wäre der größte Fehler, den wir alle machen können. Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht einseifen lassen." Grund sind neben Klopp-Verehrung in Dortmund die berüchtigten Schmeicheleien des Menschenfängers, der den BVB in seiner Dortmund-Zeit nicht nur zum Bundesliga-Meister, sondern auch zum Meister der Tiefstapelei gemacht hatte mit Koketterie an der Grenze des Erträglichen. Vor seiner Rückkehr in den Pott mit Liverpool schwärmte er nun: "Wir wissen alle, wie unfassbar stark Borussia Dortmund ist und dass es der haushohe Favorit in diesem Wettbewerb ist."
Borussia Dortmund: Weidenfeller - Piszczek, Hummels, Sokratis, Schmelzer - Durm, Weigl, Castro - Mchitarjan, Aubameyang, Reus. - Trainer: Tuchel
FC Liverpool: Mignolet - Clyne, Lovren, Sakho, Moreno - Henderson, Can - Lallana, Firmino, Coutinho - Sturridge. - Trainer: Klopp
Schiedsrichter: Carballo (Spanien)
BVB-Trainer Tuchel nahm diese Schmeicheleien nonchalant auf. Als Klopps Nachnachfolger in Mainz hat Klopps Nachfolger in Dortmund reichlich Erfahrung darin, mit einem früheren Klopp-Team auf Klopp zu treffen. Und er weiß um die Auswüchse des Personenkults und die Psychotricks: "Jürgen Klopp hat vor jedem Spiel von Borussia Dortmund gegen Mainz gesagt, dass Mainz Favorit ist. Und Sie haben ihm das jedes Mal geglaubt." Und fast immer verloren. Klopp betonte zwar ausdrücklich, er wolle unbedingt gewinnen und "bei einem Tor von Borussia Dortmund werde ich sicher nicht jubeln". Andererseits stellte er seine Rückkehr zum BVB gegenüber Sport1 als eine Win-Win-Situation dar: "Früher haben wir zusammen gejubelt, jetzt jubelt am Ende nur einer - das ist ja besser als gar keiner." Einlull-Alarm!
Wie ist Dortmund drauf?
Auch wenn er langsam Routine darin bekommt: Es sei "nicht leicht" gewesen, wie schon in Mainz erneut Klopps Nachfolge anzutreten. Das sagte Thomas Tuchel vor dem neuerlichen Wiedersehen und zeigte sich demütig: "Was wir jetzt sind, sind wir auch, weil die Geschichte mit Jürgen vorher so war." Unverkennbar ist aber, dass Tuchel auf dem zuletzt etwas bröckelnden Fundament eine neue, stabilere Borussia errichtet hat. Den Vollgas-BVB der Klopp-Ära hat er auf allerhöchstes Niveau zurückgebracht und weiterentwickelt. Die Dortmunder spielen jetzt reifer, abgeklärter, geduldiger, taktisch extrem flexibel, beherrschen Ballbesitz- und Konterfußball, können laut Klopp "sogar noch ein historisches Triple gewinnen" (Alarm!) - und haben nach der unerwartet famosen ersten Halbserie unter Tuchel nach der Winterpause noch einmal einen Qualitätssprung gemacht. In den 16 Pflichtspielen des neuen Jahres ist der BVB ungeschlagen, bei 14 Siegen. Zudem hat es sich Dortmund abgewöhnt, Gegentore zu kassieren. Gibt es doch mal welche, wie am Wochenende gegen Werder Bremen, dann wechselt Tuchel einfach Tore ein und die Dortmunder legen in der Offensive nochmal zu. "Es war ein außergewöhnlicher Sieg in einer außergewöhnlichen Atmosphäre", schwärmte er hinterher ganz hingerissen und klang wie Klopp. Gegen Klopp kann er seine Dortmunder fast in Bestbesetzung antreten lassen. Lediglich Spielmacher Ilkay Gündogan ist wegen einer Fußprellung fraglich. Weiterer Vorteil Dortmund: Nach Titeln führt der BVB mit 28:13, hat der "Kicker" nachgezählt. Klare Sache also.
Was macht der FC Liverpool?
Die Saison des einstigen Rekordmeisters bleibt eine Achterbahnfahrt. Sporadische Gala-Auftritte, dramatisch erreichtes und dann dramatisch verlorenes Ligapokalfinale, Europa-League-Triumph über Erzrivale Manchester United in der "Mutter aller Spiele", und zwischendurch immer wieder Rückfälle ins Mittelmaß. Aktuell liegt Liverpool auf Rang neun der Premier League, bei zwei Spielen weniger als die Konkurrenz ist die Qualifikation für die Europa League weiter eine realistische Option. Und hätte Liverpool vor der Länderspielpause nicht eine 2:0-Halbzeitführung in Southampton hergeschenkt, wäre sogar noch ein Angriff auf die Champions-League-Ränge möglich gewesen. Klopp findet, das Tabellenbild spiegelt Liverpools Fähigkeiten nicht korrekt wider. Und wenn der Liverpool-Coach feststellt, die Dortmunder "spielen die bessere Saison, die stabilere", dann hat er damit ganz einfach recht.
Genauso richtig ist aber auch, was BVB-Coach Tuchel über den FC Liverpool sagt: Dass er dort "Klopps Handschrift, eine Entwicklung und herausragende individuelle Klasse" erkennt. Die individuelle Klasse hat Liverpool vor allem in der Offensive um den englischen Nationalstürmer Daniel Sturridge, den brasilianischen Feingeist Philippe Coutinho und dem zwischenzeitlich als Flop abgestempelten Ex-Hoffenheimer Roberto Firmino. Hinter dem Einsatz von Liverpools bestem Ligatorschützen steht noch ein Fragezeichen. Dennoch: Wenn diese Offensive in Dortmund ein Tor erzielt, wird Klopp es bejubeln.
Was gibt es sonst noch?
Mehr als 40 Fotografen bei Liverpools Pressekonferenz, die mit schwarzgelbem Absperrband vom Podium ferngehalten werden mussten. "Meine Güte! Seid ihr geisteskrank?", entfuhr es Klopp lachend im Blitzlichtgewitter. Und dann gibt es noch die "KloppCam". Und wenn sie den trotz des ganzen Brimboriums und angetragenen Präsentkörben um Normalität und das Sportliche ("Rein theoretisch könnten wir ja jetzt über Fußball sprechen") bemühten Jürgen Klopp so richtig fassungslos machen möchten, dann müssen sie ihn einfach darauf ansprechen. Wie der "Guardian", der den Liverpool-Coach damit im Interview kalt erwischte. "Es gibt was?", antwortet der entgeistert auf die Frage, ob die "KloppCam" zu den von Klopp beklagten Auswüchsen des Hypes um ihn und das Spiel gehöre. Auf die Erklärung des "Guardian", dass zur sechsstündigen Berichterstattung von Sport1 zum Duell Ex-Klopp-Team gegen Jetzt-Klopp-Team auch eine 90-minütige Klopp-Beobachtung via eigener Kamera gehört, reagiert der erneut entgeistert: "Wenn jemand doof genug ist, 90 Minuten mein Gesicht sehen zu wollen, kann ich das nicht ändern." Er könne allerdings nicht glauben, dass das stimme: "Aber wenn es so ist, muss ich darüber nachdenken, ob ich mit diesem TV-Sender in meinem Leben noch einmal rede. Ich denke nicht, wenn ich nicht muss."
Quelle: ntv.de