
Bobic rückt noch mehr ins Rampenlicht.
(Foto: imago images/Matthias Koch)
Hertha BSC kommt nicht zur Ruhe. Sportlich läuft es nicht, die Stimmung zwischen Trainer und Manager ist angespannt, der Investor will Erfolge für seine Millionen sehen und nun verlässt auch noch der CEO den Verein. Der Fußball-Bundesligist muss Zukunft - und Erfolg - schnell finden.
Für Hertha BSC wird es an diesem Wochenende nicht leicht. Der Fußball-Bundesligist muss in Frankfurt antreten, beim Meister-Besieger Eintracht Frankfurt. Dem einzigen Klub, dem es in dieser Saison bislang gelungen ist, den FC Bayern zu bewzingen. Für den Tabellen-14. eine harte Aufgabe. Eine weitere harte Aufgabe, neben so vielen, die den Klub plagen.
Das Team von Trainer Pal Dardai hat dabei einen besonderen Fan. Einen, der den Klub so gut kennt wie nur wenige andere: Carsten Schmidt. Bis Dienstag CEO des Vereins. Nun, aus privaten Gründen, nur noch ein Fan. "Ich werde mit dem Klub weiter fiebern, so wie ich es vom ersten Tag gemacht habe. Es hat mich gepackt und wird mich auch nicht mehr loslassen", verspricht der 58-Jährige sichtbar angefasst bei seiner letzten Pressekonferenz für den Verein.
Weder geht er freiwillig, noch lässt ihn Hertha freiwillig ziehen. Eine "schwere Krankheit im direkten familiären Umfeld" habe ihn zu diesem Schritt veranlasst, hieß es am Dienstagnachmittag in einer Mitteilung des Vereins. Einen Tag darauf erklärt er: "Ich werde mich jetzt komplett in mein privates Umfeld zurückziehen, das braucht meine ganze Aufmerksamkeit. Es ist eine Situation, die ich nicht nebenbei managen kann." Und gibt einen Einblick: "Es geht mir schlecht. Die Wochen und Monate haben an mir genagt. Es war ein schweres Jahr. Sowohl beruflich haben wir nicht das beste Jahr von Hertha BSC kumuliert und privat war es wahrscheinlich eines der schlechtesten." Werner Gegenbauer verabschiedet ihn mit Bedauern, doch eine andere Lösung sei nicht zu finden gewesen, sagt der Präsident. Die Aufgaben Schmidts übernehmen nun die beiden Geschäftsführer, Fredi Bobic für den sportlichen Bereich, Ingo Schiller für den der Finanzen.
Gerade einmal zehn Monate war Schmidt bei Hertha angestellt, hatte nach einem Casting den neu geschaffenen Posten des CEO besetzt, der nun wieder vakant ist. Gegenbauer will sich nicht festlegen, ob er wieder besetzt wird oder ob die bestehende Geschäftsleitung den Klub weiterführt. "Schnellschüsse" seien nicht angebracht. Erst einmal sei die "Geschäftsleitung gut aufgestellt", so Gegenbauer. Und auch Schmidt sagt: "Ich mache mir keine Sorgen, dass das in einem Vakuum endet."
Alte Dame kommt nicht zur Ruhe
Und doch ist Schmidts Aus der nächste kleine Krisenherd im krisengeplagten Verein. Seit 2019 - da war Dardai noch Trainer und der Klub beendete die Saison auf dem unbefriedigenden, aber sicheren Platz elf -, geht es äußerst turbulent zu. Dardai geht in jenem Sommer, mit Ante Covic übernimmt ein weiteres Klub-Urgestein den Trainerposten. Im Juni steigt Lars Windhorst als Investor ein und versucht, mit seinen Millionen und seinen forschen Aussagen - "Big City Club" - der alten, angegrauten Dame ein Glitzerkostüm überzuziehen. Er holt Jürgen Klinsmann, der eigentlich seinen Posten im Aufsichtsrat übernehmen soll, dann aufgrund sportlichen Misserfolgs aber kurzum als Trainer installiert wird. Klinsmann verprasst Millionen des Investors für Transfers im Winter, ist aber wenig erfolgreich, geht mit einem Knall und der Veröffentlichung seiner bemerkenswerten Tagebücher.
