Sechs Lehren aus der Hinrunde Guardiola super, Meier göttlich, BVB fatal
29.12.2014, 14:03 Uhr
Superbilanz, super Spieler, super Trainer: Josep Guardiola und der FC Bayern, das war in der Bundesliga-Hinrunde ein Hort der Harmonie.
(Foto: imago/Moritz Müller)
Vor der Saison hofft die Liga auf einen WM-Kater beim FC Bayern. Nach der Hinrunde gratuliert sie zur Meisterschaft und Josep Guardiola lobt sich selbst ("super Trainer"). In Frankfurt brilliert Fußballgott Meier, in Dortmund niemand.
1. Robben, Guardiola, alle super, super, super
Arjen Robben ist der Spieler der Hinrunde in der Fußball-Bundesliga, darauf scheinen sich irgendwie alle geeinigt haben. Sagen wir es so: Schlecht spielt er nicht. Zehn Tore geschossen hat er für den FC Bayern. Hinzu kommen drei Vorlagen. Trainer Josep Guardiola sagt: "Er ist ein super Profi, ein super Spieler. Ich freue mich über Spieler mit so einer überragenden Qualität." In München haben sie allen Grund, mit sich und der Welt zufrieden zu sein. Die Deutsche Meisterschaft ist ausgemachte Sache, sie können sich auf die Champions League konzentrieren. Dort geht es am 17. Februar ins ukrainische Lemberg zum Achtelfinale gegen Schachtjor Donezk, ehe am 11. März das Rückspiel in München ansteht. Im DFB-Pokal haben die Bayern Anfang März ein Heimspiel gegen den Zweitligisten Eintracht Braunschweig. Kurzum: Es läuft alles nach Plan. Und das überraschend glatt, ...
2. FC Bayern tanzt selbst den WM-Kater aus
... schließlich ist dies die Saison nach einer Weltmeisterschaft, in der die Münchner mit ihren vielen Nationalspielern aus aller Herren Länder traditionellerweise ein wenig schwächeln. Das hatte Bayern-Coach Josep Guardiola nach dem verlorenen Supercup in Dortmund in Aussicht gestellt, als er stotternde Bayern bis Weihnachten ankündigte. Darauf hatten all die unverbesserlichen Fußballromantiker gehofft, auf dass der Titelkampf in dieser Saison zumindest ein ganz klein wenig spannend werde. Pustekuchen! Der FC Bayern mit seinem Luxuskader schwächelt nicht. Warum seine Spieler nach den WM-Strapazen schon seit Wochen gut in Form seien, wurde Guardiola unlängst gefragt. Antwort: "Ich bin ein super Trainer." Lustig sein können sie also auch noch. Aber im Grunde stimmt es ja, auch wenn er sich niemals selbst so loben würde. Er änderte oft das System und wechselte das Personal. Warum? Weil er es kann. Das Ergebnis war fast immer gleich: Der Rekordmeister ist auch in dieser Saison nicht aufzuhalten und spielt - auch dank Guardiola - in einer eigenen Liga. In 51 Bundesligapartien unter Guardiola gab es für die Bayern 43 Siege und nur zwei Niederlagen. Die Punkteausbeute von 2,65 im Schnitt ist natürlich - ein Rekord. Sagen wir es so: Schlecht spielen sie nicht. Das hat auch der WM-Kater eingesehen und es sich stattdessen in Dortmund gemütlich gemacht.
3. Das BVB-Pferd springt nicht mehr
Als Bayern-Bezwinger und Meisterschaftsaspirant in die Saison gestartet, als Abstiegskandidat in die Winterpause getaumelt. Borussia Dortmund hat in der Bundesliga eine Horror-Hinrunde hingelegt und bricht wie der bereits um 30 Punkte enteilte Konkurrent aus München jahrzehntealte Rekorde, allerdings negative. Der Schrecken in Zahlen: 15 Punkte in 17 Spielen, mickrige 18 Tore, ein direkter Abstiegsplatz in der Winterpause und schon zehn Niederlagen. Zwischendurch schien es sogar so, als ob BVB-Rekordtrainer Jürgen Klopp verzweifelt hinschmeißen könnte, immerhin ist von ihm das schöne Bonmot überliefert: "Es gibt ja den Spruch, ein gutes Pferd springt nur so hoch, wie es muss. Den hasse ich, wie Nichts anderes. Ein Pferd hat verdammt noch mal so hoch zu springen, wie es kann." Genau das aber tat sein BVB in der Hinrunde zu selten, auswärts stellten die Dortmunder das Springen ab dem 4. Spieltag sogar gänzlich ein. Während sich der BVB in Champions League und Pokal souverän in die nächsten Runden spielte, hakte und klemmte es in der Liga dramatisch. Dabei hatten die Dortmunder ganz im Sinne des Ex-Borussen Jürgen Wegmann erst kein Glück und dann kam auch noch Pech dazu. Solange, bis sich die anfangs guten, aber glücklosen Leistungen und der immer tiefere Tabellenplatz der Borussia angeglichen hatten. In Berlin und Bremen agierte der BVB zuletzt wie ein Absteiger, mental nicht bereit für den Überlebenskampf in der Liga. Damit immerhin weckte die Borussia den Kampfgeist seines Coaches, der für die Rückrunde versprach: "Wir werden ein erbitterter Jäger sein." Mal schauen, was seine Mannschaft davon hält.
