Der mit dem Neuer tanzt Grrrrr …, dieser Griezmann
28.09.2016, 11:55 Uhr
Pfeilschnell und abgezockt: Antoine Griezmann.
(Foto: imago/Jan Huebner)
Cristiano Ronaldo muss sich fürchten. Vor Antoine Griezmann. Denn der droht nicht nur, der neue König von Madrid zu werden, er könnte auch die Weltfußballer-Tristesse beenden. Ronaldos Hoffnung lautet Manuel Neuer. Doch der ist griezmannisiert.
Cristiano Ronaldo schmollte. Sogar Mama Dolores musste ran, um ihren eigentlich doch so stolzen Sohn nach dem peinlichen 2:2 gegen Las Palmas am späten Samstagabend wieder aufzurichten. An nichts kann sich der 31-Jährige derzeit erfreuen. Nicht am Spiel seiner Mannschaft, nicht an den Toren seiner Real-Kollegen. Nicht mal an seiner eigenen Leistung. Denn die ist unerhört schlecht. Seit Wochen. Und dann ist da noch Antoine Griezmann. Ein kleiner, schmächtiger Franzose. Torgefährlich, schnell, schlitzohrig.
- Antoine Griezmann wurde am 21. März 1991 in Mâcon, einer Kleinstadt nördlich von Lyon, geboren.
- Nach seiner Jugendzeit in Mâcon wechselt er 2005 als 13-Jähriger zu Real Sociedad San Sebastian.
- Sein Profidebüt gab Griezmann am 6. September 2009, als er am 2. Spieltag der Segunda Division gegen Real Murcia für Jonathan Estrada eingewechselt wurde.
- Das Jahr 2016 war das bislang erfolgreichste in seiner Karriere: Vize-Europameister, Champions-League-Finalist sowie Torschützenkönig und bester Spieler der EM.
In der spanischen Hauptstadt Madrid ist der Stürmer von Atlético Madrid gerade das Haste-schon-gehört-Thema. Eine schallende Ohrlasche für den eitlen Fußball-König. Die stürmende Führungskraft der Malochertruppe aus dem Süden der Stadt putscht gegen den nach Liebe und ständiger Anerkennung strebenden Chefadeligen der "Königlichen" – aber nicht nur in Madrid, nein, sondern auf dieser ganzen verdammten Erde.
Neuers gallischer Makel
Grrrrr …, dieser Griezmann! Unaufhaltsam stürmt er in die Welt hinaus. Schießt Tor um Tor. Für seinen Klub, für sein Land. Niemand scheint sich diesem körperfettbefreiten Athleten in den Weg zu stellen. Sollte sich nach gefühlt 1000 Jahren Langeweile tatsächlich ein anderer Fußballer als Ronaldo oder Lionel Messi den "Ballon d'Or" ins Trophäenschränkchen packen dürfen? Niemals! Ein Fall für Manuel Neuer. Für den deutschen Torwart-Titan. Hüter der gepflegten Null, personifiziertes Trauma der internationalen Sturmelite. Heute Abend, wenn es in der Champions League zum Wiedersehen der Bayern mit Atlético kommt (ab 20.45 Uhr im n-tv.de-Liveticker), im Estadio Vicente Calderón, in der charmantesten Bruchbude der Welt. Doch Moment, der nach dem Ball schnappende Messias ist behaftet mit einem gallischen Makel. Griezmannnix. Beim Teutates!
Champions-League, Europameisterschaft, Griezmann. Zwei vorfinale Fights, zwei (genauer gesagt drei) französische Knockouts. Neuer, geschlagen, gefrustet – und verärgert. Über Griezmann. Denn dessen Interpretation der eigenen Kaltschnäuzigkeit drückte den Stachel noch tiefer in das schmerzende Fleisch des geschlagenen Keepers. Von ungeahnt tollen, antizipierenden Kräften sprach der Franzose, als er das entscheidende 2:0 seiner Nationalelf bei der EM gegen Deutschland beschrieb. Seine Meinung. Nicht Neuers. Der sprach dem Stürmer ab, der beste Beurteiler von Torwartleistungen zu sein. Wahrheit? Frust? Egal. Griezmann ist gefürchtet. Mittlerweile. Das Hähnchen ist zum Hahn geworden.
Und der Mann, der diese erfolgreiche Fußballer-Mast verantwortet hat, heißt Eric Olhats. Olhats ist Scout. Er arbeitet für Real Sociedad San Sebastián. Er entdeckt Griezmann. Er sieht seine Potenziale. Niemand sonst. In Frankreich trauen die Talentschmieden der großen Klubs dem hageren Burschen aus Lyon den Durchbruch nicht zu. "Zu klein, zu leicht, zu gebrechlich", heißt es. Das auf Kraft und Athletik ausgerichtete Spiel der Franzosen, es braucht keine muskelarmen Hänflinge. Désolé, Antoine. Doch dann kommt Olhats. Heftigst umwirbt er die Eltern des erst 13-Jährigen. Der verschmähte Griezmann geht nach Spanien.
Technik und Tikitaka statt Wucht und Vehemenz
Dort, wo Technik und Tikitaka zählen, nicht Wucht und Vehemenz, findet der Stürmer seine Heimat, sein Glück. Er lernt schnell. Seine vermeintliche physische Unterlegenheit wird zur Waffe. Sein Spiel spanisch intelligent, südamerikanisch - stark geprägt von mehreren Teamkollegen - hart. Seine Einstellung, manchmal noch jugendlich-naiv. Vor einem U21-Länderspiel zieht Griezmann mit ein paar Jungs um die Häuser. Die Geschichte kommt raus, das Spiel geht verloren. Griezmann wird vom Verband gesperrt. Ein Wendepunkt in seiner Karriere sei das gewesen, heißt es in einem Bericht der "Zeit".
Im Sommer 2014 verlässt Griezmann seinen baskischen Ausbildungsklub. Er, der Stürmer, wechselt zu den Rojiblancos, zu Diego Simeone, dem internationalen Zeremonienmeister knallharter, disziplinierter bis zur Perfektion getriebener Abwehrarbeit. Vorbei ist's mit dem freigeistigen Herumlungern. Griezmann wird zum ersten Verteidiger geschliffen. Mit brutaler Power läuft er die Gegner an, hält den Pressingdruck permanent hoch und bleibt immer gefährlich. Simeone quält den Schmachtlappen in die Weltklasse. Was ihm jetzt noch fehlt, ist der große internationale Titel. Zweimal scheiterte er im Sommer an Ronaldo, im Champions-League- und im EM-Finale. Der schmollende König ist Griezmanns letzter großer Gegner. In dieser Saison will er ihn endlich knacken. Wen interessiert da eigentlich noch Manuel Neuer?
Quelle: ntv.de