Fußball

So läuft's gegen die Tschechen Kimmich rettet Joachim Löws Ehre

Der Torjäger: Joshua Kimmich.

Der Torjäger: Joshua Kimmich.

(Foto: imago/ActionPictures)

Die höchste Niederlage seiner Amtszeit kassiert Joachim Löw gegen Tschechien. Nun ist Zeit für die Revanche. Ein Gegentor gibt's nicht. Dafür ist gesorgt. Aber wer soll die Tore schießen? Nun, eine "falsche Fünf" macht Hoffnung.

Worum geht's?

Um die Ehre des Bundestrainers. Jawohl, genau darum. Vergessen wir die Worte von Kapitän Manuel Neuer, dass es gegen Tschechien im zweiten Gruppenspiel der WM-Qualifikation (20.45 Uhr bei RTL und im n-tv.de-Liveticker) um drei Punkte geht. Was natürlich dennoch richtig ist. Aber dieses Land aus Osteuropa, das bei der Fußball-Europameisterschaft in diesem Sommer in Frankreich so richtig auf die Löffel bekommen hat, hat Joachim Löw die bisher höchste Niederlage seiner ewig anmutenden Amtszeit als Bundestrainer verpasst. Vor fast genau neun Jahren, am 17. Oktober 2007, wurde die deutsche Mannschaft im EM-Quali-Spiel in der ausverkauften Münchner Arena von den Tschechen vorgeführt. Mit einer schallenden 0:3-Schelle wurde der DFB in eine Herbstdepression gestürzt und qualifizierte sich am Ende nur als Zweiter für das Turnier in Österreich und der Schweiz. Es war, so heißt es in Spielberichten von damals, die erste richtig schlechte Leistung - sportlich und mental - der ein Jahr zuvor begonnenen Bundestrainer-Ära Joachim Löw.

Deutschland: Neuer - Kimmich, Boateng, Hummels, Hector - Khedira, Kroos - Müller, Özil, Draxler - Götze; Trainer: Löw.
Tschechien: Vaclik - Gebre Selassie, Sivok, Suchy, Kaderabek - Skalak, Pavelka - Sykora, Dockal, Krejci - Schick; Trainer: Jarolim.
Schiedsrichter: Ovidiu Hategan (Rumänien)
Stadion: Volksparkstadion, Hamburg

Nun kommt's erstmals zum Wiedersehen. In seinem 140. Spiel als deutscher Chefcoach kommt der 56-jährige Löw als Weltmeister nach Hamburg und die Tschechen als gedemütigte Nation, deren große Zeiten, deren große Spieler, zunehmend zur verblassenden Erinnerung verkommen sind. Eine erneute Niederlage der deutschen Fußballer? Ausgeschlossen. Eine neue Depression? Möglich. Denn auch wenn das erste Gruppenspiel auf dem Weg nach Russland 2018 Anfang September eine tüchtige Leistung war (3:0 gegen Norwegen), so fade sind die Erinnerungen an das DFB-Durchgerumpel auf dem Weg zur EM nach Frankreich in den vergangenen beiden Jahren.

Wie ist die Ausgangslage?

Prächtig. Deutschland führt die Gruppe C souverän vor Aserbaidschan an. Gut, es ist jetzt auch erst ein Spieltag absolviert. Der aber spülte die Löw-Elf in Oslo direkt mal an die Spitze. Und dort will das Team auch gerne bleiben. Wundert einen jetzt wenig, denn nur der Erstplatzierte darf direkt das Ticket für Russland und seine kilometerfressende Weltmeisterschaft buchen. Zwei weitere Schritte dorthin will der Weltmeister heute Abend und am Dienstag gegen Nordirland in Hannover (ebenfalls 20.45 Uhr bei RTL und im n-tv.de-Liveticker) gehen. "Ich gehe davon aus, dass wir die Punkte einfahren. Die klare Zielvorgabe heißt: sechs Punkte für uns", erklärte der Bundestrainer einen Tag vor dem ersten der beiden Pflichtspiele. Die Botschaft kam bei der Mannschaft offenbar an, zumindest beim gesetzten Defensivmann Sami Khedira. "In der EM-Qualifikation sind wir zu fahrig gewesen. Da haben wir unnötig Punkte verloren. Das wollen wir diesmal vermeiden."

Wie ist die deutsche Mannschaft drauf?

Ganz gut, abgesehen davon, dass dem Bundestrainer ein Großteil seiner nationalen Angriffsalternativen fehlt. Mit dem weltbesten Torwart Manuel Neuer, der weltbesten Abwehr um Jérôme Boateng und Mats Hummels, der weltbesten Pferdelunge Khedira und der weltbesten Passmaschine Toni Kroos sind (a) Ballbesitz sicher und (b) Gegentore ein Ding der Unmöglichkeit. Die Null steht also – Huub, Huub, Hurra. Das Problem aber ist der Angriff. Besser gesagt der Abschluss - auch wenn der Bundestrainer hier Ideen zum Beheben der Torphobie gefunden haben will. Der Abschluss jedenfalls, so viel lässt sich aktuell festhalten, funktioniert schon bei voller Kapelle in der Spitze seit längerer Zeit nicht besonders gut. Dass sich nun ein Großteil des Orchesters auch noch mit gesundheitlichen Problemen abgemeldet hat, macht's vermutlich nicht einfacher.

