Personal, Taktik, Hierarchie Die bemerkenswerte Wende des Hansi Flick
09.09.2023, 12:57 Uhr
Der angeschlagene Bundestrainer Hansi Flick hat im Angesicht der großen Krise in einer bemerkenswerten Wende mit vermeintlichen personellen und taktischen Gewissheiten gebrochen. Was plant der Fußball-Bundestrainer in seinen Schicksalsspielen gegen Japan und Frankreich? Ein Überblick.
Das Personal: Flick hat für das brisante Wiedersehen mit Japan am Samstag (20.45 Uhr/RTL) klare Entscheidungen getroffen. İlkay Gündoğan wird neuer Kapitän und damit Fixpunkt seines EM-Systems, einem 4-2-3-1, zunächst mit Kai Havertz als Spitze, weil Niclas Füllkrug fehlt. Er habe aus dem WM-Schock seine Lehren gezogen, beteuert der Bundestrainer. Dazu gehört auch, dass Joshua Kimmich in die Abwehr versetzt wird. Der Sechser wird zum Rechtsverteidiger - wie Philipp Lahm in den letzten Spielen auf dem Weg zum WM-Titel 2014. Der "Jo", wie Flick ihn nennt, werde "dort eingesetzt, wo er uns am meisten bringt". Niklas Süle wird in der Innenverteidigung neben Abwehrchef Antonio Rüdiger spielen und kann sich dieses Platzes vorerst sicher sein. Malick Thiaw bleibt ein Herausforderer. Hinten links wird sich Flick zwischen Robin Gosens und dem rein defensiven Nico Schlotterbeck entscheiden.
Die Taktik: Mit Kimmichs Versetzung schließt Flick eine jahrelange, nervtötende Baustelle. Wahrscheinlich wird der 28-Jährige, der Gündoğan in der Führung der Mannschaft zur Seite stehen soll, in Ballbesitz ins Zentrum rücken. Dort kann er neben dem "Zerstörer" Emre Can den Aufbau einleiten, darf aber nicht zu offensiv werden - das erledigt dann Gündoğan eine Position weiter vorne. Manchester City hat den einrückenden Rechtsverteidiger mit John Stones gespielt, der FC Liverpool mit Trent Alexander-Arnold. Flick würde einem Trend folgen, den Pep Guardiola und Jürgen Klopp gesetzt haben, obwohl die Idee Brighton and Hove Albion in der Premier League zuzuschreiben ist.
Die Hierarchie: Flick hat die Hierarchie nach dem WM-Debakel von Katar aufgebrochen, indem er unter anderem Thomas Müller außen vor gelassen hat. Müller ist nun nur als Ergänzung vorgesehen, die Binde bleibt ihm trotz der höchsten Anzahl von Länderspielen im Kader verwehrt. Kimmich war zuletzt in Abwesenheit des verletzten Manuel Neuer DFB-Kapitän, aber Flick hat am Freitag unmissverständlich Gündoğan an die Spitze der Hackordnung gesetzt. Antonio Rüdiger und Marc-André ter Stegen sind weitere wichtige Ansprechpartner, Leon Goretzka, bisher einer der Wortführer, ist vorerst nicht für die EM eingeplant.
Die Philosophie: Seine neue Spielphilosophie hat Flick ausgerufen, aber (noch) nicht tiefgehend erklärt. Er will ständige "Aktivität und Intensität", eine Mannschaft in steter Bewegung, die den Kopf immer eingeschaltet hat. Wie das exakt aussieht, wird erst das Spiel gegen Japan zeigen. Drei Tage später gegen Frankreich in Dortmund (21 Uhr/ARD) wird wohl der Gegner das Spiel machen - das Anlaufen und Stören wird umso wichtiger sein.
Quelle: ntv.de, tno/sid