Fußball

Fan-Proteste gegen Hoeneß-Idee Wütender FC Bayern eliminiert den Zufall

Wenn es ernst wird, siegt der FC Bayern locker.

Wenn es ernst wird, siegt der FC Bayern locker.

(Foto: dpa)

Gegen Union Berlin nimmt Bayern München den Titelkampf in der Fußball-Bundesliga an. Ein Signal an die Konkurrenz, die dem Klub nach einer Dekade die Meisterschale abluchsen will. Doch längst hat der Rekordmeister den Zufall eliminiert. Dabei schreibt der doch die schönsten Geschichten, sagt Präsident Hainer.

Bevor das große Schneetreiben einsetzte, stand ein strahlender Bayern-Präsident Herbert Hainer auf dem Platz der Münchener Allianz-Arena. Neben ihm die noch strahlendere Isabelle Gütlein. Sie war zu Hainer und dem restlichen Präsidium gebeten worden. Nicht, weil sie Geburtstag feierte, sondern weil sie das 300.000 Mitglied des FC Bayern München war. So strahlten sie um die Wette und der Präsident sprach vom nicht nur "sportlich" größten Verein der Welt und freute sich noch schnell über den Geburtstag von Isabelle Gütlein. "Der Zufall schreibt die schönsten Geschichten", sagte er und hoffte doch, dass der Zufall sich nicht schon wieder in das, was nun in den kommenden 90 Spielminuten in der Fußball-Bundesliga gegen den 1. FC Union Berlin (3:0) auf dem Platz bevorstand, einmischen würde.

Denn neben dem Zufall schreibt auch der Fußball die schönsten Geschichten. Deswegen lieben die Menschen den Fußball so. Denn niemand kann vor einem Spiel jemals genau wissen, was denn am Ende der 90 Minuten auf der Anzeigetafel stehen wird. Deswegen strömen die Zuschauer ins Stadion, deswegen werfen sie ihre Streams und TV-Geräte an und bangen und fiebern. "The Uncertainty of Outcome" wird das in der Forschung genannt, die Ungewissheit über den Ausgang eines Spiels. Doch das Ungewisse ist natürlich etwas, was niemand, der es an diesem Abend in der Allianz-Arena mit den Bayern hielt, gebrauchen konnte.

Ganze neun Punkte hatten die Bayern nach dem Re-Start der Liga geholt und dadurch neun Punkte auf Borussia Dortmund und sieben auf Union Berlin verloren, die ihnen nun im Nacken hingen oder, im Falle des BVB, sogar kurzzeitig an ihnen vorbeigezogen waren. Eine Unglaublichkeit im deutschen Fußball, der seit Jahren nur noch davon lebt, wann der FC Bayern München Deutscher Meister wird. Zu enteilt sind sie der Konkurrenz in diesem Wettlauf über 34 Spieltage. Auch kleinere Krisen lassen sich da ohne Probleme überstehen. Der FC Bayern gewinnt die Liga im Vorbeigehen und lebt für die Champions League, in der sie in knapp über einer Woche im Rückspiel gegen Paris St. Germain nach dem 1:0 im Hinspiel mit guten Chancen aufs Viertelfinale ins Rennen gehen. Dort wollen sie den zweiten Titel in diesem Jahrzehnt, dort wollen sie Europa und der Welt beweisen, dass sie eben nicht nur der mitgliederstärkste Klub der Welt sind, sondern auch der "sportlich" größte Verein, wie Hainer es vor dem Spiel gegen Union ausdrückte.

FC Bayern muss sich schon intern auffressen

300.000 Mitglieder hat der FC Bayern jetzt.

300.000 Mitglieder hat der FC Bayern jetzt.

(Foto: IMAGO/Eibner)

Gerne wird die ausbleibende Spannung im Meisterkampf mit fehlender Mentalität und fehlender Einstellung der Herausforderer begründet. Eine Erklärung, die zu kurz greift, aber immerhin inmitten der Dortmunder Siegesserie im Winter 2023 ein wenig eingefroren ist. Langfristig jedoch sind die Unterschiede kaum aufzufangen oder eben nur gerade so. Die Personalkosten des FC Bayern übersteigen die des nächsten Wettbewerbers BVB um mehr als 150 Millionen Euro. Das sind etliche Spieler der Qualität Joshua Kimmich, Leroy Sané oder auch Manuel Neuer, der nun ja immerhin mit seiner "Schwabenrunde", seiner Verletzung beim "Brötchenholen," für ein wenig mehr Ausgeglichenheit gesorgt hat. Die durchschnittliche Bilanz nach dem Re-Start war auf die Verrenkungen des Vereins zurückzuführen, dieses Thema und ähnliche (Serge Gnabrys Trip nach Paris, Leroy Sanés Pünktlichkeitsprobleme) abzumoderieren. Gelingen wollte es ihnen nicht.

