Barças Drama mit Perspektive Die gnadenlose Quittung für den Messi-Wahn
01.09.2021, 20:29 Uhr
Hier weint einer um den FC Barcelona.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Der FC Barcelona ist in diesem Sommer der ganz große Verlierer. Der Traditionsverein ist so pleite, dass er Lionel Messi nicht mehr halten kann. Auch andere Stars und Talente gehen. Die Zukunft des Klubs könnte richtig fies werden. Aber es gibt immerhin zwei Spieler, die Hoffnung machen.
Für all jene, die sich für den FC Barcelona begeistern können, gibt es eine ganz gute Nachricht. Denn tatsächlich gibt es für den stolzen Verein eine Zeit nach Lionel Messi, den sich der Verein nicht mehr leisten konnte und laut Liga-Regularien nicht mehr leisten durfte. Angesichts der bitteren Tränen der so kleinen großen Legende, die die Menschen zwischen Rosario (seinem Heimatort), Barcelona (seinem Herzensort) und Ngerulmud (die Hauptstadt der Republik Palau, stellvertretend für den Rest der Welt) mitweinen ließ, war man sich ja nicht ganz sicher, ob sich der Klub nicht einfach auflösen würde. Denn wie sang einst bereits die nicht ganz so legendäre Schlagerlegende Nico Gemba: Ohne dich (also in diesem Fall Messi) ist alles doof.
Nun ist doof kein gutes Argument, den Spielbetrieb einzustellen. Also macht der FC Barcelona weiter. Aber wie es weitergeht, das ist ein großes Rätsel. Denn binnen weniger Wochen hat sich der Verein von der kriselnden, weil finanziell brutal beschädigten Großmacht, zu einem schwarzen Fußball-Loch transformiert. Die Frage, die sich nun stellt: Was geht? Präziser: Geht noch was? Wie dramatisch der Verfall dieses Klubs ist, der den Sport um die 2010er Jahre auf bemerkenswerte Weise dominiert und revolutioniert (nicht jeder mochte den erdrückenden Tiki-Taka-Wahnsinn) hat, ist, offenbart sich am Ende des Transfers-Sommers in der Besetzung der Offensive. Dort tummelte sich in den vergangenen Jahren das, was in Europa die Koryphäen waren.
Da war immer Messi. Da war aber auch Neymar. Beide spielen nun übrigens bei Paris St. Germain wieder zusammen. Da war Luis Suarez. Der wurde gegen den ausdrücklichen Wunsch Messis im Sommer 2020 zu Atletico Madrid transferiert. Und war dort der große Held der Meistermannschaft. Und da war Frankreichs Weltmeister Antoine Griezmann. Der am Dienstag, am Deadline-Day, ganz spontan (per Leihe) ebenfalls zu Atletico heimkehrte. Nun konnte der 30-Jährige bei Barça nie leisten, was er eigentlich leisten sollte. Und mit Messi war es auch schwierig. Ein Superstar war er trotzdem.
Hoffnungsträger mit Kurzzeit-Auftrag
Diesen Status hat nun niemand mehr, der in der vordersten Reihe der Blaugrana spielt. Sergio Agüero war das mal. Bei Manchester City. Die hatten nach der abgelaufenen Saison keine Verwendung mehr für die alternde Legende. Er ging nach Barcelona. Wegen Messi. Die Kumpels aus der Albiceleste, sie wollten ihre Karriere gemeinsam und erfolgreich ausklingen lassen. Aber Messi ist weg. Und Agüero soll deshalb nicht allzu große Lust auf sein letztes Fußball-Halleluja haben. Ein unschönes Szenario, denn der 33-Jährige ist als Leistungsträger eingeplant. Ebenso wie der 27 Jahre alte Niederländer Memphis Depay. Beide kamen ohne Ablöse. Wer es bei Barça auch richten muss: Martin Braithwaite, der dänische Nationalspieler. Kurz zur Einordnung: Zweitligist Werder Bremen soll in diesem Sommer Interesse am 30-Jährige gehabt haben. Nach einem Plan für die Zukunft klingt das nicht.
Eher nach stabilisierenden Sofortmaßnahmen. Für die wurde auf den letzten Transfermetern auch noch Luuk de Jong eingefangen. Den kennt man unter anderem noch aus seiner Zeit bei Borussia Mönchengladbach. Der kam im Sommer 2012 für die damals durchaus mächtige Summe von zwölf Millionen Euro von Twente Enschede. Dort war de Jong eine große Nummer gewesen, hatte in 120 Spielen 59 Tore erzielt und 36 vorbereitet. In Gladbach gelang ihm dagegen kaum etwas. Nach zwei Jahren war der Spaß schnell vorbei. Der Niederländer legte danach aber noch eine sehr vernünftige Karriere hin, war überragend bei der PSV Eindhoven und gut beim FC Sevilla. Von dort ist er nun an Barça ausgeliehen. Agüero, Depay, Braithwaite und de Jong - furchterregend klingt das nicht. Immerhin: Erstmals seit Ewigkeiten hat der Klub ein Transferplus erwirtschaftet. 39,3 Millionen Euro kamen rein. Verdient allerdings nur über den Verkauf von Ergänzungsspielern und Emerson Royal.
War’s das also wirklich mit dem stolzen Klub, der in den vergangenen 15 Jahren geprägt worden war von genialen Spielern wie Xavi, Andres Iniesta und Messi. Der Ikone hervorbrachte wie Carles Puyol, wie Sergio Busquets oder aber Gerard Pique. Nun, ganz so fürchterlich steht es um den FC Barcelona nicht. Busquets ist als Kapitän noch an Bord. Und Pique soll die Abwehr organisieren, wenn er denn wieder gesund ist. Und als alten Fahrensmännern kommt ihnen die spannende Aufgabe zu, das total veränderte Ensemble anzuleiten und aufzubauen. Für diesen Auftrag kommt übrigens nicht (mehr) Philippe Coutinho infrage. Der brasilianische Spielmacher mit dem feinen Fuß spielt keine Rolle mehr. Ein brutaler Absturz, der so passend für den Klub ist.
Das Potenzial ist immer noch riesig
Und das Potenzial im Kader ist immer noch immens. Ansu Fati etwa ist noch da. Eines der größten Talente im Weltfußball soll zum neuen Superstar wachsen. Bester Beleg dafür: Der gerade einmal 18 Jahre alte Linksaußen übernimmt in dieser Saison die legendäre Nummer "10" von Messi. Ein ebenso immenses Versprechen für eine große Zukunft ist Pedri. Der zentrale Mittelfeldspieler ist mit einer außergewöhnlichen Spielintelligenz gesegnet und mit einem noch außergewöhnlicheren Passspiel.
Drumherum versteckt sich noch reichlich Weltklasse in spe. Der Niederländer Frenkie de Jong etwa. Sein bei Ajax Amsterdam gezeigtes Ausnahmetalent hat sich in Katalonien noch nicht nachhaltig durchsetzen können. Das gilt auch für Ousmane Dembélé. Der Franzose beherrscht den Ball auf eine wundervolle Weise. Und wäre sein Ego ein nicht immer wiederkehrender Problemfall und er dazu deutlich seltener verletzt, er wäre längst in der absoluten Weltklasse angekommen. Auch Rechtsverteidiger Sergiño Dest bringt alles mit, um auf seiner Position künftig das Niveau zu bestimmen. Gleiches gilt für Innenverteidiger Eric Garcia. Und überraschend auch für Billig-Leihgabe Yusuf Demir. Der 18 Jahre Österreicher von Rapid Wien überzeugte bei seinen ersten Einsätzen. Dass aufgrund seiner Statur und seiner Bewegungen sofort Vergleiche mit Messi gezogen wurde, nunja, so ist das eben. Gerecht wird es weder der Legende, noch dem Talent. Und dem Klub bringt es recht überhaupt nichts.
Wozu das Ganze nun reicht? Ganz sicher dafür, in allen Wettbewerben solide zu bestehen. Aber für mehr? Für Titel? Wohl kaum. Die nationale (vor allem Atletico) und internationale Konkurrenz hat massiv aufgerüstet. Während Barça in den vergangenen Jahren stets Dauergast war, wenn sich die Elite traf, um die Mega-Transfers auszudealen, ist nun die Zeit der Demut, des Sparens. Rund eine Milliarde Euro an Schulden hat der Klub aufgetürmt. Dem maßlosen Kauf- und Gehaltsrausch (allem voran beim argentinischen Superstar) folgt nun der quälende Kopfschmerz. Und womöglich auch noch die gnadenlose Quittung für die Zeit mit Messi.
Quelle: ntv.de