
Avdijajs Zeit in Emmen ist schon wieder vorbei. Ihn zieht's nach Zypern, dabei träumt er von Schalke.
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Beim FC Schalke holen sie in ihrer Krisen-Verzweiflung Ex-Stars zurück. Doch der eine, der öffentlich von einem Comeback beim Fußball-Bundesligisten träumt, ist nicht dabei: Donis Avdijaj. Stattdessen wechselt er zum siebten Klub in zweieinhalb Jahren. Die große Karriere scheitert wohl am Ego.
Beim FC Schalke 04 herrscht die große Sehnsucht nach der Vergangenheit. Der gebeutelte Fußball-Bundesligist setzt in der ganz großen Krise darauf, dass früher alles besser war. Und beordert Sead Kolasinac und Klaas-Jan Huntelaar zurück ins Team, die den quasi besiegelten Abstieg irgendwie noch verhindern sollen. Hinten macht der eine alles dicht, vorn schießt der andere die Gelsenkirchener von Sieg zu Sieg - bislang hat das nicht geklappt. Doch mit den beiden ist noch nicht genug Vergangenheitsverklärung beim FC Schalke eingezogen. Zuvor hatten die es bereits mit Huub Stevens als Trainer versucht, zumindest für zwei Spiele übergangsmäßig. Kritiker hatten bereits gespottet, ob man jetzt auch noch Benedikt Höwedes zurück aus dem Ruhestand quatscht oder womöglich sogar Yves Eigenrauch, der zu den Eurofightern von 1997 gehörte. Nur von einem sprach niemand: Donis Avdijaj.
Dabei galt der mittlerweile 24-Jährige mal als Riesentalent für die Offensive. Auf Schalke. Dort, wo er 2013 in die Jugend kam, nur ein Jahr später aufstieg und schließlich mit mehreren Leih-Unterbrechungen bis 2018 spielte. Der Klub sicherte sich sogar mit der damaligen Rekordklausel von 48,5 Millionen Euro ab, so viel Potenzial sahen sie in ihrem Top-Talent. Und das, obwohl der in Osnabrück geborene Kosovare schon in der U19 kein Stammspieler mehr war. Neun Bundesliga- und drei Europa-League-Spiele absolvierte Avdijaj für die Königsblauen. Nur.
Talent hatte er en masse, doch es waren wohl sein Ego und eine Menge Flausen, die ihm im Weg standen. Im Juli 2017 war er endgültig aus dem Profikader verbannt worden, aufgrund von "fragwürdigem Verhalten auf und abseits des Platzes" sowie "fehlender sportlicher Leistung". Heidel hatte damals laut "Bild" gesagt: "Donis stellt seinen Gemütszustand gerne nach außen dar. Ab und zu muss er in den Spiegel schauen, um sich zu hinterfragen. Trainieren, ohne zu mosern. Dass der Coach nicht so zufrieden mit ihm ist, hat ja Gründe."
Domenico Tedesco war es, der damals die Reißleine zog. Zuvor war Avdijaj schon bei etlichen Trainern angeeckt, auch bei seinem damaligen Förderer Jens Keller, der ihn schon in der Jugend trainierte und in den Profikader hochzog. Der ihn aber auch mal knallhart auf die Bank setzte, wenn er mal wieder zu eigensinnig war. Was Avdijaj aber nicht zum Einlenken brachte: "Er wollte wohl die Gegner schonen …", war eine Reaktion auf eine solche Strafe. Bis es 2018 zu viel wurde und er die Wahl hatte: Fünfte Liga mit Schalkes Zweiter oder Abschied.
Sieben Klubs in zweieinhalb Jahren
Was folgte, ist eine Neverending Story. Leihe zu Roda JC in die Niederlande, Wechsel zu Willem II, ebenfalls Niederlande, Vereinslosigkeit, Wechsel zu Trabzonspor in die Türkei, Wechsel zu Heart of Midlothian nach Schottland, Vereinslosigkeit, Wechsel zum FC Emmen, wieder Niederlande. Das war am 12. November. Doch auch dort, beim 18. und damit Tabellenletzten der Eredivisie, ist schon wieder Schluss. Nach nur zweieinhalb Monaten zieht Avdijaj weiter. Diesmal nach Zypern, zu AEL Limassol, das gab der Verein am Montag bekannt. Sieben Klubs in nur zweieinhalb Jahren, das frühere Schalke-Talent ist nirgendwo richtig angekommen. Für keinen Verein absolvierte er mehr als ein Dutzend Spiele.
