Hertha und Köln brauchen Wunder Hoffenheim findet endlich in die EL-Spur
19.10.2017, 23:08 Uhr
Nagelsmann coach, Hoffenheim siegt.
(Foto: picture alliance / Uwe Anspach/d)
Für Köln und Hertha sieht es in der Europa-League alles andere als gut aus. Für ein Ausrufezeichen sorgt dann aber Hoffenheim. Das von Trainer Nagelsmann ausgegebene Ziel, die Gruppenphase zu meistern, ist plötzlich möglich.
1899 Hoffenheim - Istanbul Basaksehir 3:1
1899 Hoffenheim hat den ersten Sieg eines deutschen Teams in der Europa-League-Saison gefeiert. Der Tabellenvierte der Fußball-Bundesliga bezwang Istanbul Basaksehir mit 3:1 (0:0) und landete damit den ersten Vereinserfolg überhaupt auf internationaler Bühne. Abwehrspieler Benjamin Hübner (52. Minute), U21-Europameister Nadiem Amiri (59.) und Nico Schulz (75.) trafen vor 21 167 Zuschauern gegen den türkischen Vizemeister. Stefano Napoleoni (90.+3) erzielte den einzigen Treffer für die Gäste. Die Mannschaft von Trainer Julian Nagelsmann wahrte ihre Chancen auf ein Weiterkommen.
Durch den Triumph zog 1899 in Gruppe C an Istanbul vorbei. Die TSG rettete zudem einen aus deutscher Sicht zuvor erneut enttäuschenden Europapokal-Abend. Der 1. FC Köln (0:1 bei BATE Borissow) und Hertha BSC (1:2 bei Sorja Luhansk) hatten ihre Duelle verloren und sind weiter sieglos.
Hoffenheim legt los - und nach
Hoffenheim brauchte einige Minuten, um gegen die körperlich robusten Gäste in die Partie zu finden. Nach zwölf Minuten setzte sich Amiri erstmals im Strafraum durch und prüfte Istanbuls Torwart Mert Günok. Kurz drauf schoss Kerem Demirbay einen Freistoß auf das Tornetz. Das vom türkischen Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan protegierte Basaksehir überließ 1899 mehr und mehr die Spielkontrolle und zog sich in die eigene Hälfte zurück. Bei den Gästen fehlten der verletzte Star Emre Belözoglu sowie Emmanuel Adebayor, «Afrikas Fußballer des Jahres» 2008.
Das wollten die Kraichgauer nutzen. Die für Steven Zuber und Andrej Kramaric neu in die Starformation gerückten Pavel Kaderabek und Schulz machten auf den Außenbahnen viel Druck. Demirbay mit einem wuchtigen Distanzschuss (29.), der starke Amiri (31.) und Nationalspieler Sandro Wagner aus spitzem Winkel (32.) hatten weitere Möglichkeiten. Hoffenheim ließ allerdings wie zuletzt so oft zunächst die nötige Effizienz vor dem Tor vermissen. Das änderte sich zu Beginn des zweiten Durchgangs. 1899 bestimmte weiter das Spiel, hatte mehr Ballbesitz und erarbeitete sich zahlreiche Freistöße und Ecken. Der insgesamt achte Eckstoß brachte das 1:0. Demirbay flankte punktgenau auf Hübner, der Verteidiger traf per Kopf.
Und Hoffenheim legte nach. Erneut war eine Demirbay-Flanke der Ausgangspunkt. Amiri nahm den Ball direkt und baute den Vorsprung aus. Die TSG hatte sichtlich Spaß am Offensivfußball. Die Gastgeber spielten weiter nach vorne und kamen durch den früheren Mönchengladbacher Schulz, der sein erstes Tor für seinen neuen Club erzielte, eine Viertelstunde vor dem Ende noch zu einem weiteren Treffer. Der Anschlusstreffer in der Nachspielzeit von Napoleoni war nur noch eine Randnotiz.
BATE Borrisow - 1. FC Köln 1:0
Die Blamagen deutscher Klubs in der Fußball-Europa-League haben sich auch am dritten Gruppenspieltag fortgesetzt. Sowohl der 1. FC Köln als auch Hertha BSC haben wohl frühzeitig ihre Chance auf die nächste Runde in der Europa League verspielt. Die Kölner unterlagen bei BATE Borissow in Weißrussland 0:1 (0:0), die Hertha verlor bei Sorja Lugansk in der Ukraine 1:2 (0:1).
In zwei Wochen empfängt Köln Borissow und Berlin Lugansk zum Rückspiel, in dem jeweils Siege Pflicht sind, wenn man sich noch ein Fünkchen Hoffnung erhalten will. Köln hatte zuvor beim Gruppenfavoriten FC Arsenal 1:3 und zu Hause gegen Roter Stern Belgrad mit 0:1 verloren. Die Berliner hatten vor eigenem Publikum gegen Athletic Bilbao 0:0 gespielt und sich mit 0:1 bei Östersunds FK blamiert.
Bundesliga-Schlusslicht Köln offenbarte vor dem so wichtigen Bundesliga-Spiel gegen Werder Bremen am Sonntag (13.30 Uhr/Eurosport Player) erneut seine großen Schwächen in der Offensive und der Chancenverwertung. Ganz anders die Weißrussen: Aleksej Rios (55.) nutzte gleich die erste Möglichkeit der Gastgeber zum 1:0.
Besondere Trainingsmethode
Dabei hatte FC-Trainer Peter Stöger im Training zu außergewöhnlichen Maßnahmen gegriffen, um die Blockade seiner Profis zu lösen. Dort ließ der Österreicher seine Jungs mit Bällen in den verschiedensten Formen arbeiten. Einer war dreieckig, der andere erinnerte an eine Bohne. Die unförmigen Bälle sollten die Handlungsschnelligkeit und Konzentration der Spieler fördern, sie sollten dabei helfen, das Unwahrscheinliche zu erwarten.
Die Maßnahme schien zunächst aufzugehen. Der FC begann wie zuletzt ordentlich und hatte das Spiel gegen biedere Weißrussen im Griff. Auch der kurzfristige Ausfall von Kapitän Matthias Lehmann, der von Salih Özcan ersetzt wurde, fiel nicht weiter ins Gewicht. BATE zog sich weit zurück und stellte den FC mit einer dichten Defensive vor eine schwierige Aufgabe.
Um den Abwehrriegel der Gastgeber zu knacken, fehlte es den Kölnern oft an Tempo und Ideen. Borissow, das zu Hause im Oktober 2012 bereits in der Champions League den FC Bayern geschlagen hatte, stellte den Spielverlauf mit dem Führungstreffer aber dennoch auf den Kopf. Die Situation schien bereits bereinigt, doch Rios profitierte von einem kollektiven Aussetzer der FC-Defensive und schloss zum 1:0 ab. Nach der Pause rannte der FC weiter an, es fehlte aber weiterhin eine zündende Idee.
Sorja Lugansk - Hertha BSC 2:1
Hertha kassierte Treffer von Silas (42.) und Alexander Swatok (79.). Zwischenzeitlich hatte Davie Selke (57.) bei seinem Startelf-Debüt für die Berliner den Ausgleich erzielt. Fünf Tage nach dem 0:2 in der Liga gegen Schalke 04 blieb das Team von Trainer Pal Dardai erneut hinter den Erwartungen zurück. Im defensiven Mittelfeld kam das erst 18 Jahre alte Top-Talent Arne Maier zu seinem ersten Profi-Debüt für die Hertha, konnte aber keine Akzente setzen.
Mit nur einem Punkt aus drei Spielen braucht das Team von Trainer Pal Dardai nun schon ein kleines Europa-Wunder für den Sprung in die K.o.-Runde.
"Der Gegner hat verdient gewonnen. Wenn du Letzter bist, hast du das auch verdient. Wir müssen eine Analyse machen, ob wir überhaupt reif sind, in der Europa League mitzukicken", sagte Trainer Pal Dardai. Bei seinem Startelf-Debüt erzielte Top-Neuzugang Selke in der 56. Minute mit einem wuchtigen Kopfball den Ausgleich, nachdem Silas (42.) für die Führung des Gastgebers gesorgt hatte. Alexander Swatok (79.) schockte die defensiv konfusen Berliner mit seinem Siegtreffer. Die Anhänger von Luhansk feierten den Coup mit der ukrainischen Nationalhymne.
Hertha startete ähnlich druckvoll wie zum Auftakt der Europa League beim bitteren 0:1 gegen den schwedischen Außenseiter Östersunds FK. Die Gäste hatten erneut klare Vorteile beim Ballbesitz und erspielte sich durch Mitchell Weiser (7.) die erste gute Chance. Der Mittelfeldspieler war auch der einzige Profi aus der Berliner Offensivabteilung, der nach der 0:2-Niederlage gegen Schalke 04 vor fünf Tagen nicht aus der Startformation weichen musste.
Dardai stellte seine international zuvor sieg- und torlose Mannschaft im dritten Gruppenspiel auf gleich fünf Positionen um. Neuzugang Selke und Youngster Arne Maier durften erstmals von Beginn an ran. Zudem rückten Fabian Lustenberger, Valentino Lazaro und Alexander Esswein im EM-Stadion im westukrainischen Lwiw ins Team.
Luhansk, der Tabellensiebte der ukrainischen Premier Liga, trägt seine Spiele wegen des anhaltenden Krieges seit 2014 im Asyl in anderen Städten aus. Nach internationalen Auftritten in der Hauptstadt Kiew oder in Odessa tritt Sorja nun in Lwiw an - das näher an Berlin als an Luhansk liegt. "Wir träumen jeden Tag, dass wir eines Tages nach Luhansk zurückkommen werden", sagte Trainer Juri Wernidub, der einst auch für den Chemnitzer FC spielte.
Dardai tobt
Der frühere Zweitligaprofi sah, wie sein Team sich vom Druck befreite und durch Kapitän Alexander Karajew (15./19.) sowie Iury (39.) zu Gelegenheiten kam. Der Bundesliga-13. Hertha hatte Probleme gegen die tief stehenden Gastgeber, agierte im Abschluss zu sorglos - und brachte den wild gestikulierenden Trainer Dardai zur Verzweiflung.
Noch größer wurde der Frust nach Silas' sehenswertem Freistoßtreffer aus 24 Metern. Selke stellte mit seinem Kopfballtor nach einem Eckball von Nationalspieler Marvin Plattenhardt den Ausgleich her. Anschließend wurde der U21-Europameister ausgewechselt, Dardai setzte auf Erfahrung und brachte Vedad Ibisevic (33) und Salomon Kalou (32). Doch auch das Duo agierte glücklos, während sich Luhansk nach einer katastrophalen Berliner Abwehrleistung noch den Sieg sicherte.
Quelle: ntv.de, bad/hul/dpa/sid