Ohne die "richtige Neun" Mario Gomez fehlt der Offensive das Gewicht. Ohne Marco Reus das Dribbling. Ohne André Schürrle die Schusskraft und ohne Karim Bellarabi das Tempo. Bleiben noch "falsche Neunen" (Mario Götze), leichtgewichtige Raumdeuter (Thomas Müller) und irgendwas dazwischen (Kevin Volland). Wer aber letztlich die vorderste Linie personell besetzt, ist eigentlich egal. Denn jeder Spieler im Kader darf sich eingeladen fühlen, aktiv an der Problemlösung zu arbeiten. Oder wie es Kapitän Neuer ausdrückt: "Wir sind sehr flexibel im Angriffsspiel. Nicht nur die Offensivspieler können Tore erzielen, sondern auch Defensive bei Standards oder wenn sie wie ein Joshua Kimmich nachgehen." Der Bayern-Youngster hat in dieser Saison bereits sechs Pflichtspieltreffer erzielt und damit einen mehr als die Angreifer Müller, Götze und Volland zusammen. Kimmich in die Spitze? "Falsche Fünf" an die Front – oder so.

Was machen die Tschechen so?

Sie machen sich ernsthafte Gedanken. "Das Team gilt nicht als innerlich besonders gefestigt, darin sehe ich eine der großen Schwächen. Insgesamt fehlt es an überragender internationaler Klasse", sagt beispielsweise der ehemalige Nationalspieler und -trainer Frantisek Straka. In Deutschland ist er vielleicht noch bekannt aus seiner Zeit bei Borussia Mönchengladbach (1988 bis 1991) und bei Hansa Rostock (1991 bis 1992). "Ich mache mir, ehrlich gesagt, Sorgen um das Weiterkommen des tschechischen Teams. Die Konkurrenten Nordirland und Norwegen sind mindestens genauso stark wie Tschechien." Zum Auftakt gab's direkt den Beweis: In Prag gab's gegen Nordirland ein mageres 0:0. Wie schlecht es um den Fußball in Tschechien wirklich steht, der noch vor nicht allzu langer Zeit Topspieler wie Petr Cech, Tomáš Rosický, Pavel Nedvěd oder Milan Baroš hervorbrachte, hat Hoffenheims Außenverteidiger Pavel Kaderabek der "Süddeutschen Zeitung" erklärt: "Es gibt hier einfach zu wenig Klassespieler, die in guten Ligen spielen – und die tschechische Liga selbst ist nicht so stark." Ein Beispiel: "In Tschechien habe ich fünf Sekunden Zeit, in Deutschland vielleicht eine, bevor der Gegenspieler angreift." Zu behäbig, befreit von Kreativität – so stellte sich das Team des mittlerweile zurückgetretenen Pavel Vrba bei der EM in Frankreich vor. Dass sein Nachfolger nun Wunderdinge vollbringt? Kaderabek winkt ab: "Ich denke, das Problem ist nicht der Trainer." Wohl wahr. Immerhin ist der Neue, Karel Jarolim, noch voller Leidenschaft, wie der dem "Kicker" zwischen den Zeilen mitgeteilt hat: "Je häufiger ich ihre Spiele sehe, umso mehr regt es mich auf, wie gut sie sind."

Was gibt's sonst noch?

Die plötzliche Kehrtwende des Bundestrainers. Der hatte ja immer eifrig betont, es mit einer Verlängerung seines Vertrags beim DFB nicht so eilig zu haben. Doch nun, kurz nach dem Ausschluss eines Bundesliga-Comebacks signalisiert Löw öffentlich Gesprächsbereitschaft über seine Zukunft als Weltmeistermacher. "Zu gegebener Zeit werden wir uns sicherlich mal zusammensetzen und nach vorne denken", sagt der 56-Jährige. Löw, dessen aktueller Vertrag bis zur Weltmeisterschaft 2018 reicht, kündigte auf der Etappe bis zum Turnier in Russland "das eine oder andere Gespräch mit dem Verband" an. "Das haben wir auch so mit dem Präsidenten vereinbart." DFB-Boss Reinhard Grindel hätte die Zusammenarbeit mit Löw am liebsten schon zeitlich ausgeweitet. "Ich kenne das Statement von unserem Präsidenten, der mir schon vor der EM gesagt hat, dass er gerne mit mir den Vertrag verlängern möchte. Ich habe gesagt, während und nach dem Turnier ist das für mich kein Thema", berichtete Löw. Nun aber ist ja vor dem Turnier und das Thema plötzlich Thema.

Quelle: ntv.de

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