Dabei müssen ja alle Gründe für einen Transfer des Rastlosen gehabt haben. So wie der FC Emmen, wo Geschäftsführer Ronald Lubbers Mitte November sagte: "Wir hatten Donis seit einiger Zeit im Test und haben einen sehr positiven Eindruck gewonnen. Wir sehen ihn hauptsächlich auf der linken Außenbahn, aber er kann auch auf den anderen vorderen Positionen spielen. Wir hoffen, dass er wieder zeigt, wozu er fähig ist." Doch in den zehn Spielen, die er für die Niederländer absolvierte, war Avdijaj nicht an einem Tor beteiligt. Und Lubbers klingt nach dieser kurzen Zeit ebenfalls verändert: "Er ist nicht der geduldigste Spieler, deshalb haben wir ihm den Raum gegeben, einen anderen Verein zu finden."
Guter Rat an Moukoko
Der andere Verein ist also AEL Limassol. Dabei hatte Avdijaj selbst im September 2020 bekräftigt, dass es ihn nach seinem Vertragsende bei Midlothian zurück nach Deutschland ziehe. Zurück in die Bundesliga wolle er, sagte er im Interview mit transfermarkt.de. Er wirkt geläutert, sagte etwa: "Der frühere Donis dachte, er kann sich auf sein Können allein verlassen und braucht keine professionelle Unterstützung. Heute weiß ich, dass man diese Unterstützung braucht, viel Training, Fleiß und Verständnis. Auch Geduld, um die richtigen Entscheidungen zu treffen." Seinem Nachfolger als Rekordtorschützen in der U17-Bundesliga - niemand geringeres als BVB-Youngster Youssoufa Moukoko - hat er laut eigener Aussage gar geraten: "Auf dem Boden bleiben, hart arbeiten und nie das Ziel aus den Augen verlieren." Er selbst hat damals nicht darauf gehört.
Stattdessen träumte er schon 2014 vom Duell mit Weltfußballer Cristiano Ronaldo in der Champions League, der Portugiese und Lionel Messi seien die einzigen beiden, an denen er sich orientiere. Nur die Besten waren dem aufstrebenden Offensivmann genug. Und abseits des Platzes? Da protzte er bei Facebook mit seinem 150.000-Euro-Mercedes. Da verlor er seinen Führerschein, weil er beim Überfahren einer roten Ampel beinahe eine Fußgängerin angefahren hatte, Fahrerflucht beging und dann beim Einparken auch noch zwei Autos gecrasht hatte.
Auch kuriose Interviews, in denen er gefragt wurde, was er mit dem Gewinn von 15 Millionen Euro machen würde, halfen ihm nicht bei der positiven Imagepflege. Seine Antwort lautete nämlich: "Ich würde mir ein Schwimmbad bauen und dann reinspringen und schwimmen. Und mir dann so rundherum Pferde kaufen, die mir dabei zugucken. Und wenn ich dann rausgehe aus dem Geldschwimmbad, auf so ein Pferd gehen und wegreiten." Einem Fußball-Talent, das noch nichts erreicht hat, fällt das natürlich vor die Füße.
"Habe Schalke 04 sehr viel zu verdanken"
Aufgrund fehlenden sportlichen Erfolgs und langjähriger Bundesliga-Abstinenz ist es um den inzwischen 24-Jährigen deutlich ruhiger geworden. Auch für die Nationalmannschaft des Kosovo war er schon länger nicht im Einsatz, zuletzt spielte er Ende 2018 in der Nations League. Der letzte Eintrag auf seinem Instagram-Account datiert von Ende November 2020 und zeigt ihm im Spiel für Emmen. Es wirkt, als sei Avdijaj gereift. Das zeigt sich auch im Interview mit transfermarkt.de, in dem er bekennt, dass er vieles rückblickend anders machen würde. Eins aber bleibt: Die Zeit auf Schalke will er nicht missen.
Noch mehr gar: "Ich habe Schalke 04 sehr viel zu verdanken und natürlich hängt mein Herz an diesem fantastischen Klub und seinen Fans. Schalke wird auch wieder bessere Zeiten erleben, davon bin ich überzeugt." Und dann erklärt er noch: "Klar würde ich herzlich gern wieder für Schalke spielen wollen. Zu jedem Zeitpunkt." Doch auf Schalke hat man seinen Wunsch nicht erhört.
Statt mit Kolasinac und Huntelaar in der Bundesliga gegen den Abstieg zu kämpfen, spielt er um den Titel in der zypriotischen Protathlima Cyta. Auf Platz drei rangiert AEL Limassol, hat sogar noch ein Spiel weniger absolviert als Stadtkonkurrent und Tabellenführer Apollon, das fünf Punkte mehr auf dem Konto hat. Dort unterschrieb er bis 31. Mai 2023 - und womöglich findet Avdijaj in Limassol diesmal wirklich eine sportliche Heimat.
Quelle: ntv.de