Wo ist Harry? KANE Ahnung! Die absurde Inszenierung um den Weltstar des FC Bayern
11.08.2023, 20:56 Uhr
(Foto: IMAGO/PA Images)
Es ist fast geschafft. Es ist wirklich fast geschafft. Der FC Bayern schleppt den Deal mit Harry Kane zur Ziellinie. Und die letzten Stunden vor dem Deal waren vermutlich noch absurder, als der ganze Verhandlungsprozess mit den Tottenham Hotspur.
Als wäre der Marathonlauf zum Monster-Transfer von Harry Kane nicht schon zermürbend genug gewesen, so wuchs sich der Zielsprint am Freitag endgültig zu einem absurden Theater, zu einer grotesken Inszenierung aus. Am Donnerstagmittag schien schon alles auf einem guten, auf dem richtigen Weg. Der FC Bayern hatte sich der Unbeweglichkeit von Tottenham-Boss Daniel Levy gebeugt und die Forderung von 100 Millionen Pfund (rund 116 Millionen Euro) erfüllt. Der teuerste Transfer der Klubgeschichte, der teuerste Neuzugang in 60 Jahren Fußball-Bundesliga, endlich war er eingetütet. Halleluja! Ende im Gelände, Schicht am Schacht. Aber, ach nein! Auch 24 Stunden später war nix fix.
Trainer Thomas Tuchel hatte zur Pressekonferenz geladen. Routine, denn der Super-Cup gegen RB Leipzig steht an (Samstag, 20.45 Uhr, Sky und Sat1 sowie im Liveticker bei ntv.de). Aber der erste Titel der Saison, der ist längst nicht so interessant wie der Fall Harry Kane, der seit Wochen mit täglichen Wasserstandsmeldungen am Kochen gehalten wird. Wo ist der Stürmer? Noch in London? Schon in der Luft? Bereits in München? Im Krankenhaus? An der Säbener Straße? Hallo? Hallo, Herr Tuchel? Nun, Herr Tuchel wusste es nicht. So sagte er zumindest. Man kann ihm das glauben, so wild wie es zwischen der angeblichen Einigung und dem Warten auf Harry zuging.
Kaum war durchgesickert, dass der FC Bayern für die wuchtigste Überweisung aller (seiner) Zeiten bereit sei, krachte die Meldung herein, dass der Starstürmer plötzlich Zweifel habe, ob der Transfer so eine gute Idee sei. Huch! Aber warum? Verhandelte er etwa mit anderen Vereinen? Ging es um Beraterhonorare? Oder war der Stürmer von seinem neuen Trainer bei den Hotspur, von Angelos "Ange" Postecoglou tatsächlich so begeistert, dass er seinem Traum von großen Titeln doch nochmal eine Chance bei seinem Herzensklub geben wollte? Alles schien plötzlich möglich. Sogar, dass der Deal noch platzt, für den sich selbst Uli Hoeneß korrigiert hatte.
Alles begann mit Uli Hoeneß
Ja, mit dem mächtigen Mann vom Tegernsee hatte alles begonnen. Mit (s)einer krachenden Absage. "Letztes Jahr hat Tottenham 160 Millionen Euro abgelehnt von Manchester City. Meinen Sie, der ist dieses Jahr billiger?", hatte er in seinem ihm eigenen Klartext erklärt. Und dann unmissverständlich klargemacht: "Harry Kane ist ein super Spieler, gar keine Frage. Aber das ist ein Geld, das zahle ich nicht." Nun kann man freilich sagen, recht hat er, der Uli Hoeneß. Denn 160 Millionen Euro haben die Münchner ja tatsächlich nicht überwiesen, aber eben doch eine Summe, die historisch gigantisch ist. Was zwischen Hoeneß "zahle ich nicht" und der Überweisung passiert ist, das ist eine der wildesten Transfer-Schauspiele der vergangenen Jahre, vielleicht Jahrzehnte.
