Fußball

Was ist der Unterschied zu 2015? Nicht-Abbruch des Skandalspiels wirft unangenehme Fragen auf

Die Bochumer machen Schiedsrichter Petersen darauf aufmerksam, dass Torwart Drewes am Kopf getroffen wurde.

Die Bochumer machen Schiedsrichter Petersen darauf aufmerksam, dass Torwart Drewes am Kopf getroffen wurde.

(Foto: IMAGO/Matthias Koch)

Beim Bundesliga-Spiel zwischen 1. FC Union Berlin und VfL Bochum wird VfL-Torwart Patrick Drewes von einem Feuerzeug am Kopf getroffen und kann nicht weiterspielen. Trotzdem entscheidet sich Schiedsrichter Martin Petersen gegen einen Abbruch - anders als 2015, als er selbst getroffen worden ist.

Sicher, die Fans des VfL Osnabrück haben gerade andere Sorgen, immerhin steht ihr Lieblingsklub als Tabellenletzter der 3. Liga vor dem erstmaligen Absturz in die Viertklassigkeit. Dennoch dürften sich einige von ihnen am Samstagnachmittag gewundert haben, dass das Bundesliga-Spiel zwischen dem 1. FC Union Berlin und dem VfL Bochum nicht abgebrochen worden ist. Obwohl doch einer der Akteure auf dem Rasen von einem aus dem Fanblock geworfenen Feuerzeug am Kopf getroffen worden war und deshalb anschließend nicht mehr einsatzfähig war. Wie damals, am 10. August 2015 im Stadion an der Bremer Brücke.

Der Drittligist empfing vor etwas mehr als neun Jahren den dank Brause-Millionen aufstrebenden Zweitligisten Rasenballsport Leipzig zum Erstrundenspiel im DFB-Pokal. Halil Savran schoss Osnabrück nach 23 Sekunden in Führung, die von Ralf Rangnick trainierten Sachsen bemühten sich anschließend vergeblich um den Ausgleich. Die Sensation war greifbar - bis in der 71. Minute ein Feuerzeug aus dem VfL-Fanblock in Richtung des Rasens flog. Dort lieferten sich Leipzigs Stürmer Davie Selke und Osnabrücks Ersatzmann Michael Hohnstedt ein Wortgefecht an der Torauslinie, das Schiedsrichter Martin Petersen schlichten wollte. Wobei er von jenem Feuerzeug folgenschwer am Kopf getroffen wurde.

August 2015: Schiedsrichter Martin Petersen in Osnabrück, als ihn das Feuerzeug aus dem VfL-Block trifft.

August 2015: Schiedsrichter Martin Petersen in Osnabrück, als ihn das Feuerzeug aus dem VfL-Block trifft.

(Foto: imago/foto2press)

Knapp 30 Minuten später trat der damalige VfL-Präsident Hermann Queckenstedt auf den Rasen und informierte die Zuschauenden im Stadion darüber, dass die Partie abgebrochen wurde. Aus der 1:0-Führung wurde am grünen Tisch eine 0:2-Niederlage für die Osnabrücker, die außerdem mehrere Spiele vor gesperrten Tribünen austragen mussten. Herbert Fandel, seinerzeit Vorsitzender der DFB-Schiedsrichterkommission, sagte 2015 unmittelbar danach zu Petersens Entscheidung, dass der Spielabbruch "die logische und notwendige Konsequenz" war, denn "bei dem Vorgang in Osnabrück handelt es sich um einen tätlichen Angriff auf den Schiedsrichter". Bei Petersen wurde in der Folge eine leichte Gehirnerschütterung festgestellt.

Bochum sicher: "Spiel hätte abgebrochen werden müssen"

Wer an diesem Wochenende das Bundesliga-Spiel zwischen Union und Bochum verfolgt hat, wird einerseits die Parallelen erkennen und sich andererseits über die Unterschiede wundern. Denn auch im Stadion an der Alten Försterei flog ein Feuerzeug von der Tribüne auf den Rasen, auch in Berlin-Köpenick traf es jemanden am Kopf. Bochums Torwart Patrick Drewes ging in der Nachspielzeit der zweiten Hälfte vor dem Union-Fanblock zunächst zu Boden, wurde dann behandelt und konnte schließlich nicht weitermachen. Ob auch er eine Gehirnerschütterung (oder eine andere Verletzung) erlitten hat, steht bisher nicht fest.

