Wiedersehen der Fußball-Philosophen Guardiolas Salz ist Tuchels Pfeffer
03.10.2015, 10:03 Uhr
Wer sich das Spiel von Borussia Dortmund anschaut, der erkennt zweierlei. Ein bisschen Klopp und eine gute Portion Guardiola. Das sich der BVB taktisch beim großen Rivalen bedient hat, ist Resultat eines ungewöhnliches Taktiktreffs.
Die Kellner der Münchner Szene-Bar "Schumann’s" haben im Winter 2014 eine ganze Menge zu tun, als Josep Guardiola und Thomas Tuchel die Lokalität verlassen. Es gilt ein Chaos aus Salz- und Pfefferstreuern zu beseitigen. Dabei hat alles ganz harmlos angefangen. Der Trainer des FC Bayern München, also Guardiola, und Tuchel, Ex-Übungsleiter des FSV Mainz und damals im Sabbatjahr, haben sich verabredet. Ein harmloses Treffen zwischen zwei Fußball-Fanatikern, die sich sehr schätzen. Ein Kennlern-Gespräch, ein bisschen philosophieren über das Leben und, natürlich, den Fußball.
Doch es dauert nicht lang, da artet das Coaching-Come-Together aus, in einen ganz speziellen Taktik-Treff. Die Tische werden zum Spielfeld, Salz- und Pfefferstreuer zusammengezogen und schließlich wird stundenlang debattiert, über das Spiel elf gegen elf. Ob die Geschichte in allen Details stimmt? Vermutlich, denn dementiert wurde sie nie. Nur Guardiola versuchte die offenkundige Nerdigkeit des Doppels ein wenig zu relativieren: "Wir haben allgemein gesprochen, über meine Ideen."
Wenn sich Guardiola und Tuchel am Sonntag zum Gipfeltreffen der Bundesliga in München (ab 17.30 Uhr im Live-Ticker bei n-tv.de) wiedersehen, dann wird wohl auf beiden Seiten eine ganze Menge von dem umgesetzt, was mit Salz- und Pfefferstreuern besprochen wurde. Der Katalane hat sich beim FC Barcelona mit seiner Idee des gleichermaßen spektakulären wie zermürbenden Passspiels den Ruf des Weltklasse-Coachs erworben. Bei den Bayern hat er seine Idee weiterentwickelt, hat die Ästhetik des Spiels um die Komponente schnelles Flügelspiel und Torwucht erweitert. Und vieles von dem, was Guardiola gerne auf dem Feld sehen möchte, lässt sich in dieser Saison auch im Spiel des Dauerrivalen aus dem Westen beobachten.
Tuchel schwärmt für Tiki-Taka
Dabei hat Tuchel sich allerdings mehr Anleihen aus der Zeit des Katalanen beim FC Barcelona genommen, als aus den vergangenen beiden Jahren bei den Bayern. Das Spiel des spanischen Top-Clubs unter Guardiola hat sich der Dortmunder Coach intensiv erarbeitet. Der "Zeit" sagte er im März: "Da konnte ich alles lernen, was dieses Spiel ausmacht: der herausragende, schematische Ballbesitz, großartige Individualisten wie Lionel Messi und das absolut mutigste und fleißigste Verteidigen von Topstars." Beim BVB hat er die Tiki-Taka-Idee, so wurde das schnelle Passspiel genannt, clever in den sieben Jahre lang in Dortmund praktizierten Vollgas-Fußball eingepflegt. Seine in Mainz gehegte Vorliebe für einen klassischen Stoßstürmer hat er zugunsten von Aubameyang vorerst aufgeheben.
Sein Matchplan, diesen Begriff prägte er zu seiner Zeit in Mainz, sieht viel Ballbesitz, Tempowechsel, flexible taktische Möglichkeiten und schnelle Pässe in Spitze vor. In Kurzform bedeutet das: Weniger läuferischer Aufwand als unter Klopp, aber mehr Ertrag. Ein Plan, der es auch beim FC Bayern München längst zur Leitidee geschafft hat. Es ist daher alles andere als eine Überraschung, dass ausgerechnet jene beiden Vereine - bei aller finanziellen Potenz - die Liga anführen, die eine vergleichbare taktische Ausrichtung verfolgen.
Beide Klubs haben nicht nur die stärksten Offensivreihen, Bayern mit 23 Toren, Dortmund mit 21 Treffern. Sie stehen auch in der Defensive sehr stabil. Dass sich die Borussia zwei ihrer bisher kassierten sechs Treffer ausgerechnet gegen Darmstadt einfing und zuletzt dreimal sieglos blieb, ist für Guardiola allerdings kein Indiz, den Rivalen in irgendeiner Form nicht auf Augenhöhe zu wähnen: "Dortmund ist eine Top-Mannschaft. Meine Spieler wissen, wie gut sie sind." Und Guardiola weiß, wie gut Tuchel ist. Schließlich hat er ihn geprägt. Sogar mit Salz- und Pfefferstreuern im "Schumann's".
Quelle: ntv.de