Einer der Protagonisten: Daniel Levy, der Tottenham-Chef, der sich in den vergangenen Jahren den Ruf erworben hat, einer der härtesten Verhandler im Profifußball zu sein. Seit 2001 ist er im Amt, damit länger als jeder andere Präsident in der Premier League. 2013 sorgte er für großes Aufsehen, als er Superstar Gareth Bale verkaufte und erst nachgab, als Real Madrid die damalige Weltrekordablöse von 101 Millionen Euro bezahlte. Kein bisschen nachgiebiger war er jetzt im Duell mit den Bossen des FC Bayern. Diese hießen zu Beginn dieses zermürbenden Pokers noch Oliver Kahn und Hasan Salihamidžić. Schon Mitte Mai soll der Sportvorstand gemeinsam mit Tuchel nach London geflogen sein, um Kane den Wechsel schmackhaft zu machen. Offenbar erfolgreich. Bis dahin, alles ganz entspannt. Außer für Kahn und Salihamidžić, die Ende Mai, noch vor der Titelsensation gefeuert wurden, was aber erst mitten in der Titelsensation bekannt wurde.
Ende Juni, so hieß es, blitzte der FC Bayern mit einer ersten Offerte ab. 70 Millionen Euro plus Boni sollen auf dem Tisch gelegen haben. Es wurde verhandelt und verhandelt. Mittlerweile waren Jan-Christian Dreesen und der Technische Direktor Marco Neppe die Münchner Protagonisten. Flankiert von den heimgekehrten Granden Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge. Und mit jedem Tag, an dem Kane nicht verpflichtet war, eskalierte die Nachrichtenwelt. Kane soll gute Signale senden, Hoeneß soll den FC Bayern irritieren (er sprach davon, dass die Spurs einknicken müssen, weil der Spieler unbedingt nach München wolle), der Tottenham-Boss sei genervt, Kanes Frau wurde angeblich in München gesichtet, dann tauchten neuen Konkurrenten auf und medial wurden die angeblichen Pläne B bis Y des FC Bayern enthüllt. Randal Kolo Muani etwa, oder Victor Osimhen, oder Niclas Füllkrug oder, ach Gott, wer erinnert sich noch...
Irgendeiner weiß immer was
Irgendeiner hatte immer was zu sagen, immer was zu melden. Gefragt, oder auch nicht. Empfehlungen von Ex-Spielern hagelte es, genauso wie dringenden Mahnungen an den Spieler, bloß nicht zum FC Bayern zu wechseln. Kane, Kane, Kane - und sonst? KANE Ahnung, man! Und wer plötzlich nervös wurde, weil über Stunden nichts Neues bekannt geworden war, der fand bei Twitter irgendwas, was das Potenzial für Welteuphorie oder Weltschmerz hatte. Bloß KANE nachlassen. Ein Dauerfeuer an Wasserstandsmeldungen - plötzlich verebbt am Mittag des 10. August. Einigung? Hä? Echt? Ja, nein, jein. Zweifel bei Kane. Wieder Einigung mit Kane. Am Freitagmorgen sollte er schließlich zum Medizincheck nach München kommen.
Ende der Saga? Nein, KANE Sorge. Der Flug von Stansted nach Oberpfaffenhofen verzögerte sich immer wieder und wurde dann sogar gestrichen. Kane fuhr deshalb erst einmal wieder nach Hause. Angeblich hatte Tottenham plötzlich noch einmal Redebedarf. Es soll um die vereinbarten Boni-Zahlungen gegangen sein. Eine Verdopplung war im Gespräch. Dann Medienrunde mit Tuchel. Wo der Spieler ist? KANE Ahnung. Und überhaupt: Stand jetzt gebe es "noch keine Einigung". WAS? Man sei jedoch "im Austausch". Ah, ok! Fast parallel dazu gab Tottenhams Coach den Spieler offiziell auf. Nach seinem Kenntnisstand stehe "der Deal unmittelbar bevor".
Gegen 18 Uhr dann endlich das nächste Zeichen! Abflug nach München. Bis zu 70.000 Menschen verfolgen bei Flightradar, ob es klappt. Es war der meist beachtete Flug des Abends! Es klappt! 19.07 Uhr, drei Minuten zu spät, landet der Flieger! Aber man weiß bereits: Ein roter Audi e-tron steht zur Weiterfahrt bereit! Um 19.51 Uhr fuhr er dann am Krankenhaus Barmherzige Brüder zum Medizincheck vor! Das löste einen großen Trubel aus. Aufgrund einer streikenden Schranke auf dem Weg in die Tiefgarage saß Kane auf der Rückbank kurzzeitig auf dem Präsentierteller! Aber: Es ist fast geschafft. Wirklich. Wahrscheinlich. Vermutlich.
Quelle: ntv.de