Fußball

Ex-Union-Berlin-Trainer ist tot Lewandowski, der Fußball und die Maske

Sascha Lewandowski: In Berlin geschätzt und beliebt.

Sascha Lewandowski: In Berlin geschätzt und beliebt.

(Foto: imago/Sebastian Wells)

Erst als Trainer wurde er zum Profi - und verhielt sich auch so: Sascha Lewandowski überzeugte mit Sachverstand, nicht mit Starallüren. Nun ist der Ex-Trainer von Leverkusen und Union Berlin tot. Ein Erklärungsversuch

Die Fußballwelt verliert einen Trainer; einen, der mit Sachverstand agierte, nicht mit Posen und Selbstdarstellung um die Gunst der Medien warb, sie aber mit Charisma bediente. Woran Sascha Lewandowski gestorben ist, ist nicht bekannt. Zwar ermittelt die Staatsanwaltschaft, aber die Polizei geht von Suizid aus. In Bochum, dort, wo er seinen Aufstieg zum Trainer in der Fußball-Bundesliga begann, wurde er in seiner Wohnung tot aufgefunden.

Lewandowski wurde 44 Jahre alt. Er führte die A-Jugend des VfL Bochum zu zwei Meistertiteln und zwei Vizemeisterschaften, arbeitete jahrelang in der Talentschmiede von Bayer Leverkusen und kam erstmals in die breite Fußball-Öffentlichkeit, als er an der Seite von Chefcoach Sami Hyypiä die Profis der Rheinländer trainierte. Dann wechselte er zu Union Berlin in die Zweite Liga. Es war eine Art Traumhochzeit.

Union Berlin ist ein bodenständiger Verein, mit Leidenschaft für und ohne viel Brimborium um das, was im Zentrum stehen sollte, aber vielerorts durch Rahmenprogramme, PR-Wut und Starallüren der Profis überdeckt wird: der Fußball, die Mannschaft, ihr Spiel. Lewandowski kam mit eben dieser Leidenschaft fürs Wesentliche. Das bedeutet nicht, dass er es an Engagement vermissen ließ, im Gegenteil. Meistens war er der letzte auf dem Trainingsplatz oder der Geschäftsstelle in Köpenick.

Mannschaft statt Selbstdarstellung

Lewandowski war vor seiner Zeit als Trainer kein Profispieler. Selbstdarstellung war nie etwas, worum er sich kümmern musste. Als er jedoch zur ersten Pressekonferenz in Berlin antrat, gingen die Anwesenden mit einem guten Gefühl für das, was in der Saison 2015/16 kommen sollte. Lewandowskis angekündigte Ziele wurden bald für alle im Stadion sichtbar. Die Spieler wurden zur Mannschaft. Auch nach Niederlagen ging selten jemand allein in die Kabine.

Sascha Lewandowski war Co-Trainer von Sami Hyypiä in Leverkusen und später selbst Cheftrainer.

Sascha Lewandowski war Co-Trainer von Sami Hyypiä in Leverkusen und später selbst Cheftrainer.

(Foto: imago sportfotodienst)

Auch in seinem Auftreten gegenüber Journalisten unterschied er sich zu den Ex-Trainern Norbert Düwel und Uwe Neuhaus. Während etwa Neuhaus auf freche Fragen pampig reagierte, hatten Lewandowskis Antworten einen selbstsicheren, ironisch-rotzigen Ton. Er war rhetorisch stark, aber kein großer Kommunikator. Er hatte den Fußball-Tunnelblick, mit hohen Ansprüchen an sich selbst. Vielleicht war dieser Blick zu schmal und sein gewählter Weg zu steil. Ärzte diagnostizierten bei ihm Anfang des Jahres ein akutes Erschöpfungssyndrom, einen Burnout. Erst nahm er eine Auszeit, im März trat er zurück.  

Ansprüche an die eigene Person und die Leistung sind auch Folge einer gesellschaftlichen Erwartung, des Umfelds, in dem man sich bewegt. In den 70er- und 80er-Jahren war es für Spieler noch möglich, unbeobachtet von der Presse in Trainingslagern auf nächtliche Trinktouren zu gehen. Trainer saßen beim Bier mit qualmender Zigarette als letzte an der Hotelbar. Heute wäre das undenkbar - man denke nur an die berühmte "Geheim"-Zigarette von Joachim Löw bei der EM 2008.

Die Maske und der Tod

Im Alltag sozialer Netzwerke besteht für Menschen, die von öffentlichem Interesse sind, praktisch die Pflicht, sich auch zu inszenieren. Wer sich nicht ständig positiv präsentiert, fällt im Vergleich zu den Kollegen permanent ab. Der Faktor Fußball treibt den Alltag der Beteiligten ins Extreme: Tweets werden zu eigenen Meldungen auf Nachrichtenseiten, Freundinnen in Bildergalerien präsentiert und Aussagen zum Politikum.  

Lewandowski wirkte gefestigt, schlagfertig und kompetent - aber eben dies war wohl die Maske, die er für seinen Beruf aufsetzte und die psychische Krankheit dahinter verdeckte. Sie griff um sich in den letzten Monaten, auch physisch, und beeinträchtigte die Funktion seines Herzens. Aber da kämpfte der Trainer längst nicht mehr neben dem Platz mit der Mannschaft und der Fremdbeobachtung, sondern mit sich selbst. Union Berlin ging gestärkt aus der Zeit unter Lewandowski hervor. Er selbst verlor danach sein Leben.

Quelle: ntv.de

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