Fußball

Füllkrug, BVB, EM-Hoffnung Ein Coup, der ganz Fußball-Deutschland retten soll

Nationalstürmer Niclas Füllkrug geht nun für den BVB auf Torejagd.

Nationalstürmer Niclas Füllkrug geht nun für den BVB auf Torejagd.

(Foto: IMAGO/Laci Perenyi)

Schwarz-Gelb statt Grün-Weiß: Niclas Füllkrug verlässt Werder Bremen, ist der neue Torjäger von Borussia Dortmund und belebt dort Hoffnungen auf die erste Meisterschaft seit 2012. Doch es geht um mehr, um Schwarz-Rot-Gold: Füllkrug will mit dem Wechsel die Ehre der Nationalelf retten.

Vor einem Monat streckte sich Werder Bremen. "Sehr" sogar, wie Geschäftsführer Frank Baumann mitteilte. Es ging um das Gehalt von Niclas Füllkrug. Der Stürmer solle nach Leistung bezahlt werden, schließlich habe er "in den letzten zwei Jahren sehr viel dazu beigetragen, dass wir erfolgreich waren", so Baumann. Die Hanseaten streckten sich vergeblich: Füllkrug wechselt zum Bundesliga-Konkurrenten Borussia Dortmund. Werder-Fans trauern, Schwarz-Gelbe jubeln. Der Schritt zu einem größeren Klub ist logisch und ist nicht nur für den BVB ein Coup.

In Dortmund verdient Füllkrug, der von der Agentur Roof betreut wird, zu der auch Serge Gnabry (FC Bayern), Kai Havertz (FC Arsenal) oder Marc-André ter Stegen (FC Barcelona) gehören, nun mehr. Das dürfte jedoch nur ein Grund für den Wechsel gewesen sein. Der "Killer mit der Zahnlücke" ("The Times") ist zu gut für den mal wieder dahindümpelnden SV Werder und er hat Größeres vor als Bundesliga-Abstiegskampf. Nachvollziehbar und folgerichtig ist der Schritt des Angreifers also vor allem, weil er sich jetzt erstmals in der Champions League beweisen darf - und damit auch Hoffnungen in ganz Deutschland schürt.

Denn Füllkrug soll die DFB-Elf bei der Europameisterschaft im kommenden Jahr zum Titel schießen. Oder vielleicht ins Halbfinale, na ja, zumindest über die Gruppenphase hinaus schießen. Einfacher gesagt: Seine Tore sollen für ein tolles Heim-Turnier sorgen. Das ist das Mindeste, was sich die Fans von der Nationalmannschaft erhoffen. Und dass Füllkrug einer der wenigen Unterschiedsspieler in der Nationalelf ist, hatte bei der WM in Katar irgendwann auch Hansi Flick erkannt. Da war es aber schon zu spät. Für Füllkrug. Für den Bundestrainer. Für die Nationalelf. Die Erfahrungen aus der Champions League und dem mutmaßlichen Meisterschaftskampf könnten Gold wert sein für Deutschland - beim Versuch, bei der Heim-EM die Fußball-Ehre wiederherzustellen.

Füllkrug hat nur einen Gedanken im Kopf

In der Nationalmannschaft kann Füllkrug ein erneutes Debakel verhindern und damit auch Flick den Job retten. Für den BVB zählt natürlich etwas ganz anderes. Der Torschützenkönig der Saison 2022/23 soll der Stürmer werden, der die Dortmunder endlich zur ersten Meisterschaft seit 2012 schießt. Der in wichtigen Momenten da ist, in großen Champions-League-Spielen trifft - und im Zweifelsfall solch ein Debakel wie auf der Zielgeraden der vergangenen Saison verhindert. Der FC Bayern hat Harry Kane, wir haben den Stürmer der deutschen Nationalmannschaft. Das ist eine Ansage, das ist ein Coup, auch wenn der Name "DFB-Team" längst nicht mehr der Klang vergangener Jahrzehnte besitzt.

Beim BVB duelliert Füllkrug sich auf der Mittelstürmer-Position mit Sébastien Haller, dürfte aber zunächst die Nase vorn haben. Der Ivorer kam in den ersten beiden Bundesliga-Partien ebenso wenig in Fahrt ("kicker"-Note 5 gegen Köln und 4 gegen Bochum) wie sein Verein und blieb ohne Treffer. Lediglich beim 6:1 im Pokal gegen den Regionalligisten TSV Schott Mainz traf er einmal. Anfang 2024 will Haller für die Elfenbeinküste beim Afrika-Cup spielen und würde damit den Dortmundern längere Zeit nicht zur Verfügung stehen. Füllkrug wird also gebraucht und dürfte schnell zum "Neuner" Nummer eins aufsteigen.

Das liegt auch daran, dass der BVB sich einen Spieler kauft, wie es ihn heute nur noch selten gibt. Einen Typ, für den der FC Bayern gerade 100 Millionen Euro ausgegeben hat, wenngleich Kane natürlich noch größere Qualität aufweist. Aber auch Füllkrug hat nur einen Gedanken im Kopf: Der Ball muss ins Tor. Genau diese simple Phrase, in der Realität jedoch oft so schwer umsetzbar, setzte der Angreifer bei Werder und in der Nationalmannschaft wie kein Zweiter um. Der enorm kopfballstarke und kräftige Füllkrug macht zwar auch Bälle fest oder leitet sie gekonnt weiter, aber vor allem ist er ein echter Mittelstürmer, der nicht lange fackelt. Der zur Stelle ist, wenn es zählt. Der kaltschnäuzig vor dem Tor ist und einfach weiß, wie man im Fußball so schön sagt, wo die Kiste steht.

Identifikation und Versöhnung

Als er die Kugel humorlos ins obere Toreck hämmerte zum 1:1-Endstand gegen Spanien bei der WM in Katar, erzielte er das erste DFB-Stürmertor bei einer WM seit 3059 Tagen. Seit dem Finale 2014 von Rio, seit dem Treffer von Superjoker Mario Götze. Es war auch das erste WM-Tor eines Werder-Spielers seit Mesut Özils 1:0 gegen Ghana 2010. Für Özil war es der Start zu einer Weltkarriere, nach dem Turnier wechselte er zu Real Madrid. Füllkrug geht einen kleineren Schritt, aber auch er hat nun Größeres vor.

Bekannterweise reichte Füllkrugs Treffer für ein Gruppen-Finale gegen Costa Rica, das zweite Vorrundenaus bei einer WM konnte aber auch er nicht verhindern. Für den DFB soll der Stürmer im kommenden Sommer ein erneutes Debakel abwenden. Dabei geht es um seine Tore - die, so hoffen die deutschen Fans, dank der Reife in höheren Sphären im kommenden Sommer noch öfter fallen sollen -, aber auch um die geheime Superkraft von "Lücke". Nicht nur um seine Präzision im Abschluss oder seine Schusskraft, es geht auch um die Kraft, die Gesellschaft wieder mit der Nationalelf zu versöhnen.

Füllkrug ist so etwas wie der Gegenentwurf zur Langeweile und zum Frust, die die Nationalelf in den vergangenen Jahren für die Fans bedeutet hat. Füllkrug ist weder glatt noch Hashtags oder Event, Füllkrug ist Lust, Gier und Bodenständigkeit. Er verkörpert harte Arbeit auf dem Platz und ein Normalo-Dasein abseits des Feldes. "Fülle" ist eine Identifikationsfigur. Für alle, die sich in den vergangenen Jahren nicht im DFB-Team wiederfinden konnten. Ein Versöhner für die unter mauem Fußball und zu viel Event leidenden Fans. Mit seiner Zahnlücke zeigt der neue Torjäger des Vizemeisters, dass er nicht perfekt ist. Dass er nicht einer der Instagram-Kicker ist, die für Likes einen gerne mal missglückten Hackentrick einbauen. Dass er sich nicht aalglatt mit 17 Jahren durch Interviews schlängelt und direkt aus einer Elite-Kaderschmiede den Fußballthron erklimmt.

Weiter Weg für Füllkrug, BVB und DFB

Das mögen die Leute. Und das freut auch den BVB. Füllkrug wechselt in die Malocher-Stadt Dortmund und nicht ins edle München. Bei den Schwarz-Gelben könnte er gar ein fehlendes Mosaiksteinchen werden, denn die Motivation-Diskussionen, die den BVB seit Jahren begleiten, sind dem Stürmer fremd. Er haut sich immer zu 100 Prozent rein und hat immer Bock auf Tore. Er ist kein Geschichtenerzähler, keiner, der Trubel um seine Person macht.

Füllkrug, der bei den Bremern noch ein Arbeitspapier bis 2025 besaß, erhält bei Borussia Dortmund einen Dreijahresvertrag. Etwas über 15 Millionen Euro wird er kosten. Möglicherweise ein Schnäppchen, wenn Füllkrug so weitermacht wie in der vergangenen Saison bei Werder und im DFB-Dress. Solange der 30 Jahre alte Torjäger, der in seiner Karriere immer wieder von schweren Verletzungen zurückgeworfen wurde, fit bleibt.

Während auf Werder (Tabellenletzter, kein Tor, raus im Pokal) nun noch schwerere Zeiten zukommen, hofft der BVB auf Titel mit dem "Killer mit der Zahnlücke". Und ganz Fußball-Deutschland träumt vom EM-Helden Niclas Füllkrug. Der den Ball dann wieder humorlos in den Winkel hämmert. Diesmal im Finale. Ein erster Schritt ist gemacht. Es ist ein weiter Weg.

Quelle: ntv.de

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