Nur, wenn sich der FC Bayern von innen heraus auffrisst und sich mit internen Krisen überhäuft, dabei den Fokus verliert, sind sie auf nationaler Ebene beim Marathon Bundesliga überhaupt zu besiegen. So herrschte vor dem Spiel am Sonntag in der Allianz-Arena sogar so etwas wie Zuversicht bei den Mitbewerbern um den Titel. Würde aus der Aufregung, die mit Julian Nagelsmanns Aussetzer in der Mixed Zone des Borussia-Parks nach dem 2:3 bei Mönchengladbach noch einmal Fahrt aufgenommen hatte, die Bayern in einer Art schwächen, die sogar ein erschöpftes Union Berlin zu einem Punktgewinn führen könnte? Die Antwort nach 90 Minuten lautete: Nein. "Wir waren ohne Chance", sagte Union-Trainer Urs Fischer und hatte damit verdammt recht.

Glück und Chaos ein kleiner Bestandteil des Spiels

Die wütenden Bayern zerlegten Union im Münchener Schneetreiben nach allen Regeln der Kunst. Ja, Trainer Nagelsmann hatte es sich sogar erlauben können, mit João Cancelo seinen Winterpausenwunschspieler im zweiten Spiel in Folge auf der Bank zu lassen. Der Portugiese, der von Manchester City kam und im Sommer für angebliche 70 Millionen Euro fest nach München wechseln könnte, passt nicht in die Viererkette. Noch hält der 28-Jährige sich zurück, doch er ist einer, der seiner Unzufriedenheit gerne auch einmal freien Lauf lässt und somit der Liga Hoffnung schenkt. Denn, wie bereits beschrieben, eine Meisterschaft der Bayern kann nur ein interner Zersetzungsprozess aufhalten. Einer, der nun mit dem 3:0 gegen Union Berlin aufgehalten scheint. In den nächsten beiden Ligawochen geht es gegen die beiden Abstiegskämpfer VfB Stuttgart und FC Augsburg. Pflichtaufgaben, die das Achtelfinale gegen PSG einrahmen.

Vorerst bleibt es dabei. Wenn der FC Bayern will, kann er mit all seiner Starpower, mit der unglaublich tiefen Bank, auf der gegen Union unter anderem der aus einer Verletzung zurückkehrende Sadio Mané, die Sorgenkinder Gnabry und Sané sowie eben jener Winterwunschtransfer Cancelo saßen, die Liga nach Belieben dominieren. Kein gutes Signal für die Liga, die sich aktuell seit langer Zeit mal wieder in einem "Titelkampf" sonnt. Denn so weit ist es ja in den letzten Jahren gekommen. Es geht nicht mehr darum, ob die Bayern den Titel holen, sondern nur, dass zumindest Anfang März noch so etwas wie Restspannung herrscht. Die ist gegeben, sorgt jedoch allenfalls für kurzfristige Entspannung beim drängendsten Problem der Liga. Das lautet: Wann schreibt der Zufall endlich wieder die schönsten Geschichten? Denn bei all der Korrelation zwischen Kaderkosten und sportlichem Erfolg sind die Elemente Glück und Chaos zu einem kleinen Teil auch noch Bestandteil des Spiels.

Fans gegen Uli Hoeneß

Nur bedeutet all das keine langfristige Erleichterung für das Dauerproblem der Liga: Die Übermacht der Bayern und die sich dahinter längst zementierte Verfolgerspitze um Borussia Dortmund und RB Leipzig, die auch unter dem neuen Sportboss Max Eberl die Gesetze des Transfermarkts aushebeln und sich erneut beim Schwesterklub RB Salzburg bedienen. Im Sommer wird mit Nicolas Seiwald erneut ein Spieler aus der Mozart- in die Heldenstadt wechseln. Aber wie der BVB, so wird auch RB nach der Saison wieder die größten Stars verlieren. Bayern sehen beide Klubs für gewöhnlich nur mit dem Fernglas. Veränderungen sind nicht absehbar.

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Erst vor einigen Tagen hatte Bayern-Ehrenpräsident Uli Hoeneß für die Probleme des deutschen Fußballs eine "Lösung" präsentiert. Die Bundesliga solle runter von ihrem Sonderweg und die 50+1-Regel außer Kraft setzen, hatte der Vereinspatron auf einem Podium in Hannover sitzend erklärt. Die verhindere ja das Vorankommen der Liga. Während des Spiels gegen Union Berlin wurde ihm nun eine Antwort präsentiert. Von den Fans in der Kurve, die ja in der Tat weiterhin hoffen, dass der Zufall irgendwann wieder ins Spiel zurückkehrt.

"Wenn jeder für sich entscheidet, ist noch lange nicht allen geholfen, Uli. 50+1 ist nicht verhandelbar", war nach gut zehn Minuten auf der Münchener Südkurve zu lesen, während am anderen Ende des Feldes die Bayern Ball um Ball in den Strafraum der Unioner jagten und sich noch ein bisschen in Geduld üben mussten. Das erste Tor fiel dann erst ein paar Minuten später. Auf der Tribüne, das dürfte gesichert sein, jubelte auch Isabelle Gütlein - Bayerns Mitglied Nummer 300.000. An dem Erfolg gegen Union war nichts zufällig. Es wäre eine schöne Geschichte gewesen.

Quelle: ntv.de

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