BVB ist gegen Real chancenlos Mit Hurra ins Verderben
27.09.2017, 06:17 Uhr
Pierre Emerick Aubameyangs Treffer riss es dann auch nicht mehr raus: Der BVB unterliegt Real deutlich.
(Foto: imago/Moritz Müller)
Die Dortmunder Borussia feiert in der Bundesliga mit seiner durchaus hochstehenden Deckung beachtliche Erfolge. Aber in der Champions League gegen internationale Spitzenteams wird die riskante Strategie zum Bumerang.
Nuri Sahin schaute entschlossen, ja fast schon ein wenig trotzig in die Kamera und suchte nach den richtigen Worten. Es galt, eine Niederlage zu erklären, die weitaus klarer und deftiger ausgefallen war, als sich das alle Akteure von Borussia Dortmund vorgestellt hatten. Schließlich war es bis dato in sechs Heimspielen gegen Real Madrid jedes Mal gelungen, mit einem Sieg oder zumindest mit einem Unentschieden vom Rasen zu gehen. Doch dieses 1:3 (0:1) gegen die Königlichen ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. "Gegen einen solchen Gegner", so Sahin, "brauchst du einen Sahnetag, und den hatten wir nicht."
Der Mittelfeldstratege sprach am Dienstagabend von "fehlendem Spielglück" und meinte vor allem die Szene in der ersten Hälfte, als es beim Stande von 0:0 "ein klares Handspiel von Ramos gab", wie Sahin betonte. Fußballer sprechen bei solchen Momenten gern davon, das Spiel hätte bei einer Elfmeterentscheidung einen anderen Verlauf genommen. Doch eine solche Auslegung der Geschicke hätte an diesem Abend ins Leere geführt. Es ging darum, Grundsätzliches zu beleuchten: Die taktische Ausrichtung der Borussia. Seit der Niederländer Peter Bosz beim BVB die Leitung des Trainings übernommen hat, praktiziert die Mannschaft eine Mischung aus Ballbesitz und einer extrem hohen Verteidigungslinie.
Im heimischen Wettbewerb sind die Dortmunder damit bislang überaus erfolgreich, schließlich sind sie nicht nur Tabellenführer, sondern begeistern auch mit erfrischendem Offensivfußball. Doch offensichtlich klafft eine eklatante Lücke zwischen der Performance in der Bundesliga und in der Champions League. Platz eins mit 16 Punkten und 19:1 Toren nach sechs gespielten Partien stehen in der Königsklasse null Punkte und 2:6 Tore nach zwei Gruppenspielen gegenüber. Diese Zahlen sprechen Bände: Was gegen vergleichsweise biedere Gegner wie Wolfsburg, Köln, Gladbach und Hamburg so trefflich funktioniert, kann gegen internationales Spitzenklientel wie Tottenham Hotspur und Real Madrid zum Scheitern verurteilt sein, weil Gegner solchen Kalibers in der Lage sind, die Schwachpunkte der Bosz-Strategie gnadenlos aufzudecken. Tottenhams Trainer Pochettino hatte nach dem 3:1 im ersten Gruppenspiel freimütig eingeräumt, man habe den Dortmundern gern Ball und Initiative überlassen, um die aufgerückte Verteidigung dann mit gezielten Attacken auszuhebeln.
Dortmunder wollen ihr "System durchziehen"
Ganz ähnlich fiel nun das Fazit von Reals Trainer Zinedine Zidane aus. "Wir haben die Dortmunder intensiv beobachtet, sie stehen sehr offen und wollen viel Ballbesitz haben." Für die Strategen Kroos und Isco war das ein ideales Betätigungsfeld, weil sie mit ihren Vertikalpässen immer wieder die pfeilschnellen Spitzen einsetzen konnten. Das gelang mit chirurgischer Präzision, Gareth Bale (ein Tor) und Cristiano Ronaldo (zwei Tore) hatten so viel Platz, dass sie sich nach Herzenslust austoben konnten. "Wir konnten viele Konter initiieren und hätten mehr Tore schießen können", konstatierte der sichtlich zufriedene Zidane.
Offenbar ist der Übergang zwischen mutiger Vorwärtsverteidigung und Harakiri fließend. In einem solch fragilen Gebilde die richtige Balance zu finden, ist eine Kunst, die der BVB noch nicht beherrscht. Wenn ein Gegner in der Lage ist, mit so viel Tempo und Wucht anzugreifen wie das Weltklasse-Ensemble von Real, steigt die Gefahr, ins offene Messer zu laufen. "Wir haben große Lücken im Mittelfeld gelassen", sagte der starke Antreiber Gonzalo Castro. Sein Trainer Peter Bosz ergänzte: "Unser Defensivverhalten war sehr schlecht, wir kamen immer wieder zu spät. Das war nicht das Dortmund-Niveau. Es war ständig ein Mann von Real frei."
Vielleicht hätte der 53-Jährige seiner Mannschaft mit einer defensiveren Grundausrichtung eine wichtige Hilfestellung geben können. Doch einen Plan B, wenn es nicht in der Liga gegen normale Gegner, sondern gegen den europäischen Fußballadel geht, scheint Borussia Dortmund nicht zu haben. Dazu müsste erst einmal die Überzeugung reifen, die generelle Marschroute je nach Qualität des Gegners zu überdenken. Doch solche Überlegungen waren nach der Niederlage gegen Real Madrid nicht zu vernehmen. "Wir bleiben bei unserer Spielidee und versuchen, es immer besser zu machen", sagt Castro. Nuri Sahin sieht das genauso: "Wir müssen auch auf diesem Niveau versuchen, hoch zu stehen, ins Pressing zu kommen und unser System durchzuziehen. Das ist die Entwicklung, die wir wollen."
So wenig Flexibilität könnte aber im internationalen Vergleich schnell in die Sackgasse führen. Der Rückstand auf Tottenham und Real beträgt bereits sechs Punkte, nachdem die Dortmunder zwei Mal nach allen Regeln der Kunst ausgekontert wurden. "Das ist ein großer Unterschied", weiß Bosz, "aber es sind noch vier Spiele, und wir versuchen, sie zu gewinnen." Ob das gelingt, wenn der BVB weiterhin stur an seinem Hurra-Fußball festhält, erscheint allerdings mehr als fraglich.
Quelle: ntv.de