Und trotzdem entschied sich Schiedsrichter Martin Petersen anders als 2015 in Osnabrück dafür, die Partie nach 28 Minuten Unterbrechung fortzusetzen. Ohne Drewes, dafür mit Stürmer Philipp Hofmann im Tor, weil Bochum nicht mehr wechseln konnte. Die Mannschaften verständigten sich auf ein Ballgeschiebe ohne Angriffsbemühungen, es blieb beim 1:1. "Wir sind der Meinung, dass das Spiel nach Regelwerk hätte abgebrochen werden müssen", sagte VfL-Geschäftsführer Ilja Kaenzig hinterher. Ein nachvollziehbarer Schluss, den aber weder Schiedsrichter Petersen noch der Deutsche Fußball-Bund für angemessen hielten.

Patrick Drewes musste anschließend ins Krankenhaus gebracht werden.

Patrick Drewes musste anschließend ins Krankenhaus gebracht werden.

(Foto: IMAGO/Matthias Koch)

"Der Schiedsrichter hat sich korrekt verhalten", sagte DFB-Lehrwart Lutz Wagner der Sportschau und meinte damit zunächst die Unterbrechung, nachdem Drewes am Kopf erwischt worden war. "Als dann die Entscheidung getroffen wurde, dass die Sicherheit aller Beteiligten und die ordnungsgemäße Durchführung gewährleistet sind, muss das Spiel fortgesetzt werden", so Wagner weiter. Eine logische Schlussfolgerung, die aber offensichtlich auf einer eigenwilligen Interpretation von "Sicherheit aller Beteiligten" und "ordnungsgemäße Durchführung" beruht: Schließlich war Drewes infolge des Kopftreffers benommen und musste ins Krankenhaus gebracht werden, während seine Mannschaft aufgrund der durch einen Fan herbeigeführten Spielunfähigkeit ohne gelernten Torwart und in Unterzahl wieder aufs Feld gehen musste.

Ist ein verletzter Torwart weniger schlimm als ein verletzter Schiedsrichter?

Zwar hat Petersen laut DFB-Mitteilung "in der Spielunterbrechung die Kommunikation mit beiden Mannschaften gesucht", trotzdem werfen Verbandskommunikation und Schiedsrichter-Entscheidungen Fragen auf. Etwa, worin die Unterschiede zu 2015 bestehen, dass sich die unmittelbaren Folgen so grundsätzlich unterscheiden. Damals erkannte der DFB schließlich schon kurz nach dem Abbruch einen "tätlichen Angriff auf den Schiedsrichter", obwohl weder der Werfer noch dessen Motivation ermittelt war. Ist es also weniger schlimm, wenn statt des Schiedsrichters "nur" ein Torwart getroffen wird und dadurch nicht mehr weitermachen kann? So lässt sich die Entscheidung, weiterzuspielen, zumindest interpretieren.

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Und wie wird die Partie jetzt gewertet? Rein theoretisch wurde die Partie schließlich ordnungsgemäß beendet, auch wenn die letzten Minuten nach der langen Unterbrechung nichts mehr mit Bundesliga-Fußball zu tun hatten. Bisher ist nur ein Ermittlungsverfahren gegen den 1. FC Union eingeleitet, der außerdem Anzeige gegen den Werfer erstattet hat. Dieser wurde im Block zügig ausfindig gemacht und der Polizei übergeben. Bochum aber kündigte bereits an, die bis zum Montagabend laufende Frist nutzen zu wollen, um Protest einzulegen.

Geschäftsführer Kaenzig zeigte sich zuversichtlich, dass, "wenn man das Regelwerk auslegt", eigentlich nur eine Neu-Wertung mit Sieg für den VfL dabei herauskommen könnte. Zumindest dann, wenn das DFB-Sportgericht nicht auch andere Maßstäbe anlegt als im nahezu identischen Fall vor neun Jahren.

Quelle: ntv.de

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