Fußball

So läuft der Meister-Gipfel Löws DFB-Team simuliert den heißen Herbst

"Wir brauchen Lösungen": Joachim Löw.

"Wir brauchen Lösungen": Joachim Löw.

(Foto: imago/Sven Simon)

Furios, flexibel, fingerfertig: Gegen Australien brennt der Betzenberg auf das Duell der Meister. Bundestrainer Löw fordert einen flexiblen Fingerzeig seiner rumpelnden Weltmeister - für die Wochen der Wahrheit.

Worum geht’s?

Erst der Rausch, dann der Kater. Der Klassiker. Auf Feierlaune folgen Kopfschmerzen. Der Gemütszustand des gemeinen Thekentreters hatte auch Bundestrainer Joachim Löw im Herbst ereilt. Nach dem WM-Triumph im Sommer in Brasilien schleppt sich sein Team seitdem mit heftigen Partynachwehen durch die Qualifikation zur Europameisterschaft. Hinter Polen und Irland steht der Weltmeister nur auf Rang drei der Gruppe D und müsste, Stand jetzt, im November zwei Entscheidungsspiele gegen einen anderen Drittplatzierten überstehen, um bei der EM im Sommer 2016 nicht Hausverbot zu haben. Also muss sich etwas ändern.

Deutschland - Australien, 20.30 Uhr

Deutschland: Weidenfeller - Mustafi, Hummels, Badstuber - Schweinsteiger, Gündogan - Bellarabi, Kroos, Özil, Reus - Kruse. - Trainer: Löw
Australien: Ryan - Franjic, Sainsbury, Wilkinson, Davidson - Milligan, Jedinak, Luongo - Oar, Leckie, T. Cahill. - Trainer: Postecoglou
Schiedsrichter: Oliver (England)

Und zwar spätestens am Sonntag, wenn es in Tiflis gegen Georgien um drei Punkte auf dem Weg in Richtung Frankreich geht. Und um fit und bestens vorbereitet in das Pflichtspieljahr 2015 zu starten, hat der Bundestrainer die Männer aus "Down Under" als richtige Medizin ausgemacht - australisches Aspirin gegen den Nach-WM-Kater. Und dass wir uns bloß richtig verstehen, das heute ab 20.30 Uhr ist kein Lirum-Larum-Kick, hier spielen zwei internationale Schwergewichte gegeneinander: Der interkontinentale Champion fordert den Meister Asiens. Eigentlich schade, dass es im Fußball keine Gürtel gibt. Ansonsten wird es heute zumindest vor der Partie richtig ernst. Nach dem Flugzeugabsturz der Germanwings-Maschine in den französischen Alpen wird auch die DFB-Elf der Opfer gedenken. Sie läuft mit Trauerflor auf, vor dem Anstoß wird es eine Schweigeminute geben.

Wie stehen die Vorzeichen?

Der Fußballstandort Kaiserslautern ist ein wenig wie die DFB-Elf: Die Erinnerung an glorreiche Zeiten ist allgegenwärtig, aber der große Glanz verblasst. Wenn es das Verb "rumpeln" noch nicht gegeben hätte, für die Nach-WM-Form des Weltmeisters wäre es erfunden worden. Mit dem Titel, aber ohne WM-Kapitän Philipp Lahm, WM-Rekordtorschütze Miroslav Klose, WM-Medienliebling Per Mertesacker und Neu-Kapitän Bastian Schweinsteiger blamierte sich die DFB-Elf erst in Düsseldorf gegen Vize-Weltmeister Argentinien (Stichwort: So siegen die Gauchos) und konservierte diese Form dann in der EM-Qualifikation, Iren und Polen waren begeistert. Andererseits: Gegen Gibraltar (4:0) und Spanien (1:0) startete Löws rumpelnde Rumpftruppe zum Jahresende 2014 eine Siegesserie, wie sie ihr zuletzt bei der, richtig, famosen WM gelungen war. In das zwar gürtellose, laut Löw aber schon auch "interessante" Duell Asienmeister gegen Weltmeister geht die DFB-Elf zudem mit der Aussicht auf den vierten Sieg im fünften Duell. Allerdings: Als Australien zum bisher letzten Mal bei einer Löw-Truppe vorspielte, am 29. März 2011 in Mönchengladbach, da hieß der Sieger am Ende: Australien. Vielleicht gibt es deshalb noch Karten?

Wie ist die DFB-Elf drauf?

Wieder dabei: Ilkay Gündogan.

Wieder dabei: Ilkay Gündogan.

