Der "Ausputzer" wundert sich Hat die Welt Guardiola nun weniger lieb?
12.05.2015, 15:38 Uhr
Josep Guardiola erlebt schwere Wochen beim FC Bayern, sie begannen mit dem dramatischen Pokalaus gegen Borussia Dortmund. Da tröstete er noch, inzwischen braucht er selbst Trost.
(Foto: imago/DeFodi)
Hymnische Verehrung? Derzeit sorgt Bayerns Supercoach Josep Guardiola für Schnappatmung und Schadenfreude. Von allen Seiten wird über ihn hergefallen, die Nörgler haben Oberwasser - selbst Erzfeind José Mourinho. Warum nur?
Der morgendliche Blick auf die Nachrichten fiel Josep Guardiola bestimmt mal leichter. Nach vier Nackenschlägen in Folge für die sonst so dominanten Bayern reagiert man aller Orten mit Schnappatmung und Schadenfreude. Unglücklich zuhause im Pokalhalbfinale gegen Dortmund zu verlieren, das schmerzt, ebenso eine deutliche Niederlage gegen Barcelona. Gegen Leverkusen hat man auswärts auch schon mal besser gespielt - aber daheim gegen Augsburg zu verlieren, das ist zuviel. Die "Bild"-Zeitung steuerte dann auch hilfreich ein Votum mit der Frage "Ist Pep Guardiola gescheitert?" dazu und lieferte pflichtschuldig die Antwort - 57 Prozent nicken das ab.
Das Fußballwochenende ist passé, alles ist geschrieben und gesagt. Wirklich alles? Natürlich nicht. Mit unserer Kolumne "Der Ausputzer" kehren wir auf n-tv.de dienstags, was aufzukehren ist. Unsere Autoren sind: Christian Bartlau, Kai Butterweck, Anja Kleinelanghorst und Ingo Scheel. Nach dem Spiel ist schließlich vor dem Spiel.
Bahn frei für die üblichen Marktschreier: Stefan Effenberg meinte, es sei zu wenig, wenn der FC Bayern nur die Meisterschaft gewinnt. Lothar Matthäus kritisierte die mangelnde Kommunikation und José Mourinho ließ von der britischen Insel als Seitenhieb verlauten, dass er sich im Unterschied zu anderen Kollegen als Trainer die schwierigste Liga ausgesucht habe - in anderen Ligen könne doch jeder Zeugwart Meister werden. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen, heißt es doch so schön und wahr. Aber auch anderen Ortes zweifelte man -die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" mutmaßte ebenfalls, dass der Katalane überbewertet wurde.
Fußball-Deutschland verbeugte sich
Dass jetzt fast alle auf Guardiola draufhauen, liegt auch daran, dass so endlos viel von ihm erwartet wurde. Wir erinnern uns: Als der Katalane vor zwei Jahren zu den Bayern stieß, verbeugte sich Fußball-Deutschland vor ihm. Hier war ein Mann, der mit Barcelona alles gewonnen hatte, was man gewinnen konnte und der sich danach erstmal eine Auszeit gönnte, um sich kulturellen Dingen zu widmen.
Von so einem konnte man doch die Fortführung der Bayern-Dominanz, die gerade das Triple gewonnen hatten, in aller Eleganz inner- und außerhalb des Spielfeldes erwarten. Und es ging ja auch gut - Rekord-Meisterschaft und Pokal reichten in der Premierensaison zum Double, nur in der Champions League schaute es nicht ganz so gut aus. Ausgerechnet gegen Guardiolas früheren Erzrivalen Real Madrid ging man unter.
Schrammen am Ruf als Taktik-Fuchs
Das Bild von Guardiola als Lichtgestalt ohne Fehl und Tadel bröckelte. Das Feuilleton fing schon früher an, Guardiolas Nähe zu Katar war berechtigter Anlass zu Kritik. Der Spanier hatte sich sehr für die WM im Emirat eingesetzt und zu den Vorwürfen über die dortigen Menschenrechtsverletzungen immer geschwiegen. Dass die Bayern Anfang dieses Jahres ausgerechnet in Saudi-Arabien Testspiele absolvierten, kam ebenfalls nicht gut an. Aber solange man fußballerisch Resultate brachte, ließ sich so etwas ignorieren.
Anfangs lief es in dieser Saison auch gut: Bayern dominierte wie eh und je, bis sich wichtige Spieler verletzten und Guardiolas Ruf als Taktikfuchs Schrammen bekam. Mit der Heimniederlage gegen Gladbach fing es an. Kollege Favre agierte geschickter und zeigte, wie man die Bayern besiegen kann, er feierte einen sogenannten Trainersieg - und das gegen Guardiola. Das haben sich nun einige abgeschaut. Guardiola machte es ihnen mit einigen Auswechselmaßnahmen auch leichter.
Ist der Lack nun ab?
Nach der Niederlagenserie tauchten gleich Gerüchte auf, dass der Erfolgstrainer die Nase voll habe und dem Werben seiner alten Barcelona-Kumpels Begiristain und Soriano nachgebe und demnächst Manchester City trainiert. Zur Erleichterung der Bayern-Chefs hat Guardiola dies nun aber als pure Spekulation abgewiesen und erklärt, dass er noch ein Jahr in München bleibt. Trotzdem wird man beim nächsten Spiel kaum viele riesige Fan-Plakate als Dankeschön für Guardiolas Loyalität sehen.
Dafür muss man in den Augen der verwöhnten Anhänger erstmal etwas leisten. Nun mit aller Wahrscheinlichkeit zum zweiten Mal hintereinander das Champions-League-Finale zu verpassen, passt da nicht so gut. Von besagter Heimniederlage gegen Augsburg mal ganz zu schweigen. Momentan haben sie ihn also nicht mehr so richtig lieb. Aber Herr Guardiola bleibt ja noch ein Jahr, um wieder in die Herzen von Fans und Medien einzuziehen. Ein Wunder gegen Barcelona könnte selbstverständlich die Sache beschleunigen.
Quelle: ntv.de