Fußball

Niemand muss Rassismus aushalten Diese Idee von Fußball ist vernichtend

Gemeinsam gegen Rassisten - so gehört es sich überall, auch im Fußball.

Gemeinsam gegen Rassisten - so gehört es sich überall, auch im Fußball.

(Foto: imago images/Bernd König)

Rassistische Beleidigungen in Fußballstadien häufen sich. Jordan Torunarigha von Fußball-Bundesligist Hertha BSC wehrt sich und erstattet Anzeige. Nun schreibt ein Professor: "Fußballer müssen Beleidigungen aushalten". Das freut nur eine Gruppe: die Rassisten.

"Ich habe selten etwas so Dummes gelesen", schreibt Jordan Torunarigha von Fußball-Bundesligist Hertha BSC bei Twitter. Und liegt damit völlig richtig. Warum er sich überhaupt zu einer solchen Aussage genötigt fühlt? Der Grund ist ein völlig absurder Artikel - über ihn. Demzufolge müsse der 22-Jährige das bisschen Rassismus gegen ihn ja wohl aushalten. Im Stadion gehörten Beleidigungen dazu, dieser Meinung ist Stefan Chatrath, ein Berliner Professor für Sport und Eventmanagement.

Er schreibt das als Autor der Zeitschrift "Novo Argumente". Da er aber auch Mitglied der Wissenschaftlichen Kommission des Landessportbundes Berlin ist, bekommt der Text eine andere Tragweite. In einer Woche, in der Joshua Kimmich sich in der Pressekonferenz vor dem Champions-League-Achtelfinale seines FC Bayern gegen den FC Chelsea ausgiebig Zeit nimmt, um Rassismus mit deutlichen Worten zu verurteilen. In der sein Teamkollege Leon Goretzka mit dem "Spiegel" und mit Spox darüber spricht, dass Rassismus "im Keim erstickt und sanktioniert werden" muss. In einer Woche also, in der Fußballer als Vorbilder agieren, damit der Sport auch für das einsteht, was ihn ausmacht: Miteinander, Fairness, Einsatz gegen jede Diskriminierung.

Mitleid für Rassisten? Nein.

Dass dieses Füreinander einstehen wichtiger denn je ist, zeigen die unwürdigen Szenen im Profifußball. Beispiele: Nationalspieler Antonio Rüdiger hat kapituliert und konstatiert: "Der Rassismus hat gewonnen." Leroy Kwadwo vom Drittligisten Würzburger Kickers und Torunarigha - beim DFB-Pokalspiel gegen den FC Schalke 04 - werden rassistisch beleidigt. Der Hertha-Verteidiger wehrt sich und erstattet Anzeige.

Und genau das wirft ihm Chatrath jetzt vor. Zwar könne auch er es "nicht schönreden, wenn im Stadion jemand Affengeräusche nachahmt", aber im konkreten Fall habe doch niemand außer Torunarigha die Beleidigungen gehört. Es könne also sein, dass der Herthaner sich verhört habe. Darüber hinaus sei bereits bei Jugendspielen deutlich geworden, dass Hertha BSC seine Spieler "über die Maße sensibilisiert". Der Autor will tatsächlich Mitleid für die Rassisten erzeugen. Torunarigha dagegen solle sich nicht so anstellen.

Das ist vollkommen daneben. In keinem Arbeitsvertrag darf stehen, dass ein Arbeitnehmer Beleidigungen aushalten muss. Es gehört nicht dazu, "dass der Gegner mit Spott und Häme überzogen wird", wie Chatrath die Stimmung im Stadion beschreibt. Jedem, dem es gelingt, derartige persönliche Beleidigungen auszuhalten und für sich zu ignorieren, gebührt Respekt für diese Kraft. Doch jedem, der sich dagegen wehrt oder auch nur auf seine Betroffenheit aufmerksam macht ebenso. Dabei ist es völlig egal, ob es um Rassismus oder eine andere Form der Diskriminierung geht.

Eine Mannschaft ist mehr als die Summe ihrer Spieler

Dem Berliner nun vorzuwerfen, er hätte seine "Gefühle im Griff haben" müssen, weil er auf dem Platz in Tränen ausgebrochen ist, entbehrt jeder Menschlichkeit. Chatraths These: "Als Teil einer Mannschaft haben individuelle Befindlichkeiten zurückzustehen." Nein, denn eine Mannschaft ist mehr als die Summe ihrer Spieler. Ein Team macht aus, gemeinsam an einem Strang zu ziehen und miteinander mit fairen Mitteln zu kämpfen. Der Sport ist letztlich nur Sport - wenn es abseits um persönliche Erniedrigungen geht, kämpft man zu allererst gemeinsam gegen diese an.

Jordan Torunarigha hat alles Recht, den Rassismus gegen ihn nicht zu ignorieren.

Jordan Torunarigha hat alles Recht, den Rassismus gegen ihn nicht zu ignorieren.

(Foto: imago images/Mauersberger)

Da ist es auch völlig egal, dass es dem Autor zufolge im Bereich des Möglichen liegt, dass "die Absender selbst von der Wirkung ihrer Affenlaute überrascht sind und es jetzt bereuen". Erstens entlarvt Chatrath sich in diesem Moment selbst - sprach er nicht gerade noch davon, dass es die Affenlaute womöglich gar nicht gegeben hat? Zweitens, Dummheit hat bekanntlich noch nie vor Strafe geschützt. Eine Beleidigung nachträglich zu revidieren, funktioniert nicht. Höchstens kann man um Entschuldigung bitten - sie aber nicht selbst erteilen und schon gar nicht verlangen, dass der Gegenüber dieser Bitte entspricht. Schon gar nicht, wenn sich die Rassisten in einer Menschenmenge verbergen und sich sicher fühlen. So sehr, dass sie sich nicht zu ihrer Tat bekennen und ihre Schuld gar nicht erst eingestehen.

Das Argument, wer nicht mit Geringschätzung des Gegners umgehen könne, "sollte besser zu Hause bleiben", spielt Rassisten in die Karten. Genau das ist das Ziel von Ausgrenzung. Wie diese sich anfühlt, könnte Chatrath jetzt selbst zu spüren bekommen - allerdings aus völlig legitimen Gründen. Weil er sich disqualifiziert hat. Der Landessportbund prüft personelle Konsequenzen: Am Mittwoch wird das Präsidium "über den Verbleib von Herrn Chatrath in der Wissenschaftlichen Kommission entscheiden".

Zuvor machte LSB-Präsident Thomas Härtel deutlich: "Rassismus darf nirgendwo einen Platz in der Gesellschaft haben, auch auf keinem Fußballplatz. Die Äußerungen sind unvereinbar mit dem Leitbild des Landessportbunds Berlin." Sein Arbeitgeber, die University of Applied Sciences Europe, reagierte ähnlich und äußerte mehreren Medien zufolge ihr Unverständnis für die Äußerungen. Diesem Leitbild folgend bleibt beiden Organisationen nur eine Konsequenz: Chatrath von seinen Aufgaben zu entbinden.

Quelle: ntv.de

Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen