So läuft das wahre Pokalfinale Guardiola cool, Klopp krawallt am Limit
28.04.2015, 16:36 Uhr
Auf zum vorerst letzten Duell: Josep Guardiola und Jürgen Klopp.
(Foto: imago/ActionPictures)
Auf Krawall gebürstet reist Klopps BVB zum Pokal-Showdown nach München. Gegen Guardiolas Meister-Bayern entscheidet sich, ob seine Abschiedstournee eine Zugabe bekommt - oder der FC Bayern Geschichte schreibt.
Worum geht es?
Um ein halbes Finale, so steht es in den DFB-Statuten. Das ganze Endspiel in diesem DFB-Wettbewerb ist offiziell erst für den 30. Mai in Berlin vorgesehen. Doch ohne dem VfL Wolfsburg und Bielefelds wackeren Pokalhelden zu nahe treten wollen: Schluss sein könnte auch gut und gerne nach dem Duell zwischen FC Bayern und Borussia Dortmund (ab 20.30 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) - auch für Josep Guardiola. "Wir haben ein Finale gegen den BVB", ließ Bayerns Couchmeister-Coach vorab wissen. Dabei geht es Guardiola natürlich primär um die Münchner Triple-Chance. Es geht aber auch ums Prestige im vorerst letzten München-Gastspiel jenes "Super Typs", der Dortmund zum Bayern-Erzrivalen Nr. 1 gemacht hat: Jürgen Klopp.
Der Noch- BVB-Trainer hielt vor der spektakulärsten Etappe seiner großen Abschiedstournee verbal mühelos mit. "Aus unterschiedlichsten Gründen ist das ein superwichtiges Spiel", sagte Klopp, nachdem er noch rasch ein skurriles Fremdgehgerücht entkräftete hatte. Einer dieser Gründe ist, dass Klopps Dortmunder im Verbund mit den Bayern den deutschen Fußball in den vergangenen Jahren dominiert und geprägt haben. Nicht nur Bundesliga (seit 2010) und DFB-Pokal (seit 2012) degradierten sie zu München-Dortmunder Privatwettbewerben, auch die Champions League mischten sie 2013 gemeinsam auf. In München muss sein BVB nun zeigen, ob er sich noch einmal zu einem letzten großen Klopp-Akt aufraffen und seinem Trainer eine Zugabe bescheren kann, die dann womöglich auf dem Borsigplatz endet, mit einem letzten gemeinsamen Titel. Ziemlich viel drin in diesem halben Finale.
Wie stehen die Vorzeichen?
Sportlich herausragend, siehe oben. Personell prächtig, siehe unten. Und auch verbal sind beide Lager in Topform. BVB-Stadionsprecher Nobert Dickel belebte sogar die Klopp’sche Kunst der Tiefstapelei wieder und behauptete: "Wir haben doch gar nicht viel zu verlieren." Das darf als Untertreibung des Jahres im Fußballalbum 2015 abgeheftet werden.

Spannungsabfall nach der 25. Deutschen Meisterschaft? Bastian Schweinsteiger, Mitchell Weiser und der FC Bayern machen nicht den Eindruck.
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Wirklich retten lässt sich eine BVB-Saison zwar nicht mehr, wenn an ihrem Ende der freiwillige Abgang des Rekordtrainers steht, drei Jahre vor Vertragsende. Aber ein großes Pokal-Pflaster könnten sich die Dortmunder noch auf die Wunden kleben, die eine schwer erklärliche Spielzeit hinterlassen hat. Ganz nebenbei könnte Klopps BVB mit einem letzten Ausrufezeichen in München nicht nur bayerische Triple-Träume platzen lassen, sondern seinen Coach zum Bayern-Bezwinger der Herzen machen: Von 22 Pflichtspielen gegen die Münchner gewann Klopp mit Dortmund bislang neun - bei zehn Niederlagen. Allerdings: Für die Bayern bleibt der BVB trotz sagenhafter 37 Punkte Vorsprungs in der Liga der Gegner, den es national zu schlagen gilt. "Es ist eine Ehre gewesen, gegen Klopps Mannschaft zu spielen", überbrachte Guardiola verbal dann doch noch Bayern-Blumen. Einen Spannungsabfall wie im Vorjahr, als seinen Münchnern nach dem vorzeitigen Titel die Luft ausging, schließt der Spanier cool aus: "Im letzten Jahr war das eine komplett andere Situation."
Wie ist der FC Bayern drauf?
Meisterlich. Gegen die Berliner Hertha stellte Trainer Guardiola zwar Rohdiamanten wie Mitchell Weiser, Gianluca Gaudino und Sinan Kurt auf und setzte dafür gleich fünf Spanier auf die Bank. Gewonnen haben die Bayern trotzdem, Arbeitssieg nennt man das, und im Pokal soll nach einer Blitzheilung seines Bauchmuskelrisses jetzt auch Arjen Robben wieder dabei sein. Der Mann, der einst als tragische Figur in die Fußballgeschichte einzugehen drohte - und inzwischen zur Münchner Lebensversicherung in wichtigen Spielen geworden ist. Vor allem gegen den BVB spielt der Niederländer seit seinem entscheidenden Elferfehlschuss 2012 regelmäßig groß auf. Im Champions-League-Finale 2013 und im Pokal-Viertelfinale 2013 erzielte er die Siegtore gegen Dortmund, im Pokalendspiel 2014 traf er zum vorentscheidenden 1:0. "Arjen Robben ist mit seiner Qualität wichtig für uns", findet Guardiola und deutete an, dass der siegende Holländer vom Krankenbett direkt wieder in die Startelf rotieren könnte. Ob Meisterschütze Bastian Schweinsteiger wieder rausrotiert, ließ er offen.
Wie sind die Dortmunder drauf?
Sie scheinen wieder in der Spur und das gerade rechtzeitig, um ihrem Jürgen Klopp noch einen formidablen Abschied zu bereiten. 3:0 gegen den SC Paderborn, 2:0 gegen Eintracht Frankfurt, der man nicht einmal einen Torschuss gestattete: Das eröffnet nun auch in der Liga wieder Europa-Optionen und klingt doch ordentlich konstant für eine Mannschaft, die nach debakulöser Vorrunde auch in der weitaus stabileren Rückserie immer wieder unter akuten Schüben von Achterbahnfußball litt. Der kürzeste Weg nach Europa bleibt aber der Pokal, zwei weitere Siege, schon wäre man da.
Dezente Fragen danach, ob die Mannschaft seit Klopps Rücktrittsankündigung jetzt irgendwie gelöst wirkt, vielleicht sogar erlöst, weisen sie in Dortmund aber empört zurück. "Fangfrage!", rufen sie. Das impliziere schließlich, die Mannschaft hätte vorher gegen Klopp gespielt, und dieser kausale Zusammenhang scheint in der Tat gewagt. Es war wohl eher so, dass der BVB nicht mehr bedingungslos für Klopp gespielt hat. In München kündigten seine Profis nicht nur unisono einen Kampf, Einsatz. Leidenschaft und Selbstbewusstsein an. Bei Ilkay Gündogan, Viertelfinal-Held Sebastian Kehl und Roman Weidenfeller wurden aus Dortmund quasi Robben’sche Blitzheilungen vermeldet. "Anscheinend wollen gegen die Bayern alle dabei sein", frohlockt Klopp, er will sein auf "Krawall gebürstetes" Team in München am Leistungslimit sehen: "Wer den Pokal gewinnen will, muss die Bayern schlagen."
Was gibt es sonst noch?
Sich fröhlich widersprechende Statistiken. Dreimal reiste Borussia Dortmund bislang im Pokal nach München. Dreimal verlor der BVB, dreimal schoss er dabei kein Tor, kassierte aber insgesamt sieben. Andererseits haben die Dortmunder ihre letzten vier Pokal-Halbfinals alle gewonnen und das sogar zu Null. Zuletzt gab es 1986 einen Halbfinal-K.o. mit einem 1:4 beim VfB Stuttgart. Und: mit Mitch Langerak steht ein echter "Bayern-Schreck" im Tor. Drei Pflichtspiele bestritt er bislang gegen den FC Bayern, dreimal gewann er – in der Liga 2011, im Pokalfinale 2012, im Supercup 2014. Auch bei seinen zehn Pokaleinsätzen hat der Australier eine Hundertprozentquote. Die allerdings hat auch Bayerns Trainer Guardiola, der im DFB-Pokal noch unbesiegt ist. Er könnte sein Team zum vierten Mal in Folge ins Finale führen, was ein Novum wäre. Außerdem: In ihren letzten 32 Pokal-Heimspielen verloren die Münchner nur ein einziges. Und wofür spricht das nun alles? Genau: ein großes Spiel.
Quelle: ntv.de