Fußball

ManUnited raus, Van Gaal motzt Kann es Weltmeister Schweinsteiger noch?

Die Enttäuschung stand Schweinsteiger nach seiner Auswechslung ins Gesicht geschrieben.

Die Enttäuschung stand Schweinsteiger nach seiner Auswechslung ins Gesicht geschrieben.

(Foto: picture alliance / dpa)

Es liegt nicht allein an Bastian Schweinsteiger, dass ManUnited in Wolfsburg untergeht und aus der Champions League fliegt. Aber es fällt schwer, in ihm noch den Mann zu sehen, der die DFB-Elf zum WM-Triumph führte.

Als es darauf ankam, haben sie Bastian Schweinsteiger nicht mehr gebraucht. Mit 1:2 lagen die Fußballer von Manchester United am Dienstagabend in Wolfsburg zurück. Und 20 Minuten vor dem Ende der Partie war klar: Wenn sie nicht noch mindestens ein Tor erzielen, war's das mit der Champions League. Also nahm Trainer Louis van Gaal ihn raus und brachte - nicht etwa einen Angreifer, sondern mit Michael Carrick einen Spieler, der ebenfalls im defensiven Mittelfeld zu Hause ist. Allein, auch das half nicht. Und, was sie da noch nicht wissen konnten: Am Ende hätte ihnen nicht einmal ein Unentschieden geholfen.

VfL Wolfsburg - Man. United 3:2 (2:1)

Tore: 0:1 Martial (10.), 1:1 Naldo (13.), 2:1 Vieirinha (29.),  2:2 Guilavogui (83./ET), 3:2 Naldo (84.)

Wolfsburg: Benaglio - Träsch, Naldo, Dante,  Ricardo Rodriguez (16. Schäfer) - Guilavogui, Arnold - Vieirinha  (78. Klose), Kruse, Draxler (85. Caligiuri) - Schürrle

Manchester: De Gea - Darmian (43. Borthwick-Jackson), Smalling,  Blind, Varela - Fellaini, Schweinsteiger (69. Carrick) - Lingard,  Mata (69. Powell), Depay - Martial

Referee: Mazic (Serbien) Zus.: 26.400

Während der VfL Wolfsburg also einen verdienten 3:2-(2:1)-Sieg, den Einzug ins Achtelfinale der europäischen Königsklasse und einen grandiosen Fußballabend im mit 26.400 Zuschauern ausverkauften Stadion am Mittellandkanal feierte, bleibt den Engländern in der Gruppe B nur Platz drei hinter dem PSV Eindhoven, der zur gleichen Zeit mit 2:1 gegen ZSKA Moskau gewann. Das heißt: Im kommenden Jahr muss ManUnited in der Europaliga weitermachen. Und Schweinsteiger mithin auch. Zweite Liga also, die kleine Bühne. Das ist nicht das, worauf er gehofft hatte, als er sich im Sommer entschloss, nach 17 Jahren den FC Bayern, seinen Herzensklub, zu verlassen und, wie es stets so schön heißt, eine neue Herausforderung zu suchen. Mit 31 Jahren ist das im Grunde keine schlechte Idee. Doch passt der Weltmeister zu dieser Mannschaft? Und passt die Mannschaft zum Kapitän der deutschen Nationalelf?

Aus der Zeit gefallen?

Seit knapp fünf Monaten spielt Schweinsteiger nun für Manchester unter van Gaals Regie, also unter dem Trainer, der ihn schon in München sehr mochte. Auch die Fans haben ihn in ihr Herz geschlossen. Noch ist die Frage nicht abschließend beantwortet, ob Schweinsteiger seine neue Mannschaft entscheidend verstärkt - was ja sein und der Anspruch des englischen Rekordmeisters ist. Oder ob Schweinsteiger doch eher nur mitläuft. Aber die Anzeichen mehren sich, dass diese Liaison als kurze und am Ende glücklose Beziehung in die Geschichte eingehen könnte. Die Frage ist doch: Kann er es noch? Dass es am Ende nicht fürs Achtelfinale gereicht hat, lag nicht nur an ihm. Aber rausgerissen hat er es in Wolfsburg auf der Doppelsechs neben dem Belgier Marouane Fellaini auch nicht, nicht ansatzweise. Und das ist dann doch ein bisschen wenig.