(Foto: imago/Jan Huebner)

Trotz Siegesserie nicht ganz so weltmeischterlich, wie es der Weltmeistertrainer gerne hätte. "Weder als Einheit noch in der Leistung sind wir auf dem WM-Niveau", verkündete Löw vor der Abreise nach Kaiserslautern, zeigte sich aber als Realist und Meister der doppelten Verneinung. Denn, sprach Löw, das sei "keine völlig negative Überraschung", und sein Vertrag läuft ja neuerdings bis 2018. Erschwert wurde die Findungsphase in Frankfurt dadurch, dass Löw bei den Trainingseinheiten auf der klangvollen "kleinen Kampfbahn" phasenweise nur acht Spieler zur Verfügung standen. Das wäre im WM-Halbfinale gegen Brasilien ausreichend gewesen, aber WM ist ja vorbei, und jetzt wartet der Asienmeister. Unter anderem auf Ilkay Gündogan und Holger Badstuber, die sich nach ewigen Verletzungspausen wieder in der DFB-Startelf vorstellen dürfen. Auch Marco Reus ist dabei und träumt davon, von einem Länderspiel abtreten zu können, ohne vorher umgetreten worden zu sein. Ansonsten möchte Löw auch ohne viel Training viel experimentieren, viel wechseln und "gewährleisten, dass alle Spieler am Sonntag in Georgien körperlich und geistig in einem guten Zustand sind". Der Betze wird also brennen.

Wie läuft's bei Australien?

Ach, diese Australier! Joachim Löw hat sie ja nicht deshalb als Testspielgegner ausgesucht, weil sie Australier sind. Sondern weil sie inzwischen so viel besser spielen als beim bisher letzten Duell und das außerdem so herrlich britisch. Und weil sie so schön britisch spielen, diese Australier, haben sie im Januar mal eben den, richtig, im Finale gegen Südkorea den Asien-Cup gewonnen. Das hat Uli Stielike das Herz gebrochen, Löw aber sicher im Glauben bestärkt, den richtigen Gegner als Generalprobe für den "heißen Herbst" ausgesucht zu haben. Dann geht es für die DFB-Elf auswärts gegen Iren und Schotten, dann geht es um die EM-Qualifikation.

Aber auch wenn die Australier also ein erstklassiger Simulationsgegner sind, warnt Ex-Weltmeister Holger Osieck vor allem vor einem zweitklassigen Spieler. Matthew Leckie, Offensivkraft von Zweitliga-Spitzenreiter Ingolstadt, sei "pfeilschnell, sehr athletisch und damit für die australische Mannschaft gerade gegen starke Gegner enorm wichtig". Ex-Bundesligaprofi Thomas Broich, in Australien zum Fußballer des Jahrzehnts gewählt, fürchtet dennoch, dass die Partie "ein böses Ende nehmen könnte, wenn die Australier auch gegen Deutschland an ihrer Offensivphilosophie festhalten", also böse für Australien. Zuschauen wird er trotzdem, er stellt sich extra den Wecker, das ist schließlich "ein absoluter Pflichttermin". Versprochen!

War sonst noch was?

Der Bundestrainer hat ein neues Lieblingswort: F l e x i b i l i t ä t. Gleich mehrfach ließ er die zwölf Buchstaben über die Lippen laufen. Genüsslich und mit genügend Abstand zum Rest des Satzes betonte Löw seine neue, klare Leitidee, damit sie bloß jeder versteht. Hat funktioniert. Was sich aber inhaltlich hinter der Löw’schen Flexibilität verbirgt, verriet der Bundestrainer nicht. Dreierkette? Jo, die findet er offenbar ganz interessant. Fünferkette? Bestimmt auch nicht schlecht. Und was gibt’s Kreatives für die Abteilung Attacke? Auch dazu wurd’s wenig konkret. Seine tiefsinnige Losung: "Wir brauchen Lösungen." Ein bisschen ausufernder erklärte der 55-Jährige hingegen, warum er taktisch umstellen möchte: "Nur Veränderungen bringen Fortschritt. Stillstand darf es nicht geben, sonst geht es nach wieder unten." Und da will natürlich keiner hin, vor allem nicht wenn man gerade erst nach langer Durststrecke Weltmeister geworden ist. Bei der Neuausrichtung der DFB-Elf, die laut Löw viel Zeit braucht, nimmt sich der Bundestrainer Erkenntnisanleihen aus Chile und Italien. Die Südamerikaner lobt er für ihre Art der offensive Defensive mit Dreierkette: "Sie spielen dieses System überragend." Und an den Abwehrkünstlern aus Europa bewundert er deren Begabung jederzeit im Spiel das System umstellen zu können: "Wenn bei denen der Trainer drei Finger hebt, stellen sie auf Dreierkette um. Wenn er vier Finger zeigt, spielen sie wieder Viererkette. Von einem auf den anderen Moment. Ohne Probleme." Flexibilität also fürs Fingerspiel, wir haben die ihre neue Leitlinie verstanden, Herr Löw.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen