Fußball

Bayerns Mini-Kader, kein Abgang? Der Leidtragende ist wieder Jérôme Boateng

Wohin führt der Weg von Jérôme Boateng?

Wohin führt der Weg von Jérôme Boateng?

(Foto: imago images/MIS)

Mit einem Rumpfkader bereitet sich der FC Bayern im Trainingslager auf die Rückrunde vor. Ein Zustand, den Hansi Flick gerne ändern möchte. Er fordert Neuzugänge. Sportdirektor Hasan Salihamidzic hat dafür Verständnis, bremst aber. Für Jérôme Boateng ist das nicht gut.

Für Jérôme Boateng war es ein unspektakuläres Trainingslager in Doha. Klar, er hatte zwischenzeitlich mal seine Kontaktlinse verloren, nach einem Zweikampf mit dem eifrigen Thomas Müller. Und einmal hatte er bei einer Spielvariante in kleinen Gruppen mit den Nachwuchsspielern rangemusst. Aber weder fehlten ihm während der Rückrunden-Vorbereitung des FC Bayern dauerhaft der Durchblick noch ließ er sich sichtbar hängen. Er, der Reservist, der die Münchner doch seit längerer Zeit verlassen möchte. Und dem der Klub über Patriarch Uli Hoeneß im Sommer nach einem eigenartigen Auftritt nach der Meisterfeier gar einen Wechsel dringend nahelegte. Daraus wurde nichts. Ein möglicher neuer Arbeitgeber könnte nun der FC Arsenal sein, aber auch die Tottenham Hotspur werden mal mehr mal weniger intensiv diskutiert.

Für Boateng, der in den vergangenen anderthalb Jahren auch schon kurz vor Wechseln zu den Topklubs Paris St. Germain oder Juventus Turin stand, wären das solide Adressen, um den harten Karriereknick vom Heldengrätscher zum Nothelfer zu begradigen. Doch die Hoffnungen sich endlich aus dem Münchner Reservistentief zu befreien haben in den Tagen von Doha den nächsten herben Dämpfer erhalten. So wurde die Kadergrößekleine im Trainingslager zum Thema gemacht. Von Trainer Hansi Flick, der das Aufgebot mit den vielen Verletzten aktuell für "nicht optimal aufgestellt" sieht und sich "mindestens zwei neue Spieler wünscht." Und vom verstimmten Hasan Salihamidzic, der nach der Ansage via "Süddeutscher Zeitung" plötzlich unter großem Handlungsdruck steht, den aber gleichermaßen höflich wie bestimmt abbügelt: Wintertransfers? Gerne, wird aber schwierig.

Gesucht sind Spieler, die den Münchnern sofort weiterhelfen würden. Topspieler, wie Salihamidzic erklärte. Die aber würden im Winter von ihren Klubs eher nicht freigegeben. Resultat: Besonders weit sei man im Bemühen um Neuzugänge bislang noch nicht. Nun, drei Wochen bleiben noch Zeit, um den Dissens zwischen Trainer-Wünschen und Sportdirektor-Möglichkeiten zu klären. Dabei hat sich Salihamidzic auch direkt frühzeitig die Deutungshoheit gesichert. Egal, was bis zum 31. Januar, bis zum Transferschluss noch passiert. Auch ohne frisches Personal, so sagte er am Donnerstag in Doha, seien die Ziele des FC Bayern, die sind seit jeher ambitioniert, nicht in Gefahr. Flick teilt das nicht. Er fühlt das Gegenteil. Für größte Ambitionen und Titel brauche es "einen Kader, der in der Tiefe genügend Substanz und Qualität besitzt".

Eigentlich verzichtbar

Für die offensiven Bahnen hätte der Coach gerne noch einen Mann. Noch dringender aber für die Abwehr, im speziellen für die Position des Rechtsverteidigers. Diese Planstelle ist für Flick elementar wichtig, denn er will Joshua Kimmich dauerhaft als Sechser im Mittelfeld etablieren. Aktuell bliebe nur Benjamin Pavard, für den es aber keinen Ersatz gibt und der außerdem in der Innenverteidigung aushelfen muss, wo Niklas Süle und Lucas Hernandez als Stammkräfte nicht verfügbar sind. Und Boateng eigentlich nicht gebraucht wird. Auch weil David Alaba eine überraschende Metamorphose vom Linksverteidiger zum Abwehrchef vollzog und sich der einst ungezügelte Flügelstürmer Alphonso Davies in dieser erzwungenen Personalrochade als überraschend taugliche Abwehralternative auf Links anbot.

Wann immer es die Kaderlage hergab, saß Boateng auf der Bank. Stand er auf dem Platz, spielte er indes meist solide, manchmal aber auch fürchterlich schlecht. Bei der 1:5-Katastrophe in Frankfurt, nach der Coach Niko Kovac gefeuert wurde, flog er bereits nach neun Minuten vom Feld. Beim 6:1-Erfolg gegen Werder Bremen bekam er die "Kicker"-Note 5,0. In beiden Partien ließ er sich mühelos von seinem Gegenspielern überlaufen. Mitunter wirkte er ziemlich desinteressiert am Geschehen. In der regelmäßig erscheinenden "Kicker"-Rangliste wird er gar nicht mehr aufgeführt, anders beispielsweise als der bei Hoffenheim degradierte Kapitän Kevin Vogt, Union Berlins Keven Schlotterbeck oder der nicht immer sattelfeste Sebastian Bornauw vom 1. FC Köln.

Es ist ein Umfeld (oder eben nicht), das nicht dem Selbstverständnis des Weltmeisters entspricht. Der 31-Jährige traut sich immer noch zu mit einem Klub die Champions League zu gewinnen. Als Stammspieler. Beides scheint in dieser Saison in weiter Ferne. Ebenso wie der Wechsel. So hatte Flick noch am Sonntag gesagt: "Jérôme ist ein Spieler des FC Bayern. Er hat im Urlaub gut trainiert. Ich bin sehr gespannt, wie die nächsten Wochen aussehen. Ich vergeude im Moment keine Gedanken damit, ob er wechselt. Ich kann es mir im Moment nicht vorstellen." Und was sich der Trainer schon zu Beginn des Trainingslagers nicht vorstellen konnte, ist durch den Kaderdissens nun noch unwahrscheinlicher geworden - zum Leidwesen von Boateng. Wieder einmal.

 

Apropos Kaderdissens: Beim FC Bayern ist jetzt der Sportdirektor gefragt: Nachdem Hansi Flick öffentlich personelle Verstärkungen gefordert hat, muss Hasan Salihamidzic nun liefern. Auf die Ansage seines Trainers reagiert er indes mit einem Rüffel - und einer ernüchternden Nachricht. Den Text gibt's hier!

Quelle: ntv.de

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