Dabei ist es nicht so, dass Schweinsteiger nicht auffallen will. Beim Mannschaftsfoto vor dem Anpfiff stand er in der ersten Reihe, ganz in der Mitte, gebückt und die Knie angewinkelt, wie das bei diesen Aufnahmen seit jeher ist. Als Einziger auf dem Rasen trug er neongelbe Schuhe, als Einziger hatte er Handschuhe an - bei acht Grad plus. Aber: kurzärmeliges Trikot! Und sonst? Hat er die Frage, ob er einem Team mit Ambitionen auf diesem Niveau noch helfen kann, in den knapp 70 Minuten, die ihm blieben, nicht zu seinen Gunsten beantwortet. Vielmehr stellte sich dem geneigten Zuschauer die Frage, ob er mit seiner bedächtigen Art, Fußball zu spielen, nicht aus der Zeit fällt. Und ob Josep Guardiola und der FC Bayern nicht ganz genau wussten, warum sie ihn haben ziehen lassen, ohne groß um ihn zu werben.

Schweinsteiger selbst hatte zur in jüngster Zeit immer lauter werdenden Kritik an seiner Spielweise vor der Partie gesagt: "Ich mag es nicht, wenn zu viel Hektik herrscht. Vielleicht kommt der Spitzname daher." In England nennen sie ihn Mr. Calm. "Genau das ist es: Ich kontrolliere die Situation. Das sieht dann vielleicht langsam oder ruhig aus. Aber das ist nicht so. Mein Gehirn und meine Augen arbeiten die ganze Zeit." Das mag sein. Doch wer ihn in Wolfsburg gesehen hat, fragt sich vielmehr, was das bringt, wenn er das, was er denkt, nicht schnell genug ausführen kann. Er hatte die meisten Ballkontakte, das schon. Auch seine Passgenauigkeit von 88 Prozent konnte sich sehen lassen. Von seinen fünf Zweikämpfen aber gewann er nur einen. Und Fehler machte er auch.

"Ich wechsele einen Spieler nicht einfach nur so aus"

Vor dem 2:1 für die Wolfsburger nach einer knappen halben Stunde, das aus ihrer wohl schönsten Angriffskombination in dieser Saison resultierte, ließ Nationalmannschaftskollege Julian Draxler ihn mit einer Körpertäuschung stehen, bevor er ein Dribbling startete, einen Doppelpass mit Max Kruse spielte und dann den Ball auf den Torschützen Vierinha legte. Das hatte Klasse - und Schweinsteiger war düpiert. Nur wenige Minuten später (39.) fing André Schürrle einen Pass von ihm ab, Draxler hätte daraufhin beinahe das 3:1 erzielt. Dymamisch in Erscheinung trat Schweinsteiger erst wieder, als er sich unmittelbar vor der Pause beim serbischen Schiedsrichter Milorad Mazic beschwerte, weil er das vermeintliche Ausgleichstor durch Jesse Lingard nach längerer Beratung mit seinem Assistenten doch nicht gelten ließ.

Van Gaal jedenfalls will mehr von ihm. Nach der Niederlage in Wolfsburg sagte er: "Ich wechsele einen Spieler nicht einfach nur so aus. Er will auf dem höchsten Level spielen, besonders in Deutschland." Das habe nicht geklappt. "Ich kann nicht sagen, dass er der Schweinsteiger war aus meiner Zeit in München." Damit ist die Schonzeit wohl endgültig vorbei. Bereits am Wochenende hatte er seine Kritik an Schweinsteiger ähnlich formuliert: "Ich denke, dass er in jeder Partie besser spielen kann. Denn bisher haben wir noch nicht den besten Schweinsteiger gesehen, den ich schon bei Bayern München gesehen habe."

Doch van Gaal, nach eigenem Dafürhalten der beste Trainer der Welt, steht nach dem Aus in der Champions League selbst mit dem Rücken zur Wand. Trotz Platz vier in der Premier League und nur drei Punkten Rückstand auf Tabellenführer Leicester City sind die Zuschauer von ManUnited und seinem langweiligen Ballbesitzfußball enttäuscht, der in großen Teilen aus Quer- und Rückpässen besteht. Dabei fordern sie in Manchester das, was Trainerlegende Sir Alex Ferguson einst so formuliert hatte: "Wir wollen Spiele und Trophäen gewinnen, aber wir haben auch die Pflicht, die Fans zu unterhalten." Van Gaal weiß, dass er in dieser schwierigen Situation Schweinsteiger braucht. Und der Spieler braucht den Trainer natürlich auch. So raffte sich van Gaal in Wolfsburg doch noch zu einem versöhnlichen Nachsatz auf: "Wir sind alle Menschen. Ich bin mir sicher, dass er diese Saison noch seine Stärke zeigen wird." Die Frage ist nur, ob Schweinsteiger es wirklich noch kann.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen