Fußball

Müller: "Wasserschlacht? Nie gehört" Der Regen spülte die DFB-Elf ins WM-Finale

3. Juli 1974: In Frankfurt, hier Gerd Müller am Ball, findet so etwas ähnliches wie ein Fußballspiel statt.

3. Juli 1974: In Frankfurt, hier Gerd Müller am Ball, findet so etwas ähnliches wie ein Fußballspiel statt.

Deutschland spielt Fußball gegen Polen? In Frankfurt? Das war doch was. Stichwort: Wasserschlacht, WM 1974. Im Nachbarland kennt jedes Kind dieses legendäre Spiel. Nationalspieler Thomas Müller nicht. Er ist ja auch kein Pole.

Ernsthaft? Kein Schimmer, und sei es ein blasser? Da dämmert nichts? "Ich lüg' ja nicht, wenn ich sag, ich hab' noch nie von der Wasserschlacht in Frankfurt gehört." Thomas Müller meinte es am Mittwoch ernst, als er das sagte. Dabei ist die Geschichte dieses Fußballspiels viel zu gut, um vergessen zu werden. Das Problem für den Nationalspieler Müller ist nur, dass es vor 41 Jahren stattfand, die einzigen greifbaren Verbindungen zwischen ihm und diesem historischen Ereignis der Spielort und der Gegner sind - und er nichts damit anfangen kann. Wenn er heute (ab 20.45 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) mit der deutschen Nationalelf im Bemühen um die Qualifikation zur Europameisterschaft in Frankfurt gegen Polen spielt, ist das auch eine Neuauflage der Partie vom 3. Juli 1974. Nur Müller wusste das nicht.

Wie auch? Aus eigener Anschauung heraus jedenfalls nicht. Der Offensivspieler des FC Bayern kam am 13. September 1989 auf die Welt. 15 Jahre zuvor ging es in Frankfurt im letzten Spiel der Zwischenrunde darum, ob die Polen oder die Deutschen ins Endspiel der Weltmeisterschaft gegen die Niederlande einziehen. Ein Halbfinale gab es bei diesem Turnier nicht. Am Ende gewann die DFB-Elf mit 1:0, das Tor schoss Müller, also der Gerd. Und im Finale gegen die Niederlande siegte die deutsche Mannschaft dann mit 2:1. Aber darum geht es hier nicht. Sondern darum, dass der österreichische Schiedsrichter Erich Linemayr die Partie gegen Polen eigentlich gar nicht hätte anpfeifen dürfen. Denn von Fußballspielen im engeren Sinn konnte vor 62.000 Zuschauern im Frankfurter Waldstadion nicht die Rede sein.

"War natürlich höchst unprofessionell"

Vor dem Anpfiff, der an diesem 3. Juli 1974, einem Mittwoch, für 16 Uhr vorgesehen war, hatte es geregnet. Ach was, geschüttet hatte es. Der Feuerwehrmann Walter Meinel hat sich im Gespräch mit dem Magazin "11 Freunde" im vergangenen Jahr daran erinnert, wie er und seine 19 Kollegen vor der unlösbaren Aufgabe standen, den Platz irgendwie bespielbar zu machen: "Die Himmelsschleuse öffnete sich, und ein heftiges Gewitter zog auf. Schon bald stand der Platz unter Wasser." Chaotische Zustände seien das gewesen, auf dem Rasen zehn Zentimeter tiefe Pfützen. Und das eine Stunde vor Spielbeginn. "Ich rief meine Männer zusammen, und wir entwickelten einen Schlachtplan. Wir bauten mit Wasserstrahlpumpen einen eigenen Kreislauf und verwendeten unser Wasser als Treibmittel. Dieser Hergang war natürlich höchst unprofessionell, denn mit der Zeit gingen uns die funktionstüchtigen Pumpen aus - doch zumindest sank der Pegel auf dem Feld minütlich." Mit Walzen versuchten sie schließlich, das Wasser vom Spielfeld zu drängen. Um 16.31 Uhr, mit einer halben Stunde Verspätung, pfiff Linemayr die Begegnung tatsächlich an.

Was folgte, grenzte an eine Farce. Den deutschen Weltmeistern in spe sollte das nicht zum Nachteil gereichen. Exemplarisch war eine Szene, in der Polens Rechtsaußen Grzegorz Lato schoss, der Ball auf das leere deutsche Tor zurollte - und dann in einer Pfütze liegen blieb. Kapitän Franz Beckenbauer soll hinterher gesagt haben: "Bei normalen Verhältnissen hätten wir wahrscheinlich keine Chance gehabt." In der Tat waren die technisch brillanten Polen favorisiert, hatten zuvor fünf Partien hintereinander gewonnen und dabei Italien und Argentinien besiegt. Zwei Jahre zuvor hatten sie bei den Olympischen Spielen in München die Goldmedaille gewonnen. Bei der WM 1974 siegten sie dann in der Partie um Platz drei mit 1:0 gegen Brasilien - in München, ohne Regen. Das Tor schoss Lato, es war sein siebter Treffern, er beendete das Turnier als bester Torschütze.

Wäre Thomas Müller ein Pole, hätte er sich ganz bestimmt gewusst, was es mit der Wasserschlacht in Frankfurt auf sich hat. "Jedes Schulkind in Polen kennt dieses legendäre Spiel", hat Lato einmal gesagt. Und heute Abend? Spricht nichts für ein erneutes Schauermärchen. Zum einen verfügt die zur WM 2006 zum reinen Fußballstadion umgebaute Arena in Frankfurt nun über ein leidlich schließbares Dach. Und zum anderen ist allenfalls mit kleineren Schauern zu rechnen, wie die Meteorologen sagen. Ansonsten weiß Müller, also der Thomas, immerhin, "was fußballerisch 1974 so passiert ist". Und mittlerweile vielleicht sogar ein wenig mehr.

Quelle: ntv.de

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