Fußball

"Fragen Sie nicht so einen Scheiß" Klopp macht Liverpool glücklich und motzt

"He made the people happy": Jürgen Klopp.

"He made the people happy": Jürgen Klopp.

(Foto: imago/Eibner)

Emre Can bringt es auf den Punkt: "Das ist krank". In der Tat sorgen Liverpool und Jürgen Klopp für einen wahnwitzigen Sieg gegen einen nur scheinbar überlegenen BVB. Und doch lässt sich der Trainer zur Publikumsschelte hinreißen.

Was für Borussia Dortmund die Gelbe Wand, die Südtribüne ist, ist für den FC Liverpool The Kop. Die frühere Stehtribüne ist weltberühmt als Herz des Mythos Anfield Road. Dort stehen die treusten Reds-Fans, die das legendäre "You'll never walk alone" vor jedem Spiel nicht einfach nur singen, sondern leben. Und draußen vor dem Stadion, direkt vor The Kop, steht Bill Shankly. Die erste Liverpooler Trainerlegende, lebensgroß, in Bronze gegossen, die Arme ausgebreitet vor einem Schwarzweißfoto des Stadioninnenraums, und auf dem Sockel der schlichte Spruch: "He made the people happy". Er machte die Leute glücklich.

Liverpool - Dortmund 4:3 (0:2)

Tore: 0:1 Mkhitaryan (5.), 0:2 Aubameyang (9.), 1:2 Origi (48.), 1:3 Reus (57.), 2:3 Coutinho, 66.), 3:3 Sakho (78.), 4:3 Lovren (90.+1)
FC Liverpool: Mignolet - Clyne, Lovren, Sakho, Alberto Moreno - Milner, Can (80. Lucas), Lallana (62. Allen), Roberto Firmino (62. Sturridge), Coutinho - Origi. - Trainer: Klopp
Borussia Dortmund: Weidenfeller - Piszczek, Sokratis, Hummels, Schmelzer - Castro (82. Gündogan), Weigl - Mkhitaryan, Kagawa (77. Ginter), Reus (82. Ramos) - Aubameyang. - Trainer: Tuchel
Schiedsrichter: Cüneyt Cakir (Türkei)
Zuschauer: 45.000 (ausverkauft)

An diesem Donnerstagabend, im Europaliga-Viertelfinale des FC Liverpool gegen Borussia Dortmund, ist das auch Jürgen Klopp gelungen. Der verrückte 4:3 (0:2)-Triumph seiner Reds über den BVB war eines dieser wahnwitzigen Fußballspiele, die nicht nur Liverpooler beglücken würden. Beim FC Liverpool, vor allem an der Anfield Road, gehören derartige Spektakel gewissermaßen zum Markenkern - den der von den Fans ohnehin verehrte Klopp mit seiner Mannschaft jetzt um eine weitere Episode Fußballwahnsinn erweitert hat. "In Anfield bleiben Europacup-Nächte spezieller als in jedem anderen Stadion in England", stellte der "Guardian" nach der nächsten Liverpooler Sternstunde in Europa trocken fest. Anfields Neigung zu tollkühnen Triumphen ist auch Klopp vertraut. "Ich weiß, das ist ein Platz für große Fußballgeschichten. Wir haben damit nicht angefangen. Aber wir haben die Verantwortung, ebenfalls einige schöne Geschichten zu schreiben. Heute war eine davon", dozierte Klopp nach einem Spiel, in dem das gegen seinen Ex-Klub BVB auf beeindruckende Weise geglückt war.

Knapp eine Stunde nach dem Abpfiff schien der 48-Jährige bei seinen Ausführungen die Ruhe selbst. Im Spiel war er am rechten Rand der Coachingzone, die er sich mit seinem BVB-Nachfolger Thomas Tuchel teilen musste, mehrmals explodiert. In der ersten Halbzeit, um sein Team und die Zuschauer nach dem Schock des 0:2-Rückstands nach nur neun Minuten zu motivieren, anzutreiben. Immer wieder animierte er die Haupttribüne zu mehr Unterstützung, dirigierte er sein Team, feuerte er es nach den vielen vergebenen Chancen an. In der zweiten Halbzeit waren es dann außerdem vier zu feiernde Tore, die Klopps berühmte Säge zum Dauereinsatz kommen ließen und ihn erschöpften. "Mein rechter Arm tut weh, ich weiß gar nicht, warum", klagte er nach dem Spiel mit typischer Klopp-Koketterie. Mittelfeldspieler Emre Can klagte nicht, er staunte: "Solche Abende erlebt man nicht oft, ich kann das noch nicht begreifen." Stolz sei er, Teil dieser Mannschaft zu sein. Stolz war er aber auch auf die Stimmung im Stadion: "Was die Fans gezeigt haben, ist einmalig. Jeder einzelne im Stadion hat daran geglaubt, das ist krank. Keine Ahnung, ob es dafür ein Wort gibt."

"Europäischer Fußball at its best"

Es war ein großartiges Spiel mit einem großartigen Spannungsbogen in einer großartigen Atmosphäre, noch besser als im Achtelfinal-Heimspiel gegen den englischen Erzrivalen Manchester United - darin waren sich alle Beteiligten und Beobachter einig. Aber zwischen den Zeilen ließ Klopp durchklingen, dass an diesem Abend nicht die Atmosphäre den Unterschied gemacht habe. Die Fans seien "brillant" gewesen, bisweilen aber auch wenig hilfreich. "Wenn ich ehrlich bin, mag ich die Geräusche rund um Ecken nicht, die nicht funktionieren. Wenn die Ecke schon scheiße ist, muss ich nicht noch sagen: Die Ecke war scheiße. Das ist Zeitverschwendung." Mit Blick auf einige Spielphasen, in denen die Liverpool-Fans so mucksmäuschenstill waren wie während der beeindruckenden Schweigeminute vor dem Spiel in Gedenken an die 96 Opfer der Hillsborough-Katastrophe vom 15. April 1989, merkte er zudem an: "Ich brenne 95 Minuten. Wenn ich das kann, kann das jeder. Ich bin ziemlich durchschnittlich, es ist ziemlich einfach."

Entscheidend für den Sieg, das war Klopps Botschaft, war nicht die herausragende Atmosphäre. Die brauche sein Team, um zusammenzuwachsen, zu einer Einheit zu werden. Entscheidend an diesem speziellen Abend waren aber die Spieler selbst, ihre Moral, ihr Wille, ihre Charakterstärke in den entscheidenden Momenten. Nach einem Blitzstart wie dem der Dortmunder mit dem 0:2 nach neun Minuten sei "ein Spiel im Fußball sehr oft vorbei", sagte Klopp, zumal sein Team im konkreten Fall drei Tore zum Weiterkommen benötigte. Aber aufgeben? "Nicht hier, nicht mit diesem Liverpool-Team." Und auch nicht, als Dortmund nach dem Anschluss zum 1:2 prompt das 1:3 nachlegte. "Das", erklärte Klopp fast philosophisch, "war der Moment, wo du im Fußball und im echten Leben Charakter zeigen musst. Und das haben die Jungs getan."

Auch wenn die Partie "europäischer Fußball at its best" gewesen sei: Der Favorit auf den Europaliga-Titel will Klopp mit seinem FC Liverpool nach dem Sturz des großen Favoriten Borussia Dortmund nicht sein. "Fragen Sie mich nicht so einen Scheiß", bügelte er eine entsprechende Frage des TV-Senders BT News ab: "Lasst uns erstmal das Halbfinale überstehen." Dort warten Schachtjor Donezk, der FC Villarreal oder Titelverteidiger FC Sevilla, "richtig starke Gegner". Doch die Auslosung am Freitag war Klopp nach der "wundervollen, wundervollen Nacht" gegen Dortmund erstmal egal: "Für heute war es herausragend, brillant, wundervoll, emotional, alles. Ich werde es nicht vergessen."

Quelle: ntv.de

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