4. Abstiegskampf ist massenkompatibel
Aber die Dortmunder sind nicht alleine im Tabellenkeller, alles andere wäre auch seltsam. Im Gegenteil: Der Bereich, in dem die Mannschaften mit dem Etikett "abstiegsgefährdet" leben müssen, hat sich bis ins Souterrain ausgeweitet. Und das ist mit dem BVB, den Hamburgern, den Stuttgartern und den Bremern durchaus prominent besetzt. Kurzum: Bis Platz zehn gibt's nichts mehr zu lachen, wobei der SC Paderborn mit seiner Rolle als Tabellenführer der Verliererhälfte mehr als zufrieden ist. Als Aufsteiger und "krassester Außenseiter der Geschichte" kann er es auch sein. Schließlich hatten vor der Saison fast alle auf die Ostwestfalen als sicheren Absteiger getippt. Davon kann nicht die Rede sein. Da passt es ins Bild, dass der SCP auch den Torschützen der Hinrunde in seinen Reihen hat. Moritz Stoppelkamp schoss am 20. September im Spiel gegen Hannover 96 den Ball aus exakt 82 Metern und 30 Zentimetern in des Gegners Tor. Das ist natürlich - ein Rekord. Inzwischen führt die Moritz-Stoppelkamp-Allee über den Vorplatz der kleinen Arena des SC Paderborn, eingeklemmt zwischen Möbelhaus Finke und der A33. Und sie ist, genau, 82 Meter und 30 Zentimeter lang. Zurück zum Abstiegskampf: Es deutet viel darauf hin, dass sich neun Mannschaften bis zum letzten Spieltag ein denkbar enges Rennen liefern werden. Zur Erinnerung: Den Tabellenletzten aus Freiburg, der wie der BVB 15 Zähler auf dem Konto hat, und besagte Paderborner auf Platz zehn trennen gerade einmal vier Punkte.
5. Trainerwechsel lohnen sich
In Dortmund werden sie das nicht gerne hören, aber eine der Lehren der Bundesliga-Hinrunde ist: Trainerwechsel lohnen sich. Vier Mannschaften entschieden sich, im laufenden Betrieb die wichtigste Position neu zu besetzen und installierten neue Übungsleiter: Werder Bremen, der FC Schalke, der VfB Stuttgart und der Hamburger SV. Das zahlte sich in der Punkteausbeute aus, die bei allen vier Teams von zusammengerechnet 0,7 Punkten pro Spiel auf 1,51 Zähler pro Partie regelrecht explodierte. Das machte sich auch in der Tabelle bemerkbar, wo sich alle Teams mindestens bescheiden verbesserten.
6. Es gibt immer Überraschungen
Apropos Dortmund: Es gab auch positive Überraschungen: Einer hat in dieser Liga noch drei Tore mehr erzielt als der überfliegende Holländer Robben. Alexander Meier, 31 Jahre alt, und für die seit dieser Saison von Thomas Schaaf trainierte Frankfurter Eintracht aktiv. Oder, wie Klub-Ikone und Bundesliga-Rekordspieler Karl-Heinz Körbel scherzte: "Meier, was ist aus dem Fußball geworden, wenn sie dich schon Fußball-Gott nennen?" In der Tat ist nicht überragende Spielkunst, sondern Effizienz Meiers große Stärke. Die Leistungsdaten weisen ihn als einen Spieler mit äußerst wenig Ballkontakten aus. "Aber", lobt sein Ex-Trainer Friedhelm Funkel, "seine Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor ist einfach phänomenal."
Als phänomenal überraschend dürften auch zwei Nationaltorhüter ihr neues Dasein als Edelreservisten empfinden: In Hamburg drückt René Adler die Ersatzbank und soll den Verein im Winter verlassen, damit der HSV die kolportierten 2,7 Millionen Euro Jahresgehalt anderweitig verschwenden kann. In Dortmund wurde Null-Sekunden-Weltmeister Roman Weidenfeller Opfer der Krise und temporärer Stammersatztorwart. Zum Rückrundenstart dürfte er aber wieder ins BVB-Tor zurückkehren. Dann weilt sein Vertreter Mitch Langerak beim Asien-Cup. Und 2015 soll ja ohnehin alles besser werden beim BVB. Muss ja auch.
Quelle: ntv.de