Dann bricht die Corona-Pandemie aus, mittlerweile ist Alexander Nouri vom Klinsmann-Assistenten zum Cheftrainer befördert. Die Welt steht still, doch mit weitreichenden Ausnahmen für die Fußballprofis geht es weiter. Nicht lange für Nouri, der im April bereits wieder abgesetzt und ersetzt wird durch Bruno Labbadia. Dass der Fußball zwar laufen darf, aber mit einigen strengen Auflagen wie Abstand halten, nimmt Salomon Kalou offenbar nicht so ernst. Ein Video aus der Kabine hält die Verstöße fest. Lappalien, heißt es von vielen, bei anderen sähe es doch genauso aus, nur seien die - gelinde gesagt - nicht so doof, es zu zeigen. Der Verein statuiert ein Exempel, Kalou muss den Verein verlassen. Da sind wir gerade einmal im Mai 2020 angekommen. Die Saison beendet Hertha BSC unter Trainer Bruno Labbadia auf Platz 14 - es klingt souveräner, als es war, der Abstieg wurde gerade noch einmal verhindert.
Im September wird bekannt, dass Carsten Schmidt zum 1. Dezember als CEO antritt. Im Januar 2021 müssen sowohl Labbadia als auch der langjährige Geschäftsführer Sport, Michael Preetz, gehen. Die Hoffnung auf etwas mehr Ruhe im Verein ist groß, als im April bekannt gegeben wird, dass Fredi Bobic im Juni das Amt des Geschäftsführers Sport übernimmt. Ein alter Bekannter des Klubs, einer, der Eintracht Frankfurt erfolgreich gemanagt hat. Und dann kehrt auch noch Dardai zurück - die beiden haben einst zusammen gespielt. Ein gutes Duo also, so die Hoffnung.
Windhorst hat mehr erwartet
Die Hoffnung schwindet schnell, der Saisonstart glückt nicht, die Hertha liegt schon wieder weit hinter den sportlichen Erwartungen zurück. Transfers waren spärlich, dabei hat der Klub doch 375 Millionen Euro von Investor Windhorst erhalten. Millionen, für die er sich mehr Mitspracherecht, mehr Einfluss erhofft hatte. Gegenbauer führt dagegen 50+1 an, die Mehrheit der Aktien darf Windhorst haben, die Mehrheit der Stimmen nicht.
Ein etwas ernüchterter Windhorst sagte jüngst dem RBB: "Ich habe erwartet, dass man mehr als Team konstruktiv und positiv an Projekten und Themen arbeitet, sich austauscht und wirklich mit Freude, Kreativität und Dynamik den Verein entwickelt und auf eine neue Ebene hebt. Dazu ist es bisher nicht so richtig gekommen." Sein Reden von der Champions League, sein Traum vom "Big City Club", Windhorst, der zwar die Millionen liefert, aber nichts bestimmen darf, trägt dazu bei, dass die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit bei Hertha zunimmt. Dass auch schonmal von einem Chaosklub die Rede ist.
Einer Sicht, die der scheidende CEO nicht mittragen will: "Es hat mich wahnsinnig aufgeregt, wen wir als Chaosklub bezeichnet wurden. Chaos ist ein ungeordneter Haufen, der nicht weiß, was er tut", sagt Schmidt bei seinem Abschied: "Das ist bei Hertha BSC zu keinem Zeitpunkt in meiner Zeit aus meiner Sicht der Fall gewesen." Gegenbauer wird sogar noch deutlicher: Chaosklub? Da kann ich mich eigentlich nur totlachen."
"Belastend und traurig"
Innenansicht und Außenwirkung weichen voneinander ab. Widerstände gegen Initiativen, die er angestoßen hat, habe es nie gegeben, so Schmidt. "Es gibt keinen Riss, es gab keinen Riss, es wird keinen Riss zwischen den Beteiligten geben." Mit dem Strategie-Projekt "Goldelse" hat sich Hertha unter seiner Federführung neu gefunden, die Erkenntnisse müssen nun umgesetzt werden. Ohne den 58-Jährigen, der das sehr bedauert. "Es ist belastend und traurig für mich, weil ich etwas nicht zu Ende bringen kann. Wer mich ein bisschen kennt, weiß, dass mir das sehr viel bedeutet."
Schmidt sollte als CEO hauptverantwortlich für die bessere sportliche Zukunft von Hertha BSC sein. Nun muss die Geschäftsführung sich schon wieder neu strukturieren, schon wieder ist Unruhe da. Unruhe im geschäftlichen Bereich zusätzlich zur Unruhe im sportlichen. Die Erfolge fehlen, nach sieben Spieltagen gibt es fünf Niederlagen. Und Unruhe auch am Spielfeldrand, wo sich Dardai und Bobic - das vermeintlich gute Duo - kabbeln. Herthas Trainer hatte nach dem 0:5 gegen den FC Bayern gesagt: "Ich hänge nicht an meinem Sitz, ich helfe gerade aus. Wahrscheinlich sucht Hertha BSC seit langem einen großen Trainer. Pal ist ein kleiner, netter Trainer." Bobic gefiel das gar nicht, es gab ein Vieraugengespräch. Bobic sagte anschließend dem "Kicker": "Ich habe es ihm persönlich gesagt und ich sage es jetzt auch öffentlich: Es liegt an Pal Dardai selbst, wie lange er Trainer ist. Es liegt letztlich immer an der Arbeit, die jemand macht." Eine abschließende Klärung klingt anders.
Platz 14 spricht eben auch nicht dafür, dass Ruhe einkehrt. Der Kader ist mit durchaus guten Spielern bestückt, echte Stars aber fehlen. Das Murren in der Sommerpause war groß, viele hatten sich mehr und bessere Transfers von Bobic erhofft. Schließlich hat er es bei Frankfurt geschafft, ein Top-Team zusammenzustellen und bei Hertha hat er ungleich mehr finanziellen Background, denn nie hat jemand mehr in einen Bundesliga-Klub investiert als Windhorst. Doch ein Drittel des Geldes ist laut RBB in den Verbindlichkeiten verplant. Der Spielraum für Bobic war wohl nicht so groß wie angenommen.
"Dass ich diesem Verein dienen durfte ..."
Schmidt verlässt den Klub schweren Herzens: "Ich habe eine wirklich tolle Klubkultur gefunden." Hertha verliert ein Bindeglied zwischen Verein und Investor. Einen, der die ehrgeizigen Pläne Windhorsts teilt. Im März sagte Schmidt dem "Horizont": "Wir haben einen Traditionsverein mit der Bereitschaft zur Veränderung und mit einer Finanzausstattung, die Hertha BSC bisher so nicht gekannt hat." Und erklärt: "Daraus wird eine Geschichte werden: Wir wollen die größte Aufholjagd, die der deutsche und vielleicht der internationale Fußball je erlebt hat, einleiten und zum Erfolg führen. Wer jetzt den Weg mit uns gemeinsam geht und auf Hertha BSC setzt, der wird Teil dieser Erfolgsgeschichte." Windhorst twittert am Dienstag zu Schmidts Abschied: "Seinen Weggang von Hertha BSC bedaure ich zutiefst. Er hatte große Pläne, wie ich weiß …"
Bislang sind die Pläne groß, die Ergebnisse ernüchternd. Auch ohne Schmidt geht es für Gegenbauer um genau diese Ergebnisse. "Wenn die nicht da sind, ist es manchmal gut, etwas zu ändern." Ob "Neu oder Alt" sei nicht immer die entscheidende Frage, er bewerte "zwischen gut und nicht so gut". Für die sportliche Bewertung hat der Klub nach der Länderspielpause nun die erste Chance bei der Partie in Frankfurt. Bobic, der für den Verein nun noch wichtiger geworden ist, kehrt zurück zu seinem vorherigen Arbeitgeber, das Team braucht dringend einen Sieg. Und für den drückt Carsten Schmidt die Daumen. "Ich werde mir jedes Spiel anschauen", versichert er zum Abschied. Trotz allem Gerede um den Klub bereue er keinen Tag. "Dass ich diesem Verein dienen durfte, ist etwas Besonderes."
Quelle: ntv.de