Mentalitätssieg in Frankfurt Genervter BVB will nicht über Bayern reden
09.01.2022, 08:21 Uhr
Spiel gedreht. Ab in die Jubeltraube. Mo Dahoud lässt sich feiern.
(Foto: picture alliance / Heiko Rhode)
Mit zwei ganz späten Toren dreht Borussia Dortmund das Spiel in Frankfurt, verhindert einen Fehlstart in das neue Jahr und ist plötzlich wieder Bayern-Jäger. So erträumt sich das zumindest Fußball-Deutschland. Doch der BVB will darüber nicht reden. "Bayern, Bayern, Bayern", schimpft Emre Can.
Zwei späte Tore machten für Borussia Dortmund den Unterschied. Jude Bellingham und Mahmoud Dahoud sorgten mit ihren Treffern für den erst vierten Bundesliga-Auswärtssieg der Westfalen in dieser Saison und lösten dadurch ein erneutes Schattenrennen um die Meisterschaft aus. Die Kurz-Form klingt in der Tat verlockend: Bayern München strauchelt und die verbliebene Konkurrenz, also Borussia Dortmund, ist da.
Bei genauerer Betrachtung sind die Chancen auf einen echten Titelkampf jedoch in etwa so groß wie die auf ein weiteres BVB-Jahr des norwegischen Superstars Erling Haaland. Zu offenkundig, zu eklatant waren die erneuten Abwehrprobleme der Schwarzgelben auch bei dem 3:2 (0:2) bei Eintracht Frankfurt, die mit ihren ersten Torchancen nicht nur zwei Treffern erzielten, sondern wie so viele Mannschaften vor ihnen bereits die ewig gleichen Fehler der Borussia ausnutzen konnten. Ballverluste beim Spielaufbau, unnötige Fouls in gefährlichen Situationen, unglückliches Abwehrverhalten. Mängel, die sich durch die gesamte Saison der Dortmunder ziehen.
Mit Reus in der Zentrale läuft es besser
"Das ist das ganz große Thema bei uns. Wir dürfen keine Gegentore herschenken. Wir kassieren ständig Tore aus Situationen, aus denen keine Tore fallen dürfen. Das war heute bei beiden Toren der Fall, das ist in Berlin und auch in München passiert", analysierte Verteidiger Mats Hummels nach dem Spiel: "Das passiert uns viel zu oft. Die Stabilität müssen wir uns ganz oben auf die Fahne schreiben, wenn wir was erreichen wollen."
Hummels meinte Julian Brandts Pass und Emre Cans Foul vor dem Freistoß, der nach 15 dominanten Dortmunder Minuten zum Frankfurter Führungstreffer durch Rafael Borré führte, und die lange Fehlerkette vor dem 0:2, ebenfalls durch Borré. Nach einem erneuten Ballverlust im Spielaufbau hatte der BVB keinen Druck mehr auf die Eintracht ausüben können und am Ende der Kette hatte der von der Mittellinie zurückeilende Kapitän Marco Reus dann noch den Ball unglücklich verstolpert. In dieser Saison hat Borussia Dortmund bereits 28 Gegentreffer erzielt, auf alle erdenklichen Arten, aber mit unheimlich hoher Fehlerkonstanz.
Dass der BVB letztendlich doch noch etwas erreichte, war einer Systemumstellung des Trainers Marco Rose zu verdanken, der in der 65. Minute mit Thorgan Hazard für Julian Brandt in der Zentrale Platz für den auf der linken Außenbahn verschenkten Reus schuf. Auf seiner Paradeposition brauchte der Nationalspieler nur wenige Minuten, um mit einem Pass auf Haaland den Anschlusstreffer durch Hazard einzuleiten.
"Bayern, Bayern, Bayern"
Die Frankfurter wirkten danach kraftlos, ließen sich immer tiefer hineindrücken und brachen schließlich zusammen. Bellingham auf Flanke des wie immer stets bemühten und meist unglücklichen Thomas Meunier und Dahoud mit einem feinen Schlenzer drehten das Spiel und ließen gleich alle träumen, die vom Träumen leben. Das Meisterrennen. Wieder offen. Nur noch sechs Punkte. Und mit dieser Mentalität. Natürlich mussten die BVB-Spieler danach die Fragen beantworten. Und taten das auch.
"Wir reden immer über die Bayern, Bayern, Bayern, aber wir müssen auf uns schauen. Wir müssen versuchen, jedes Spiel zu gewinnen und dann werden wir sehen, wo wir am Ende stehen", zeigte Can sich nach dem Sieg genervt von der Frage nach dem Blick auf die Bayern. Er war am Ende womöglich erstaunt, dass Trainer Rose im "Aktuellen Sportstudio" die Meisterfrage zurück an die Mannschaft reichte. "Die Frage dürfen Sie nicht mir stellen. Die Frage werde ich auch weitergeben an meine Mannschaft. Weil die Jungs das beantworten müssen. Dazu haben sie in den nächsten Wochen die Chance", sagte der und forderte weiter Haltung von seiner Mannschaft.
"Mentalitätsmonster" könnten sich absetzen
Den Verfolgern außerhalb der Champions-League-Plätze durch den Sieg auf acht Punkte enteilt, müssen die Dortmunder in den nächsten Wochen also erneut als ernsthafter Konkurrent für die Bayern, die weiter sechs Punkte vor ihnen liegen, herhalten. Zumindest medial. In den nächsten Spielen erwartet den BVB ein durchaus anspruchsvolles Programm. Mit vier Siegen könnten sie ihre Saison früh absichern. Denn mit dem SC Freiburg, der TSG Hoffenheim, Bayer Leverkusen und Union Berlin geht es gegen die vier Mannschaften, die im Schneckenrennen um die Champions-League-Plätze aktuell die vier Ränge hinter dem BVB halten.
Danach wird sich klären, wie realistisch die Meisterchancen der Dortmunder wirklich sind und natürlich auch, ob Erling Haaland bleibt. Der wird Borussia im Winter nicht verlassen, berichtete BVB-Boss Hans-Joachim Watzke dem "Spiegel". Und somit bis zu einer möglichen Entscheidung weiter für große Unterhaltung auch abseits des Platzes sorgen. Zuletzt war er in Spanien in die Schlagzeilen geraten, weil er einer zufälligen Bekanntschaft am Strand detailliert seine Zukunftspläne erläutert haben soll. Der Stoff aus dem die Träume sind.
Haaland blieb am Samstag ohne eigenen Treffer, überzeugte jedoch in den letzten Minuten mit seiner Mentalität, diesem Wort, das im BVB-Umfeld so gerne in den Mund genommen wird: Weil es alles heißen kann oder nichts - so wie der Sieg der Borussia in Frankfurt. Vorerst zementierten die "Mentalitätsmonster"damit nur die Verhältnisse in der Liga. "Wir haben einen geilen und emotionalen Sieg eingefahren", sagte Hummels.
Quelle: ntv.de